Der NSU-Komplex und wir
Zwischen den Jahren 2000 und 2007 überzog der so genannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um dessen mutmaßliche Hauptakteure Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe Deutschland mit einer kaltblütigen Terrorserie. Bis zuletzt hatten die Behörden systematisch versagt und sich bei den Ermittlungen von Vorurteilen leiten lassen. Seit Mai 2013 müssen sich Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte vor dem Oberlandesgericht (OLG) München verantworten.
Die überlebenden Opfer des Terrors und die Angehörigen der Opfer verlangen umfassende Aufklärung. War der NSU größer als angenommen oder hatte er lokale Unterstützer? Kennen wir alle Taten des NSU? Wie konnten die Sicherheitsbehörden so lange einen potenziell rassistischen Hintergrund der Mordserie ignorieren? Waren V-Leute des „Verfassungsschutzes“ in die Taten verwickelt? Einigen Angehörigen ist es zudem wichtig, die gegen sie gerichteten Verdächtigungen und Ermittlungen aufzuklären, unter denen sie gelitten haben und durch die Familien und Freundeskreise zerstört wurden.
Welche Aufgabe hat der NSU-Prozess?
Welche Aufgabe hat vor diesem Hintergrund der NSU-Prozess? Die Bundesanwaltschaft definiert die Rolle des Verfahrens eng und warnt vor „Ausuferung“. Sie hält an der Prämisse fest, dass sich der NSU-Komplex in den verstorbenen Mundlos und Böhnhardt sowie den fünf Angeklagten erschöpft. Für Fragen, die nicht engstens mit diesen Personen verknüpft sind, sei im Gerichtssaal kein Raum. Dass bis zum heutigen Tage fast 30 Zeugen gehört wurden, die in der einen oder anderen Form zugaben, dem untergetauchten Trio Hilfsleistungen erbracht zu haben, irritiert die Bundesanwaltschaft zur Verblüffung der anderen Verfahrensbeteiligten nicht. Hinter den Ausführungen der Bundesanwaltschaft steht das Anliegen, durch ein zügiges und straffes Verfahren das Beschleunigungsgebot zu fördern. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Grundsatz des Strafverfahrens. Unstreitig dient das Strafverfahren zuvorderst der Anwendung des materiellen Strafrechts. Es beschränkt sich aber nicht auf die technokratische Verwirklichung dieses Ziels.
Zu aufwendig und zu teuer?
Ganz im Gegenteil ist die Herstellung von Rechtsfrieden die zentrale Funktion eines Strafprozesses. Gemeint ist dabei Rechtsfrieden nicht in rein technischer Sicht, also durch den endgültigen rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, sondern vielmehr im weiteren Sinne einer umfassenden Gerechtigkeit durch „Wiederherstellung des Rechts“. Gemäß dieser Sichtweise handelt es sich beim Wahrheitserforschungsinteresse im Strafverfahren auch um ein Interesse der Allgemeinheit. Hierzu richtet sich der Strafprozess an die gesamte Gesellschaft, um die durch den Verdacht einer Straftat entstandene Störung des Rechtsfriedens zu beseitigen.
Die Herstellung von Rechtsfrieden kann im NSU-Verfahren aber nur dann gelingen, wenn die vielen bestehenden Zweifel und Unklarheiten zu den mutmaßlichen Taten des NSU so umfassend wie möglich aufgeklärt werden. Daher ist es keinesfalls eine Überhöhung der Erwartungen, wenn die Öffentlichkeit sich von dem Prozess vor dem OLG München „Aufklärung und Aufarbeitung“ erhofft. Im Gegenteil: Es ist Ausdruck des Ansehens und Vertrauens in die Strafrechtspflege, dass ihr ein derartiges Gewicht in der öffentlichen Wahrheitsfindung zugedacht wird.
