Jetzt neu! Die SPD der Berliner Republik hat das Soziale entdeckt



Als ich noch regelmäßig über die FDP berichtet habe, hatte ich oft den Eindruck, liberaler zu sein als Guido Westerwelle. Die FDP wandte sich damals gegen intensiveren Wettbewerb im Gesundheitswesen, und war zum Beispiel gegen die Internet-Apotheke.


Als ich die Netzwerker, ihre Vorstellung von der künftigen SPD und der Berliner Republik kennenlernte, machte ich eine ähnliche Erfahrung: Ich hatte den Eindruck, sozialdemokratischer zu sein als sie. Mich trieben die alten sozialen Grundsatzdebatten um, Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und der Chancengleichheit. Der Gegensatz zwischen sozialen Gruppen interessierte mich mehr als die Konflikte verschiedener Generationen. Beim Netzwerk fand ich damals nicht viele Gesprächspartner. Und im Ausschuss für Arbeit und soziale Sicherung des Bundestages, der damals noch in Bonn tagte, saßen nur zwei jüngere SPD-Abgeordnete: Andrea Nahles und Olaf Scholz.


Fünf Jahre nach dem Regierungsumzug haben sich die Interessen verändert. Die jüngeren SPD-Abgeordneten und auch diese Zeitschrift haben die Sozialpolitik doch noch zu ihrem Anliegen gemacht, wobei sie, völlig zu Recht, Sozialpolitik nicht missverstehen als Sozialversicherungspolitik. In der Berliner Republik holt uns die Vergangenheit ein, aber anders als es in den zahlreichen Feuilletondebatten zuvor beschrieben worden war. So wird über Architektur zum Beispiel nur noch wenig gesprochen, die Tatsache, dass die Ministerialgebäude etwa von Hans Eichel und Ulla Schmidt einst von Joseph Goebbels und Hermann Göring genutzt wurden, ist vor allem für Touristen und Schulklassen von Interesse.

Grundsatzdebatte und Generationenthema

Bei der Debatte über den demografischen Wandel jedoch werden wir ständig an den Rassenwahn der Nazis erinnert – weil es erst seit kurzem möglich ist, über staatliche Bevölkerungspolitik zu sprechen; weil es in Deutschland aus historischen Gründen kaum Demografie-Professuren und damit wenig fachkundige Ratgeber gibt; weil wir immer noch zaudern, über den Zusammenhang zwischen Demografie und Außenpolitik zu sprechen.


Der demografische Wandel wird alle Akteure der Berliner Republik auf absehbare Zeit beschäftigen. Besonders die Sozialdemokraten werden sich dem stellen müssen. Alterung und Bevölkerungsrückgang werden mehr Ungleichheit und Verteilungskämpfe bedeuten: ten: Zwischen Erben und Nichterben, Eltern und Kinderlosen, Zuwanderern und Einheimischen. Die Sozialdemokraten werden versuchen müssen, Gleichheitserwartungen zu dämpfen und gleichzeitig soziale Ungleichheit zu mildern. Die sozialpolitischen Grundsatzdebatten und das Generationenthema gehören zwingend zusammen.


Mir scheint es wichtig, vor allem den Zusammenhang zwischen Familienpolitik und dem Ziel der Chancengleichheit auszuloten. Wie kann es gelingen, einerseits Familien zu stärken, andererseits für gleiche Bildungschancen zu sorgen? Wie lässt sich vereinbaren, dass einerseits der Zusammenhalt der Familien gestützt wird – und gleichwohl für die Zukunft eines Kindes nicht alles davon abhängt, ob es nun Arzttochter oder Sohn eines Sozialhilfeempfängers ist? Alles alte sozialdemokratische Fragen – auf die nun die SPD der Berliner Republik dringend neue Antworten finden muss.

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