Mehr Zeit für die Familie

Die meisten Frauen und Männer wollen ihrem Beruf und ihrer Familie zugleich gerecht werden. Unsere Familienarbeitszeit für Kinder und für die Pflege von Angehörigen unterstützt sie dabei. Denn moderne Familienpolitik hilft Menschen, so zu leben, wie sie gerne leben möchten

Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ist eine der sozialen Zukunftsfragen – für die Familien, aber auch für die Arbeitgeber, die mit neuen Arbeitszeitwünschen ihrer Arbeitskräfte konfrontiert werden. Eine Antwort auf diese Zukunftsfrage lautet: Es muss mehr Unterstützung und bessere Arbeitszeitmodelle geben, die die Familiensituation – ob mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen – berücksichtigen.

Die Erwartung von berufstätigen Frauen und berufstätigen Männern ist völlig zu Recht, dass sie von der Politik, aber auch von der Wirtschaft und der Arbeitswelt darin unterstützt werden, beides unter einen Hut zu bekommen: Beruf und Familie. Immer öfter hört man von Arbeitgebern, die Familienfreundlichkeit ihres Unternehmens sei bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften ein wichtiger Standortvorteil. Moderne Familienpolitik und die Interessen von Unternehmen sind also keineswegs ein Gegensatz – im Gegenteil, beide ergänzen einander.

Wir treffen einen gesellschaftlichen Nerv

Vor allem aber ist es eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, mehr für die zu tun, die in der Mitte des Lebens stehen, die arbeiten gehen, Steuern bezahlen und Verantwortung für ihre Familie tragen. Hier sorgen wir mit dem Dreiklang aus Zeit, Infrastruktur und Geld für den notwendigen Rahmen.

Im Verlauf der Programmdebatte der SPD haben wir die Familienarbeitszeit konkretisiert. Das Konzept haben wir bereits in der vergangenen Legislatur in der SPD-Zukunftswerkstatt gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen, Gewerkschaften und Verbänden erarbeitet. Als Bundesfamilienministerin habe ich mit dem ElterngeldPlus dann einen ersten erfolgreichen Schritt zu dessen Verwirklichung gemacht.

Viele Väter und Mütter erleben eine Doppel- und Dreifachbelastung, ziehen Kinder groß, haben pflegebedürftige Angehörige. Alleinerziehende betrifft das noch viel stärker. Wir wissen aus vielen Befragungen, dass wir mit der Entlastung dieser großen Bevölkerungsgruppe in der Mitte der Gesellschaft einen gesellschaftlichen Nerv treffen: 60 Prozent der Eltern, deren jüngstes Kind zwischen einem und drei Jahren alt ist, wünschen sich, dass beide Partner in gleichem Umfang erwerbstätig sind und sich gleichermaßen um Haushalt und Familie kümmern. Die meisten Angehörigen möchten sich zudem um hilfe- und pflegebedürftige Familienmitglieder kümmern können. 65 Prozent aller Beschäftigten halten es für wünschenswert, dass Pflegebedürftige so weit wie möglich von Angehörigen betreut werden.

An diesen Wünschen setzen wir mit der Familienarbeitszeit an: Eltern erhalten bis zu 24 Monate lang ein Familiengeld von insgesamt 300 Euro monatlich. Das sind 150 Euro für die Mutter und 150 Euro für den Vater. Voraussetzung ist, dass in dieser Zeit beide gleichzeitig zwischen 26 und 36 Stunden arbeiten. Das ist für die meisten kein voller Lohnausgleich, aber eine wirksame Unterstützung – vor allem in den unteren Lohngruppen. Und es ist auf jeden Fall mehr, als wenn die Paare auf Dauer nur eineinhalb Einkommen verdienen, wie das heute bei vielen Familien die Regel ist: Der Mann arbeitet Vollzeit und mehr, die Frau reduziert auf halbtags oder sogar weniger.

