Donald Trumps gefährliche Symbolpolitik

Manche glauben, in der Außenpolitik Washingtons zeichne sich eine Rückkehr zu größerer Vernunft und mehr Verantwortungsbewusstsein ab. Diese Hoffnung ist unbegründet. Inzwischen ist sogar unklar, welche Ziele Trump überhaupt verfolgt

Die jüngsten Entwicklungen in der amerikanischen Außenpolitik haben bei vielen Verbündeten die Hoffnung geweckt, die Vereinigten Staaten könnten eine aktivere und verantwortungsvollere Rolle auf der internationalen Bühne wahrnehmen. Donald Trump erklärte, er halte die Nato – anders als zuvor – nun doch nicht mehr für „obsolet“. Vizepräsident Mike Pence kündigte an, Südkorea mit allen Mitteln vor nordkoreanischen Drohungen zu schützen. Michael Flynn und Steve Bannon mussten den Nationalen Sicherheitsrat verlassen. Und Anfang April erfolgte ein amerikanischer Luftschlag gegen einen syrischen Militärflughafen. Dies alles ist bei vielen auf Zustimmung gestoßen, die einen Rückzug Washingtons aus der Weltpolitik befürchten.

Auch traditionelle Republikaner und eingeschworene Neokonservative, die sich eine interventionistische Außenpolitik der USA wünschen, frohlocken. Manche, wie der konservative Kommentator Charles Krauthammer, sprechen im Zusammenhang mit dem Luftschlag in Syrien gar von einer Kehrtwende und Normalisierung in Trumps Außenpolitik.

Diese wohlwollenden Reaktionen darauf, dass Trump sich vermeintlich auf traditionelle Richtlinien der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik rückbesinnt, sind nicht nur verfrüht, sondern gänzlich unbegründet. Gewiss, der Luftschlag in Syrien – die erste amerikanische Militäraktion gegen das Assad-Regime im seit 2011 andauernden Syrien-Krieg – kam für die meisten Beobachter überraschend. Eine Woche zuvor hatten Außenminister Rex Tillerson, die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley und Trumps Pressesprecher Sean Spicer allesamt noch öffentlich verkündet, ein Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sei keine Priorität der amerikanischen Syrienpolitik mehr.

Anders als gemeinhin angenommen, kündet Donald Trumps Griff nach militärischen Mitteln nicht von einer aktiveren Haltung Amerikas in internationalen Konflikten, geschweige von der Bereitschaft Trumps, die internationalen Normen der liberalen Weltordnung wie etwa die Norm gegen den Gebrauch von Chemiewaffen zu stärken. Vielmehr zeigt der Luftschlag in Syrien, dass Präsident Trump versucht, außenpolitische Glaubwürdigkeit dadurch zu erlangen, dass er mit Entschlossenheit militärische Stärke demonstriert. Das ist eine beunruhigende Erkenntnis.

Aus Trumps Militärschlag folgte nichts

Militärische Mittel können eingesetzt werden, um verschiedene Ziele zu erreichen. Ihr Gebrauch kann der nationalen Verteidigung, der Verteidigung der internationalen Ordnung oder dem Sturz missliebiger Regime dienen. Militärische Mittel können aber auch symbolisch genutzt werden. Statt ein konkretes, materielles Ziel zu erreichen, dient ihr Gebrauch dann der Demonstration von Stärke und Überlegenheit. Ihr symbolischer Nutzen übertrifft den materiellen.

Trumps Luftschlag gegen das syrische Regime ist solch ein symbolischer Einsatz militärischer Gewalt. Materiell ändert er wenig bis nichts am weiteren Verlauf des Syrien-Konflikts. So hoben weniger als 24 Stunden nach dem Luftangriff wieder syrische Kampfflugzeuge von dem bombardierten Flugplatz ab. Selbst Befürworter des Luftschlags räumen diesen Umstand freimütig ein. So geht Eliot Cohen, der die Militäraktion als eine „entschiedene Antwort“ auf den Gebrauch von Chemiewaffen bezeichnet, gleichwohl nicht davon aus, dass die 59 abgefeuerten Marschflugkörper das Assad-Regime in irgendeiner Form geschwächt haben.

