Bevor das Geld zu den Saudis geht
Heute lacht niemand mehr über Bene Müller. Das von ihm aufgebaute Unternehmen Solarcomplex mit Sitz in Singen am Hohentwiel ist auf dem regionalen Energiemarkt längst ein ernstzunehmender Faktor. Spätestens als Busladungen von Studenten im Örtchen Mauenheim in der weiten sonnigen Landschaft des oberen Hegaus ankamen, war klar, dass Müller irgendwie auf dem richtigen Weg sein musste. In langen Verhandlungen hatte er die Einwohner für ein Projekt gewonnen, das in dem kleinen Flecken auf 700 Metern über dem Meer fast utopisch klang: Das ganze Dorf bekommt Fernwärmeleitungen und nutzt die überflüssige Abwärme aus der großen Biogas-Anlage eines Landwirts am Ortsrand. Zusätzlich wird eine Holz-Hackschnitzelanlage installiert, die in den kalten Mauenheimer Wintern zusätzliche Wärme erzeugt.
„Kaufkraftbindung vor Ort“ lautet das Argument
Von Kohlendioxid-Emissionen hatte Müller den Menschen erzählt und vom Klimaschutz. Doch richtig verstanden haben sie ihn erst, als er sagte, dass es doch besser sei, wenn die Rechnung für eine geheizte Stube an den Bauern im Ort und die Stadt Tuttlingen als Waldbesitzerin gezahlt werde – und nicht an die Saudis oder russische Oligarchen. Wenn er nicht in den Dörfern – neben Mauenheim gibt es bereits ein zweites, ähnliches Projekt in Lippertsreute – unterwegs ist, spricht Bene Müller etwas weniger deftig. „Regionale Wertschöpfung“ sagt er dann und „Kaufkraftbindung vor Ort.“
Knallhart am Bodensee
Dass das Geschäft funktionieren kann, haben nicht zuletzt die örtlichen Handwerker und mittelständische Betriebe verstanden. Sie wollen an den Photovoltaik- und Biogasanlagen mitverdienen, die Solarcomplex mit dem Geld der Teilhaber errichtet. Seit Anfang 2007 eine Aktiengesellschaft, hat das Unternehmen inzwischen mehr als 500 Teilhaber. Das Grundkapital ist bis heute auf fünf Millionen Euro gewachsen, das Unternehmen schreibt schwarze Zahlen. Auf einer ehemaligen Mülldeponie wächst ein riesiger Solarpark heran. In Mauenheim und Lippertsreute ist das Bürgerunternehmen der Besitzer von wertvoller Infrastruktur. Geld kommt über die Einspeisevergütung herein und über die Wärmelieferungsverträge. Das Unternehmen ist auf dem als zukunftsweisend eingeschätzten Sektor des Wärmecontracting tätig und stellt sich auch kommunalen Partnern zur Verfügung, die beispielsweise eine Mehrzweckhalle auf Klimaschutz trimmen wollen, ohne allzu viel Kapital zu binden.
Im knallharten Wirtschaftsleben, das auch für das Musterunternehmen vom Bodensee genügend Rückschläge bereithält, bleibt dennoch Platz für Utopien. Als 20 Bürger vor acht Jahren Solarcomplex gründeten, war ihr Ziel, bis zum Jahr 2030 eine echte Energiewende in der Region herbeizuführen. „Wir meinen damit eine weitgehende Umstellung auf heimische erneuerbare Energien“, sagt Müller. Noch ist er von diesem Ziel weit entfernt: Die zwei Teilnehmer am Emissionshandel im Landkreis Konstanz – ein großes Aluminiumwerk sowie die Universität Konstanz – werden derzeit noch mit konventionell erzeugter Energie versorgt. Doch Bene Müller und sein Vorstandskollege Achim Achatz, für das Unternehmen Solarcomplex mehrfach mit Wirtschafts- und Staatspreisen ausgezeichnet, werden deshalb nicht aufgeben. Bioenergiedorf und Bürgerunternehmen lösen am Bodensee zwar kein Stirnrunzeln mehr aus. Doch bis sie die Energiewende geschafft haben, müssen Müller und Achatz auch im sonnigen Süden der Republik noch ziemlich viel Überzeugungsarbeit leisten. Dass sie Überzeugungstäter sind, nehmen ihnen selbst konservativ eingestellte Menschen am Bodensee längst ab.