Tabus durchbrechen, Probleme lösen

Der Nahe und Mittlere Osten bleibt volatil - für konstruktive deutsche Impulse war die Zeit nie reifer

Auch im Jahr eins nach dem Amtsantritt von Barack Obama bleibt der Nahe und Mittlere Osten was er war: ein politischer Albtraum für Entscheidungsträger, die sich ernsthaft um eine Lösung der vielschichtigen Konflikte bemühen, und eine humanitäre Katastrophe für die betroffenen Menschen. Von Beirut bis Sanaa, von Kairo bis nach Bagdad erstreckt sich ein Krisenbogen, der ohne Vorwarnung verheerende Eruptionen von Gewalt hervorbringen kann.

Ein Auszug aus dem aktuellen Krisenticker: der überraschende israelisch-libanesische Waffengang von 2006; der unvorhergesehene Feldzug der israelischen Armee gegen den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen im Winter 2008; der faktische Staatsstreich des iranischen Antidemokraten Ahmadinedschad im vergangenen Sommer; die jüngsten gewaltsamen Ausschreitungen in und um Jerusalem.

Mit jeder neuen Runde der Eskalation wird eine politische Lösung der sich überlagernden Konflikte komplizierter. Heute stellt sich die Lage in Israel-Palästina, im Libanon, im Irak, in Syrien sowie im Iran daher als eine Gemengelage sich gegenseitig bedingender gefrorener Konflikte dar, deren Lösung nicht in Sicht ist. Der politische Handlungsbedarf für eine nicht an einem Konfliktmanagement, sondern an einer Konfliktlösung orientierte Außenpolitik bleibt enorm. Was bedeutet dies für die deutsche und besonders für sozialdemokratische Außenpolitik?

Seit Konrad Adenauer muss das deutsche politische Engagement im Nahen Osten nicht nur den ökonomischen Interessen der Bundesrepublik Rechnung tragen, sondern normativ auch und gerade in Solidarität mit Israel verwurzelt sein. Jedoch nicht nur – wie vom Rhöndorfer klar erkannt – um außenpolitischen Gehversuchen auf internationalem Parkett ein Mindestmaß an moralischer Legitimität zu verleihen, sondern tatsächlich aus verpflichtender Solidarität mit den Nachkommen der Opfer der NS-Vernichtungspolitik. Dies wurde nicht zuletzt von prominenten Sozialdemokraten wie Willy Brandt, Herbert Wehner und Johannes Rau erkannt und dezidiert in politisches Handeln umgesetzt. Nicht von ungefähr ist die Bundesrepublik heute der zweitwichtigste Handelspartner Israels und gilt als engster Verbündeter Tel Avivs in der Europäischen Union. Kulturelle und wissenschaftliche Kontakte werden fortlaufend vertieft, und immer wieder bittet die israelische Regierung gerade deutsche Vermittler um „gute Dienste“ in Verhandlungsprozessen und diplomatischen Kontakten mit staatlichen und nichtstaatlichen arabischen Nachbarn, wie jüngst – vermittelt durch den BND – in Verhandlungen um die Freilassung des israelischen Korporals Gilad Shalit. Diese praktizierte Solidarität mit Israel bleibt als politisches Erbe eine Verpflichtung auf Dauer. Und sie stellt längst auch eine sozialdemokratische Traditionslinie dar, die auch im Hamburger Programm verankert ist.


Solidarität mit Israel war immer der erste Schritt einer erfolgreichen deutschen Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten. Ein konstruktiver Ansatz, der im Interesse aller Beteiligten eine Lösung der verschiedenen Konfliktlinien der Region zu fördern sucht, kann sich jedoch nicht auf diesen Grundpfeiler beschränken. Jenseits von Parteilichkeiten sollte sozialdemokratische Außenpolitik in der Region daher stets auf einem umfassenden Ansatz des Multilateralismus und des Völkerrechts beruhen und sich an dem Leitbild der Förderung friedens- und ausgleichsbereiter Kräfte in der Region orientieren. Auch dies ist grundsätzlich gute sozialdemokratische Tradition.