Der Gebrauch militärischer Gewalt für symbolische Zwecke ist kein Zeichen einer Kehrtwende in der amerikanischen Außenpolitik, sondern untergräbt die außenpolitische Leitstrategie Trumps. Während der Präsident in den ersten Wochen seiner Amtszeit stets die Bekämpfung des so genannten Islamischen Staates und die Einhegung Chinas als seine obersten Prioritäten bezeichnete, laufen der Luftschlag in Syrien wie auch die drohende Eskalation um Nordkoreas Atomprogramm, die Trump tatkräftig angeheizt hat, diesen ursprünglichen Zielen zuwider.

Auch wenn Trump angekündigt hat, den Atomstreit mit Nordkorea notfalls im Alleingang zu lösen, steigert die Konfrontation mit Pjöngjang die Abhängigkeit der USA von China – ein Nebeneffekt, der Trump bereits dazu veranlasst hat, einen milderen Kurs gegenüber der chinesischen Führung einzuschlagen. Einen ähnlichen Effekt hat Trumps Militärschlag gegen den Militärflugplatz des syrischen Regimes. Dieser läuft Donald Trumps Ziel zuwider, den so genannten Islamischen Staat mit Hilfe russischer Kooperation niederzuringen. Bis vor Kurzem sah es so aus, als hätte die neue Regierung in ihren ersten drei Monaten noch keine kohärente Strategie formuliert, um ihre außenpolitischen Ziele zu erreichen. Mittlerweile ist sogar unklar, was ihre außenpolitischen Ziele eigentlich sind.

Ein Umdenken findet nicht statt


Zudem ist es der Trump-Regierung mit dem Luftschlag in Syrien nicht gelungen, sich einen Ruf der Entschlossenheit zu erarbeiten. Hierfür müsste der Einsatz militärischer Gewalt öffentlich kohärent begründet und erklärt werden. Doch statt den Luftschlag in ein einheitliches Narrativ einzubetten und ein explizites Signal an Assad oder andere Adressaten zu senden, beließ es Präsident Trump bei einer kurzen Mitteilung am Abend des Angriffs. Sean Spicer erklärte einige Tage nach dem Luftschlag, die Regierung behalte sich das Recht vor, nicht nur auf den Gebrauch von Chemiewaffen militärisch zu reagieren, sondern auch auf den Abwurf von Fassbomben seitens des Assad-Regimes. Außenminister Rex Tillerson verkündete bei einem Besuch in Italien sogar, dass die amerikanische Regierung nunmehr weltweit jedes Verbrechen gegen unschuldige Zivilisten ahnden werde – eine dramatische Ausweitung der Handlungslogik des Luftschlags.

Doch selbst wenn es der Regierung Trump gelungen wäre, die Militäraktion gegen das syrische Regime in kohärenter Weise zu rechtfertigen, bliebe ein weiteres Problem: Eine Reputation der Entschlossenheit, die sich Trump erhofft, ist keine Charaktereigenschaft, die man sich erarbeiten könnte, sondern sie liegt immer im Auge des Betrachters. Ob Assad oder andere mögliche Adressaten des vermeintlichen Signals der militärischen Stärke, wie etwa der Iran oder Nordkorea, den Luftschlag als ein Zeichen der Stärke, Schwäche oder innenpolitisch motivierter Überlegungen interpretieren, steht in den Sternen. Es wäre leichtsinnig anzunehmen, Assads zukünftige Strategie im Syrien-Krieg sei nichts weiter als eine Reaktion auf amerikanische Anreize.

Wer den bloßen Einsatz militärischer Gewalt mit einer von vielen Bündnispartnern geforderten proaktiven Rolle der USA in der Weltpolitik gleichsetzt, übersieht die symbolische Rolle des Luftschlags in Syrien. America First, Trumps Slogan für seine geplante Abkehr von der Politik früherer Regierungen, war nie isolationistisch, geschweige denn pazifistisch. Der Einsatz militärischer Gewalt, um nationale Souveränität, Entscheidungsfreude und Entschlossenheit zu symbolisieren, steht durchaus im Einklang mit dieser nationalistischen Grundidee amerikanischer Außenpolitik. Insofern sind die jüngsten Entwicklungen mitnichten Vorboten eines Umdenkens in der Regierung Trump, sondern als theatralische Inszenierung amerikanischer Überlegenheit Ausdruck der America First-Ideologie.

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