Endlich auch mal Zentrum sein: Was man in Berlin so über Mainz und Magdeburg denkt



In Bahnhofskiosken der deutschen Provinz erwische ich mich manchmal dabei, wie ich die Berliner Republik umplatziere. Ich ziehe sie dann aus der dicht bepackten Zeitschriftenwand hervor, wo meist nur der Titel zwischen Konkret, Psychologie heute und Eltern herausragt und lege das Heft unauffällig an eine etwas prominente Stelle im Laden. Zum Beispiel neben die hohen Stapel von Bunte oder Gala. Warum ich das tue? Weil mich dabei so ein herrlich antiföderales Gefühl überkommt.

Schaut her, Ihr Wolfsburger, Kasseler, Mainzer oder Magdeburger, denke ich dann und blicke mich verstohlen, aber triumphierend um, ob Ihr wollt oder nicht: Hier liegt Eure Zukunft – die Berliner Republik! Noch kein Jahrzehnt ist die junge Hauptstadt im Amt, aber die Stimmung im Land hat sich grundlegend verändert. Die Zeiten sind kontroverser, härter, aber auch offener und suchender geworden. Deshalb finde ich Berlin als Hauptstadt längst prägend genug, um die Republik nach ihr zu benennen. Schluckt das, ihr Provinzeier!

Das sind natürlich die plumpen Gefühle eines sozialen Aufsteigers. Es ist die gedemütigte Bonnerin, die weiterhin in mir nagt. Bonn – das war als Hauptstadt so begehrt wie der Mittelplatz im Flugzeug. So aufregend wie eine Skifreizeit im Sauerland. Bonn blieb bis zum Schluss ein Provisorium, und es wurde vom Rest der Welt auch so behandelt. Die Bonner Republik? Undenkbar! Höchstens die rheinische Republik – und da fühlt man sich auch nur an Karneval erinnert.

Das einzige ernst zu nehmende Medienerzeugnis, dem die damalige Hauptstadt seinen Namen verleihen konnte, war der Bericht aus Bonn. Ich bin überzeugt, dass das dazugehörige Fernsehstudio direkt unter dem pilzartigen Kiosk lag, der zwischen Bundeskanzleramt und Bundestag das eigentliche Zentrum des Bonner Regierungsviertels bildete. Das Zentrum! Ein Büdchen, in dem man Spiegel und FAZ genauso kaufen konnte wie belegte Brötchen und Postkarten von der Rhein-Schifffahrt. So hemdsärmelig war die so genannte Bonner Republik – eine Republik so groß wie ein Schützenplatz.

Bloß nicht mehr diese Bonner Baracken

Jetzt haben wir endlich eine echte Hauptstadt, und ich bin eine echte Hauptstädterin. Wenn Freunde aus In- und Ausland einen in Berlin besuchen, dann kann man ernsthafte, repräsentative Regierungsbauten vorzeigen: einen Reichstag, ein orientalisch anmutendes Kanzleramt, einen Hermann-Göring-Prachtbau oder unendlich viele, betont transparente Abgeordnetenbüros. Nicht mehr diese Bonner Baracken- und Sparkassenarchitektur der Nachkriegsjahre.

Und man kann ein Heft zur Hand nehmen, bei dem die Besucher zusammenzucken; ein bisschen beeindruckt, ein bisschen verschüchtert: Berliner Republik. Und auffordernd mahnen: Lest mal, was man so über Euch und das Land denkt bei uns in der Hauptstadt! Über Reformen, Realitätsverweigerung, Rentenkassen.

Herzlichen Glückwunsch, Berliner Republik! Es macht wirklich Spaß, auch mal im Zentrum zu stehen.

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