Zuweilen höre ich, das Verfahren sei „zu aufwendig“ oder „ausufernd“, sogar „zu teuer“ ertönte es zuweilen. Bislang fanden rund 240 Hauptverhandlungstage statt, am Ende werden es wahrscheinlich 300 sein. Das ist nicht wenig. Gemessen an der Anklage ist es aber auch nicht viel. Der Vorwurf lautet auf Teilnahme und Täterschaft bei zehn Morden, bei der Herbeiführung von zwei Sprengstoffexplosionen und bei 14 Raubüberfällen. Hinzu kommen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und weitere Straftatbestände bei fünf Angeklagten. Steht die Frage „Schnelligkeit oder Aufklärung?“ im Raum, so ist im Zweifel stets Letzteres zu wählen.
Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die sprichwörtliche Vorstellung eines „kurzen Prozesses“ nicht erstrebenswert ist. Oder um mit den Worten des Hamburger Strafrichters Marc Tully zu sprechen: „Ein kurzer Prozess ist kein guter Prozess, erst recht nicht im Strafrecht!“ In Abwandlung gilt deshalb: Ein kurzer Prozess ist kein guter Prozess, erst recht nicht im NSU-Verfahren. Es sei noch ein Vergleich gestattet: Im vielbeachteten Prozess gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann benötigte das Strafgericht bei nur einem Angeklagten und einem Tatvorwurf fast 100 Verhandlungstage, um zu einem Freispruch zu kommen.
In jedem Strafverfahren ist eine Vorverurteilung der Angeklagten durch die Öffentlichkeit zu vermeiden. Auch der Eindruck, dass auf den Ablauf oder die Gegenstände eines Verfahrens politisch Einfluss genommen wird, dient weder den Zielen eines Strafverfahrens noch der Akzeptanz strafrechtlicher Urteile in der Öffentlichkeit. Gleichzeitig wäre es so lebensfern wie schädlich, die öffentliche Relevanz bestimmter Strafverfahren schlicht zu ignorieren, indem man sie von „Politisierung“ freihalten will. Das NSU-Verfahren ist per se ein politisches Verfahren. Wer nun vor Politisierung warnt, stellt die Sache auf den Kopf. Den gesellschaftlichen Kontext und die Rolle von Staat und Politik aus der Verhandlung zu verbannen, wäre vielmehr eine geradezu künstliche Entpolitisierung der mutmaßlichen Taten des NSU. Mit der Folge, dass unbequeme aber für eine umfassende Aufklärung notwendige Fragen gar nicht erst gestellt werden können. Somit ist festzustellen: Die a priori existierenden politischen Bezüge des Verfahrens zu negieren, würde die Verfahrensbeteiligten gerade der Möglichkeit berauben, just jene politische Einflussnahme auf die Objektivität des Strafverfahrens zu verhindern und einzudämmen, vor der die Kritiker einer „Politisierung“ warnen.
Einen historischen Fehler vermeiden
Es ist bisher offen, wie lange sich der NSU-Prozess noch hinziehen wird. Fest steht hingegen, dass er eine der letzten Möglichkeiten bietet, die Taten des NSU und das damit einhergehende staatliche Versagen juristisch umfassend aufzuklären. Diese Möglichkeit nicht zu ergreifen, wäre ein historischer Fehler – nicht nur aus der Perspektive der Opfer und ihrer Angehörigen, sondern auch für das Ansehen der deutschen Justiz, ja unserer Gesellschaft insgesamt. Denn es war die gesamte Gesellschaft, gegen die sich die Taten des NSU letztlich gerichtet haben.
Unabhängig von der besonderen Bedeutung des Verfahrens sollte von den Grundprinzipien des Strafprozesses nicht abgewichen werden. Ganz im Gegenteil: Die Stärke unserer Strafordnung zeigt sich gerade darin, auch diesen Fall mit der gleichen nüchternen Akribie zu verfolgen, die weltweit hohes Ansehen genießt. Gleichzeitig aber darf eine auf Effizienz bedachte technische Vorgehensweise nicht den Blick darauf verstellen, dass das Ziel des Prozesses auch darin besteht, durch umfassende Aufklärung Gerechtigkeit zu schaffen.
