Ist Zuma die letzte Chance Südafrikas?

Karl-Ludwig Günsche zu Klaus Freiherr von der Ropp, Südafrika in der Ära Zuma, Berliner Republik 5/2009

Klaus von der Ropps gründliche Analyse sollte in Einzelpunkten vielleicht hinterfragt werden, in der Gesamtschau aber liefert der Autor ein zutreffendes Bild Südafrikas, seiner Probleme und seiner Widersprüche. Ich möchte zwei Punkte ansprechen: die Rolle des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma und die Rolle der Vorsitzenden der größten Oppositionspartei Democratic Alliance (DA), Helen Zille. Zunächst muss ich gestehen, dass ich Zuma im Einklang mit dem publizistischen Mainstream in Südafrika und weitgehend auch im Ausland anfangs sehr skeptisch, ja negativ eingeschätzt und beschrieben habe. Zu Unrecht, wie ich heute – nachdem ich ihn auch persönlich erlebt habe – unumwunden zugebe. Nach Nelson Mandela, der dem Land eine Vision gegeben, und Thabo Mbeki, der das Land tief gespalten und dessen Image nachhaltig ramponiert hat, kann Zuma der Mann werden, der das in zwei Parallelwelten zerrissene Südafrika eint und ihm eine eigene Identität gibt. Der Vorsitzende der Vryheidsfront, in der sich viele weiße Afrikaaner organisieren, Pieter Mulder, hat das begriffen – auch da stimme ich von der Ropp voll zu. Unter der Überschrift „We must make peace with Africa“ hat Mulder Ende September in der Tageszeitung The Star einen viel diskutierten Beitrag veröffentlicht, in dem er die Verantwortung der Afrikaaner im Integrationsprozess betont.


Doch bei der inneren Versöhnung fällt Helen Zille und ihrer Demokratischen Allianz (DA) eine Schlüsselrolle zu, die weit über das hinausgeht, was Mulder je leisten könnte. Allerdings betreibt Zille eine Politik, die das Gegenteil von „versöhnen statt spalten“ darstellt. Im Gegensatz zu Mulder scheint sie Zumas Ziel der Restabilisierung Südafrikas nicht zu verstehen oder nicht verstehen zu wollen.


Im Wahlkampf hat die Vorsitzende der DA sehr populistisch (und im Ergebnis erfolgreich) die Angst vor dem schwarzen Mann beschworen. In ihrer „Stoppt Zuma“-Kampagne malte sie tiefschwarze Zukunftsvisionen von einem Staat, der unter Zumas Präsidentschaft angeblich unweigerlich bei simbabwischen Zuständen enden würde. Jacob Zuma war (und ist) für sie der Inbegriff von Korruption, Machtgier und Verantwortungslosigkeit, die Inkarnation des Bösen schlechthin, auch wenn sie hin und wieder fast gönnerhaft erklärt, er sei eigentlich ein netter Kerl. Die DA richtet sich mit ihren unterschwellig rassistischen Botschaften an die Weißen und Farbigen, denen die ganze Richtung nicht passt und nie gepasst hat oder die die Geduld mit dem ANC verloren haben.

Wie Helen Zille mit dem Feuer spielt

Mit dieser Politik war Zille bei den Parlamentswahlen Ende April erfolgreich und setzt sie seitdem zielstrebig fort. Die DA will Zuma immer noch vor den Kadi bringen, um seine Autorität als Staatspräsident zu schwächen und seine zweifellos umstrittene moralische Integrität weiter zu untergraben. Fast täglich schüren Zille und die DA die traditionellen Vorbehalte der Weißen Südafrikas gegen die schwarze Regierung mittels „Enthüllungen“ über Dienstwagen, teure Hotelübernachtungen und Luxusjets. Dabei halten sich alle angeblichen Verfehlungen im Rahmen der Richtlinien für Regierungsmitglieder. (Sicher lässt sich darüber streiten, ob ein solcher Aufwand in einem Land wie Südafrika gerechtfertigt ist.) Zilles Ziel ist durchsichtig: Die Berichte über die Verschwendungssucht der Regierenden sollen die sorgsam gepflegten Vorurteile der meisten Weißen gegenüber der ANC-Regierung immer wieder neu bestätigen.


Die von der deutschen Politik und Diplomatie völlig unreflektiert und distanzlos hofierte deutschstämmige Zille betreibt ein Spiel mit dem Feuer. Sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie im Spiel um die Macht gezielt die Rassen-Karte einsetzt und damit die Spaltung der südafrikanischen Gesellschaft vertieft. Selbst der Zille-freundliche Mail & Guardian titelte nach ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin des Westkaps anlässlich der Präsentation ihres reinen Männer-Kabinetts: „Die Rückkehr des weißen Mannes“. Die zum Teil unterhalb der Gürtellinie liegenden Ausfälle des Führers der ANC-Jugendliga, Julius Malema, machen es der DA jedoch leider immer wieder einfach, mit dem Finger auf ihn zu zeigen und ihrerseits dem ANC Rassismus vorzuwerfen. Das Bestürzende daran: Rund 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid ist in den südafrikanischen Medien und in der Zivilgesellschaft wieder eine heftige Rassismus-Diskussion entbrannt. Die im Alltag immer noch deutlich spürbare Apartheid ist – nicht zuletzt aufgrund von Fehlern des ANC – auf schreckliche Weise um eine ökonomische Apartheid ergänzt worden.


Wie tief die Krise Südafrikas wirklich ist, wird sich wohl erst nach der Fußball-Weltmeisterschaft zeigen, die für den gesamten afrikanischen Kontinent historische Bedeutung hat. Derzeit reicht die Zeitrechnung Südafrikas nur bis zum magischen Datum des 11. Juli 2010. Nach dem letzten Schlusspfiff droht allerdings Katerstimmung, weil Schönfärberei und Verdrängung dann nicht mehr helfen: Nirgendwo sonst auf der Welt klafft die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander. Armut, HIV/Aids und Kriminalität sind die Geißeln dieses Landes, das erneut an einem Scheideweg angekommen zu sein scheint. Klaus von der Ropp hat Recht: Jacob Zuma ist die vielleicht letzte Chance, eine Implosion des einstigen afrikanischen Hoffnungsträgers zu verhindern.

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