Familie, Bildung, Gesundheit: Was in den nächsten fünf Jahren der Berliner Republik zu tun ist



Die Zeitschrift Berliner Republik ist etwa so alt wie die forcierte Diskussion um die Auflösung des so genannten Reformstaus in Deutschland, den die Regierung Kohl zurückgelassen hatte. Zuvor waren in der ersten Hälfte der Ära Kohl die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt zunächst unterschätzt worden. Die notwendigen Reformen wurden durch die Wiedervereinigung nochmals verschoben, obwohl ihre Dringlichkeit von Jahr zu Jahr zunahm. In der dritten und letzten Phase der Verschiebung schien es, als ob die so genannte New Economy neue ökonomische Gesetze schaffen werde, die klassische Strukturreformen überflüssig machen würden.


Inzwischen hat die Bundesregierung unter Gerhard Schröder zentrale Strukturreformen am Arbeitsmarkt, im Gesundheits- und im Rentensystem beschlossen und in die Tat umgesetzt. Allein auf den beiden zuletzt genannten Feldern werden die Lohnnebenkosten um jährlich etwa 18 Milliarden Euro gesenkt.


In welche Richtung sollten sich nun weitere Reformen bewegen, um die notwendige Senkung der Lohnnebenkosten und die Modernisierung des Arbeitsmarktes zu ergänzen? Zunächst muss deutlich werden, dass die Notwendigkeit auch auf Fehlentwicklungen und Unterlassungen zurückgeht, die bereits seit mehreren Jahrzehnten wirken. Drei Reformprojekte scheinen für die Bewältigung der längerfristigen Herausforderungen Deutschlands am wichtigsten zu sein:


Erstens, in der Familienpolitik muss die bessere Vereinbarkeit von Kindern und Beruf erreicht werden. Am französischen und skandinavischen Beispiel kann man die dafür zentrale Bedeutung von Kindertagesstätten, Vorschulen und Ganztagsschulen hoher Qualität ableiten. Obwohl diese alleine die Geburtenquote nicht erhöhen können, lässt sie sich ohne diese Bausteine offenbar nur sehr schwer überhaupt erhöhen.


Zweitens, unser Bildungssystem muss gleichzeitig mehr Qualität und mehr Chancengleichheit erreichen. Nicht einmal jeder zwanzigste Studierende in Deutschland stammt heute aus einer Arbeiterfamilie – in anderen Ländern Europas ist die Quote bis zu fünfmal höher. Ohne Studium der breiten Basis der Bevölkerung werden uns zukünftig die Ingenieurinnen und Ingenieure sowie, ganz allgemein, die Innovatoren fehlen, die die Basis für Wachstum und Elitenforschung sind.

Nur jeder zwanzigste Euro für die Prävention

Und drittens, mehr als die Hälfte aller Krankheiten ist vermeidbar, und trotzdem geben die gesetzlichen Krankenkassen weniger als jeden zwanzigsten Euro für Prävention aus. Die Bürgerversicherung muss bereits im Kindesalter die Voraussetzungen für Gesundheit bis ins hohe Alter schaffen.


Diese drei Schwerpunkte zukünftiger Reformen waren in den vergangenen fünf Jahren zu Recht immer wieder Themen in der Berliner Republik. In den kommenden fünf Jahren müssen sie konkretisiert und zusammengeführt werden, wofür die Berliner Republik ein wichtiges Diskussionsforum bietet. Dazu wünsche ich viel Erfolg.

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