So schafft man das!
„Sie sind Bundestagsabgeordnete und haben drei schulpflichtige Kinder – wie schafft man das?“ So oder ähnlich beginnt jedes Interview, das Journalisten mit mir führen. Ob Männern diese Frage ebenso häufig gestellt wird? Nein, „man“ ist in diesem Fall als Synonym für „Frau“ zu verstehen. Die Mutter als Kindererzieherin und der Vater als Familienernährer – diese Bild ist noch immer tief verankert. Und das, obwohl die Gleichstellungsdebatte seit Jahrzehnten läuft; die Argumente sind lange ausgetauscht. Nur einen neuen Trend gibt es: Neuerdings wird Frauen vorgeworfen, sich selbst nicht genügend für die Gleichstellung einzusetzen. Gerade sorgt Bascha Mika mit ihrem Buch Die Feigheit der Frauen für Aufsehen. Auch Familienministerin Kristina Schröder gab jüngst zum Besten, dass Frauen nun einmal gern geisteswissenschaftliche Fächer mit vergleichsweise schlechten Einkommensperspektiven studieren – selbst schuld!
Vielen Frauen droht Altersarmut
Seit Jahren verdienen Frauen durchschnittlich etwa 23 Prozent weniger als Männer. Ein Grund ist tatsächlich die Berufswahl. Hinzu kommen der hohe Anteil an Teilzeitarbeit sowie die Tatsache, dass fast jede dritte Frau im Niedriglohnsektor tätig ist. Diese strukturellen Faktoren erklären rund zwei Drittel des Lohnunterschieds. Das übrige Drittel geht darauf zurück, dass Frauen bei gleicher Qualifikation und Arbeit pro Stunde im Schnitt acht Prozent weniger verdienen als Männer. Eine Ungleichbehandlung, die unser Gleichbehandlungsgesetz eigentlich untersagt. An den Zahlen hat sich dennoch nichts geändert. Die Folge: Geringe Löhne und Teilzeitarbeit wirken sich nicht zuletzt negativ auf die Höhe der Renten aus. Viele Frauen sind sich gar nicht bewusst, dass ihnen Altersarmut droht.
Nichts getan hat sich auch in Bezug auf Frauen in Führungspositionen. In den 200 größten deutschen Unternehmen sind gerade einmal 3 Prozent aller Vorstandsmitglieder und 11 Prozent aller Aufsichtsräte weiblich. Europaweit liegen wir mit einem Anteil von 31 Prozent weiblicher Führungskräfte auf Rang 11. Die „gläserne Decke“ existiert selbst auf dem Gebiet Bildung und Forschung: Mehr als die Hälfte der Hochschulabsolventen sind Frauen. Im Jahr 2009 lag der Frauenanteil unter den Promotionen bei 44 Prozent, unter den Habilitationen hingegen nur bei 24 Prozent. Immerhin konnten spezielle Förderprogramme den Anteil der Lehrstuhlinhaberinnen auf 18 Prozent anheben.
Zwangsbabypause für Väter?
In einem Punkt besteht parteiübergreifender Konsens: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss weiter verbessert werden. Gesetzlich wurden bereits einige Weichen gestellt. Ab 2013 hat jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Die SPD will diesen Anspruch auf Ganztagsbetreuung ausweiten und fordert den Ausbau der ganztäglichen Betreuungsangebote auch im Schulbereich. Auf diese Weise würde mehr Wahlfreiheit geschaffen als mit dem von der Regierung geplanten Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro für Kinder, die keine Kita besuchen.
Ein wichtiger Schritt für die Eltern war die Einführung der Elternzeit und des Elterngeldes. Bereits jeder fünfte Vater nimmt diese Möglichkeit in Anspruch. So können die durch geburtsbedingte Auszeiten entstehenden Nachteile gerechter auf Männer und Frauen aufgeteilt werden. In Frankreich denkt man sogar schon über eine Zwangsbabypause für Väter nach. Dieser Ansatz könnte auch für Deutschland interessant sein, zumal das Stammtischargument weggefallen ist, Männer würden durch den Wehr- oder Zivildienst ebenfalls ein Jahr auf der Karriereleiter verlieren.
Die Hüter der gläsernen Decke
Aber allein mittels familien- und gleichstellungspolitischer Maßnahmen werden die gesellschaftlichen Rollenmuster nicht aufgebrochen. Nach wie vor ist die Kinderbetreuung vor allem Sache der Frauen, und etwa 25 Prozent aller Mütter möchten lieber zu Hause bleiben und sich um die Familie kümmern, statt sich Gedanken um ihre Karriere zu machen. Dem stehen allerdings 70 bis 85 Prozent der beurlaubten und nicht erwerbstätigen Mütter gegenüber, die gerne berufstätig wären. Den meisten Frauen schwebt dabei eine vollzeitnahe Teilzeit in Höhe von 30 bis 35 Stunden pro Woche vor. Diese Möglichkeit, den Beruf und ein aktives Familienleben zu vereinbaren, wünschen sich auch immer mehr Väter.
In Bezug auf flexible Arbeitszeiten haben wir in Deutschland noch einiges aufzuholen – sowohl bei der Wochen-, als auch bei der Kernarbeitszeit sowie was Überstunden betrifft. Ein zwölfstündiger Arbeitstag lässt sich nur schwer mit einer Familie vereinbaren. Aber gerade junge Führungskräfte, die regelmäßig pünktlich nach Hause gehen, haben in den Betrieben heutzutage ein Imageproblem. Die verbreitete Einstellung zu Arbeitszeiten muss sich ändern. Zum Beispiel dürften Konferenzen und Arbeitsbesprechungen idealerweise nur noch in der Kernarbeitszeit angesetzt werden. Davon sind wir auch im Deutschen Bundestag weit entfernt!
Bezeichnend ist eine vom Familienministerium in Auftrag gegebene Studie über Führungskräfte privatwirtschaftlicher Unternehmen: Rund 44 Prozent der Frauen in Führungspositionen sind kinderlos, aber nur 23 Prozent der Männer. Die gleiche Studie stellt fest, dass „in den Köpfen der Männer vielfältige, miteinander verschränkte Vorbehalte gegen Frauen in Führungspositionen bestehen, und dass Männer (zum Teil unbewusst) als ‚Hüter der gläsernen Decke‘ agieren“. Legt diese Feststellung nicht die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote nahe? In dieser Frage besteht kein parteiübergreifender Konsens – in Union und FDP nicht einmal ein parteiinterner.
Gleichstellung in den Köpfen haben wir erst dann erreicht, wenn auch Männer mit Familie gefragt werden, wie „man“ das schafft. Denn grundsätzlich muss Gleichstellungspolitik nicht nur Verbesserungen für Frauen erreichen, sondern die freie Wahl zwischen unterschiedlichen Lebensmodelle ermöglichen. Das Ziel ist ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Zusammenleben. Konkret geht es darum, Lohnungleichheiten zu beseitigen, die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder auszubauen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen und das Risiko weiblicher Altersarmut durch die Möglichkeit einer eigenen Existenzsicherung zu mindern.
Den Schaden trägt die Volkswirtschaft
Aufgrund des demografischen Wandels werden gut qualifizierte Arbeitskräfte Mangelware. Wenn Frauen Qualifikationen erworben haben und dennoch nicht arbeiten, dann handelt es sich um einen großen volkswirtschaftlichen Verlust. Deshalb muss die Politik Impulse setzen, die auch in den Unternehmen ein Umdenken anstoßen. Das Scheitern der Selbstver-pflichtung hat gezeigt: Dies ist nur mit Nachdruck zu verwirklichen. «