Welche Rolle das Strafverfahren im öffentlichen Diskurs spielt, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt. Zu sehr sind die meisten Menschen mit anderen Fragen beschäftigt, von der Eurokrise bis zum Thema Flüchtlinge. Auf der Top-10-Liste der wichtigsten Gesprächsthemen in Deutschland dürfte der NSU jedenfalls nicht mehr vertreten sein.
Bei meinen migrantischen Freundinnen und Freunden ist der Neonazi-Terror allerdings allgegenwärtig. Schließlich geht es um Fragen unserer Identität: Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Wer dürfen wir sein? Türken? Deutsche? Es geht, mit anderen Worten, um unsere Heimat. Die meisten meiner deutschen Freunde nehmen dagegen eine seltsam distanzierte und desinteressierte Haltung ein. Sie tun so, als gehe es dabei nicht auch um ihre Heimat.
Was ist mit diesen Kindern passiert?
Als Nebenklägeranwalt habe ich Hunderte Aktenordner mit Tausenden von Seiten über die Taten des NSU studiert. In den Akten befinden sich zahlreiche Fotos: Fahndungsfotos, Fotos von Waffen, von Fahrzeugen und Tatorten. Bilder von den Opfern, die in ihrem Blut liegen, mit zerschossenen Gesichtern und zerschmetterten Leibern. Obduktionsfotos von den Opfern, aber auch von den mutmaßlichen Tätern. Es sind Bilder, die niemanden, mich ganz sicher nicht, unberührt lassen, Bilder, mit denen ich seit nunmehr fast vier Jahren ins Bett gehe und mit denen ich aufwache.
Dennoch gibt es da noch andere Fotos, die mich unentwegt beschäftigen. Es sind Bilder der beiden Haupttäter, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, im Alter von vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren. Sie zeigen die beiden Jungs, jeweils mit ihren Müttern auf dem Sofa oder mit ihren Freunden auf dem Spielplatz, wie sie herumalbern und Quatsch machen. Ich blicke in offene, freundliche, liebe Kindergesichter. Dann sehe ich Mundlos und Böhnhardt auf anderen Fotos, ein paar Jahre später: kahl geschoren, mit Bomberjacken und hasserfüllten Gesichtern. Die Hand zum Hitlergruß erhoben. Und ich frage mich: Was ist mit diesen Kindern passiert?
Ich habe großes Mitleid mit den Mordopfern und mit ihren Angehörigen, die Opfer waren, es aber lange nicht sein durften. Deren Geschichten hören wir Anwälte immer wieder fassungslos an. Manche erfährt man nur nebenbei, auf dem Gerichtsflur oder draußen bei einer Zigarettenpause. Man hört sie und hofft inständig, es möge sich um ein Missverständnis handeln. Da erzählt mir der Bruder eines Mordopfers, wie er selbst wochenlang unter Tatverdacht gestanden habe. Am Ende sei es um die Freigabe der Leiche für die Beerdigung gegangen. Der zuständige Beamte habe gesagt: „Die Leiche können Sie haben, aber den Kopf behalten wir. Den brauchen wir noch für Untersuchungen.“ Die Familie bekam einen verschweißten Zinksarg. Bis heute, sagte der Mann, wisse er nicht, ob sein enthaupteter Bruder mit oder ohne Kopf seine letzte Ruhe gefunden habe.
Aber ich empfinde auch Mitleid mit Mundlos und Böhnhardt. Nicht mit den Mördern, zu denen sie wurden, sondern mit den Kindern, die sie einmal waren und die einmal die Chance gehabt hatten, ein Leben zu leben, in dem sie Liebe geben und Liebe erfahren können. Wie sind aus diesen Kindern Mörder geworden? Das ist eine Frage, die das OLG München nicht beantworten kann. Diese Frage müssen wir uns aber stellen, wir alle, die wir Bürger dieses Landes sind. Wir scheuen eine solche Debatte jedoch oft, weil sie uns weg von den Nazis und zurück zu uns selbst führt.