Niemandem wird etwas vorgeschrieben


Mit der Familienarbeitszeit soll niemandem etwas vorgeschrieben werden, wie Kritiker das gerne behaupten. Sie ist ein Angebot. Ich möchte Väter dazu ermutigen, sich mehr Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Und ich möchte Mütter ermutigen, ihre Chancen im Berufsleben zu ergreifen und ihre Existenz zu sichern.

Wir brauchen auch neue Lösungen im Bereich der Pflege. Das hat Martin Schulz erkannt und vorgeschlagen, die Familienarbeitszeit auch auf pflegende Angehörige auszuweiten. Denn hier wächst der Druck in den Familien am meisten. Die vielen Frauen und Männer, die ihre Eltern oder Geschwister pflegen, sind auf die zeitliche und finanzielle Unterstützung angewiesen. Vor allem dann, wenn sie dies mit ihrem Beruf vereinbaren müssen. Die Familie ist der größte Pflegedienst Deutschlands. Wenn wir die zukünftigen Herausforderungen des demografischen Wandels bewältigen wollen, muss Politik hier mehr investieren.

Die Anzahl der Pflegebedürftigen ist auf 2,8 Millionen gestiegen; fast drei Viertel von ihnen (73 Prozent) werden zu Hause versorgt, 1,4 Millionen zumeist durch Angehörige. Von diesen ist rund die Hälfte Vollzeit berufstätig. Für sie wollen wir die Familienarbeitszeit mit einem Familiengeld für Pflege sowie einer dreimonatigen Pflegefreistellung mit Lohnersatz.

Mit der Familienarbeitszeit für Pflege haben Angehörige erstmals einen Anspruch auf eine längere Freistellung mit Lohnersatzleistung. Sie können ihre Arbeitszeit für bis zu drei Monate vollständig oder teilweise reduzieren. So erreichen wir, dass pflegende Angehörige, die in der Regel über langjährige Berufserfahrung verfügen, erwerbstätig bleiben können. Sie können je nach Pflegesituation ihre Zeit flexibel einsetzen und haben den Anspruch auf Rückkehr auf ihre vorherige Arbeitszeit.

Reflexhafte Kritik aus der Union

Die Regelung soll besonders dazu dienen, Angehörige dann zu unterstützen, wenn sie in der Pflege besonders gefordert sind, beispielsweise zu Beginn der Pflegesituation, bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder wenn sie Angehörige in der letzten Lebensphase begleiten wollen. Wer seine Angehörigen pflegt und deshalb seine Arbeitszeit reduzieren möchte, erhält das Familiengeld für Pflege. Es beträgt 150 Euro im Monat und wird bei vollzeitnaher Beschäftigung im Umfang von wöchentlich 26 bis 36 Stunden für bis zu 24 Monate gezahlt.

Jede Generation hat ihre eigenen Herausforderungen und ihre eigenen Bedürfnisse. Deshalb brauchen wir zeitgemäße Lösungen wie die Familienarbeitszeit. Die reflexhafte Kritik aus dem Lager der Union, dies sei unternehmerfeindlich, ist ignorant. Es ist auch im Interesse der Arbeitgeber, wenn Beschäftigte zufrieden sind und in den Betrieben bleiben. Zudem verschafft es den Unternehmen mehr Planungssicherheit.

Es ist an der Zeit, dass nicht nur die Familien immer arbeitsfreundlicher, sondern auch die Arbeitswelt familienfreundlicher wird. Es geht hier um ein politisches Megathema der kommenden Jahre – umso weniger Verständnis habe ich dafür, dass der Koalitionspartner sich hier seit Jahren verweigert. Doch inzwischen naht der Wahlkampf, und prompt haben CDU und CSU die Entlastung von Familien angekündigt. Ich glaube ihnen kein Wort, wenn sie erneut – wie schon im Wahlkampf 2013 – den Familien milliardenschwere Versprechungen machen. Was die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode für Familien auf den Weg gebracht hat, konnte immer nur gegen den erbitterten Widerstand der Union durchgesetzt werden. Kein Wunder also, dass die SPD bei den familienpolitischen Kompetenzwerten weit vorne liegt. Mit Martin Schulz als Kanzler werden wir Familien besser unterstützen.

zurück zur Ausgabe