Ich glaube nicht, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist. Im Kern seines Wesens ist er gut und solidarisch. Niemand wird als Mörder geboren und niemand als Nazi. Es ist verführerisch zu sagen: Das sind Mörder, da kann man nichts machen. Wir müssen genau hinschauen und fragen, wie aus den Kindern Böhnhardt und Mundlos Mörder werden konnten, die alles vermeintlich Fremde hassten.
Horst Seehofers »letzte Patrone«
Ein Teil der Antwort lautet: Diese Jugendlichen radikalisierten sich, als sich die Sprache unseres Landes radikalisierte. Damals, Anfang der neunziger Jahre, redeten kreuzbrave Politiker demokratischer Parteien von den „Asylanten“, als seien diese nicht Menschen, sondern Parasiten. Ein CDU-Generalsekretär setzte das Wort von den „SPD-Asylanten“ in die Welt. Es hieß, Deutschland versinke in der „Ausländerflut“.
Vor bald fünf Jahren kündigte der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer auf einer Aschermittwochsrede an, er werde sich „bis zur letzten Patrone“ dagegen wehren, „dass wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bekommen“. Bis zur letzten Patrone? Erzeugte dieser unfassbare Satz einen Aufschrei? Nein. Ob Mundlos und Böhnhardt diese Rede gehört haben? Was sie sich wohl bei der johlenden Zustimmung der CSU-Basis gedacht haben? Vielleicht, dass sie im Namen einer untätigen Mitte der Gesellschaft handelten. Taten statt Worte, so lautete ihr Motto.
Meine Freunde und Bekannten sind entsetzt über die NSU-Morde. Sicher, die verbale Solidarität ist groß. Aber bei der Frage nach den Wurzeln des Hasses schauen und hören sie oft betreten weg. Denn plötzlich ist der Hass nicht weit weg, nicht bei den Glatzen, die zu verachten so leicht ist, sondern ganz nah bei uns selbst.
Deutschland hat sich in den vergangenen 25 Jahren sehr verändert – wie ich meine, sehr zum Guten. Wir sind heute in jeder Hinsicht viel weltoffener, als wir es vor der Wiedervereinigung waren. Wir haben einen türkischstämmigen Parteivorsitzenden und hatten einen Wirtschaftsminister, der aus Vietnam stammt. Wir hatten mit Klaus Wowereit und Ole von Beust Regierungschefs, die ihre Sexualität nicht verstecken mussten. Wir haben eine Bundeskanzlerin, die als protestantische, unverheiratete, kinderlose Ostdeutsche in der CDU ihren Weg gegangen ist. Hunderttausende Deutsche engagieren sich, unterstützt von der überwältigenden Mehrheit des Landes, für Flüchtlinge.
Warum es bei Pegida um Terror geht
Zugleich gehen aber Montag für Montag Tausende und Abertausende Deutsche mit Hass in den Herzen auf die Straße, um gegen alles zu protestieren, was Deutschland im letzten Vierteljahrhundert erreicht hat. Wie passt das zusammen? Es handelt sich um den Kern jenes von uns gepriesenen Pluralismus, dass Menschen nicht mitgenommen wurden oder sich „nur“ nicht mitgenommen fühlen. Diesen Menschen muss die demokratische Politik eine Antwort geben. Politik darf dem Volk nicht nach dem Munde reden, aber sie darf ihm auf das Maul schauen. Sorgen und auch unbegründeten Ängsten müssen verantwortungsvolle Politiker mit Argumenten begegnen. Die demokratische Politik reagiert bislang besonnen auf die „Flüchtlingskrise“. Das unterscheidet uns von den frühen neunziger Jahren. Nach meinem Eindruck ist Horst Seehofer eine Ausnahme, weil man befürchten muss, er falle in seine alten Denk- und Sprachmuster zurück. Wenn es eine Lehre aus dem NSU gibt, dann die, dass wir verantwortungsvoll mit der Sprache umgehen sollten.
Um etwas anderes handelt es sich freilich bei „Pegida“, „Legida“ und anderen Aufläufen. Hier geht es nicht um den Ausdruck einer politischen Gegenvorstellung, sondern um Terror. Hier sollen Andersdenkende eingeschüchtert werden. Rechtsextreme Organisationen suchen und finden hier Rekrutierungsplattformen. Aus den Reihen dieser verbalen und tatsächlichen Straßenschläger stammen, wenn Staat und Politik nicht reagieren, die Brandstifter von heute und die Mörder von morgen. Geschichte wiederholt sich nicht, heißt es. Nun ja, Geschichte vielleicht nicht, aber Mechanismen der Terrorismusentwicklung sehr wohl. Wir müssen uns daran erinnern, wie es zu den Toten von Mölln und Solingen kam, wir müssen verstehen, warum die Opfer des NSU um ihr Leben betrogen wurden.
In den vergangenen vier Jahren habe ich an etwa 200 Veranstaltungen teilnehmen können, quer durch die Republik. Viele der Veranstalter waren migrantisch beziehungsweise türkischstämmig. Viele Teilnehmer waren verunsichert – nicht angesichts extrem gewaltbereiter Neonazis (an deren Existenz hatte keiner dieser Menschen gezweifelt), sondern weil sie sich fragten, ob sie auf den Beistand der Gesellschaft und der Behörden zählen können. Angesichts der verharmlosend „Pannen“ genannten Versäumnisse der Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex können wir den Menschen ihr Misstrauen nicht vorwerfen. Insgesamt bin ich aber positiv überrascht, wie ruhig und diszipliniert Deutsch-Türken mit dem ihnen entgegenschlagenden Hass umgehen. Sie haben ein Grundvertrauen in Deutschland, seine Gesetze und seine Institutionen, das auch vom NSU-Terror nicht in seinen Grundfesten erschüttert werden konnte.
In diesen Tagen wird oft von „besorgten Bürgern“ gesprochen. Der „türkische“ Teil unserer Gesellschaft hätte allen Grund, besorgt zu sein, und ist es zum Teil auch. Aber er geht mit seiner Sorge verantwortungsvoller um als die Montagsmarodierer in Dresden, Leipzig oder Düsseldorf. Sie sind im besten Sinne des Wortes in Deutschland angekommen. Sie sind integriert. Wenn wir von einem „Integrationsproblem“ sprechen, dann sollten wir (auch) an den „besorgten Bürger“ von heute denken und entsprechend handeln: mit niedrigschwelligen Angeboten im präventiven Bereich bis hin zur Repression, wenn Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten werden und zu Mord und Totschlag aufgerufen wird. Integration in den demokratischen und pluralen Rechtsstaat muss und kann von jedem Bürger in Deutschland gefördert und gefordert werden.
Der Abgrund blickt uns an
Der NSU-Komplex muss aufgeklärt werden – doch es wäre naiv, zu glauben, dass wir nach all den Jahren und all den Akten, die verschwunden (worden) sind, die ganze Wahrheit erfahren werden. Wir müssen es aber zumindest versuchen. Es bedeutet einen Unterschied, ob wir es versuchen und scheitern – oder ob wir scheitern, ohne es überhaupt versucht zu haben. Wir müssen, begleitend zum Prozess, darüber sprechen, wie es zu einem solchen Hass kommen kann. Wir dürfen nicht auf halbem Wege stehen bleiben und auf Fragen verzichten, weil wir möglicherweise Angst vor den Antworten haben. Es kann passieren, dass, wenn wir in diesen Abgrund blicken, der Abgrund zurückblickt. Aber ich glaube an unser Land. Unser demokratisches Gemeinwesen ist stark und erwachsen genug, diesem Blick standzuhalten.