Auf dieser Grundlage sollten Spielräume für eine progressive Politik jedoch stärker ausgelotet werden als bisher. Dies ist kein Plädoyer für einen „deutschen Weg“ im Nahen Osten. Deutsche Nahostpolitik wird weiter gut daran tun, einerseits den Führungsanspruch der Vereinigten Staaten anzuerkennen und andererseits außenpolitische Schritte im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union sowie im Rahmen des Nahost-Quartetts zu verfolgen. Dieses vereint seit 2002 die internationalen stakeholder Vereinte Nationen, Vereinigte Staaten, EU und Russland in einem Gremium und bündelt politischen Druck. Dennoch bestehen Spielräume, in denen gerade Sozialdemokraten entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung der aktuellen internationalen Ansätze geben können. Hier muss es darum gehen, Blockaden zu überwinden und tradierte Überzeugungen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Eine solche kritisch-reflektierte Politik neuer Ansätze ist ebenfalls praktizierte Solidarität mit dem Staat Israel.

Israel und Palästina. Trotz intensiver Shuttle-Diplomatie des vom amerikanischen Präsidenten Barack Obama in die Region entsandten George Mitchell gibt es in diesem neuralgischen Konfliktpunkt bislang keine wesentlichen Fortschritte zu verzeichnen. Die Positionen des wieder-amtierenden israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seiner rechtslastigen Koalition in den Fragen Siedlungsbau und Unteilbarkeit der „ewigen und unteilbaren Hauptstadt Jerusalem“ treffen auf die Weigerung der palästinensischen Seite, sich unter dem Damoklesschwert der israelischen Landnahme auf einen aus palästinensischer Sicht substanzlosen Verhandlungsprozess einzulassen.

Ist Merkels Ansatz mittelfristig hilfreich?

Die Palästinensische Autonomiebehörde ringt mit verfassungsrechtlichen Legitimitätsproblemen und anstehenden Wahlen, während einige Entscheidungsträger offen unilaterale Schritte einer palästinensischen Staatsgründung über die Vereinten Nationen erwägen. Zugleich bleiben Fatah und Hamas zerstritten. Mit Hilfe ägyptischer Unterhändler bemühen sie sich um die Vereinigung der faktisch getrennten Landesteile Gaza und Westbank sowie um die Konsolidierung einer einheitlichen palästinensischen Verhandlungsposition.  

 Die deutsche Außenpolitik hat sich in diesen Fragen bislang in entscheidenden Punkten der Wahrnehmung amerikanischer und israelischer Entscheidungsträger angeschlossen. So verzichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel demonstrativ darauf, die israelische Armee im jüngsten Gaza-Krieg zu einem sofortigen Feuerstopp aufzufordern. Dies mag vordergründig die „besonderen Beziehungen“ zwischen Tel Aviv und Berlin von Verstimmungen freigehalten haben. Fraglich ist jedoch, ob es den mittelfristigen Interessen der in dem Konflikt gefangenen Israelis und Palästinenser tatsächlich gedient hat.   

Zu diskutieren ist etwa, inwiefern die unreflektiert übernommene Position in der Frage des politischen und finanziellen Boykotts der Hamas und der palästinensischen Einheitsregierung von Fatah und Hamas tatsächlich als produktiver Beitrag bundesdeutscher Außenpolitik zur Lösung des weiterschwelenden Konfliktes bewertet werden kann. Die Konsequenz dieses Ansatzes war schließlich – bedauerlicherweise – nicht der Beginn neuer und produktiver Friedensgespräche. Der anhaltende internationale Boykott der Hamas ist ebenso erfolglos geblieben wie das unbedingte Festhalten der Regierung Obama an der Forderung, dass eine noch zu bildende Einheitsregierung ebenso wie die Hamas-Bewegung die Kriterien des Nahost-Quartetts offiziell anerkennen muss: offizielles Bekenntnis zum Existenzrecht Israels, Gewaltverzicht, Akzeptanz der von der PLO geschlossenen Abkommen.


Dem internationalen Boykott der Hamas-Regierung folgte ein nur durch das Instrument des „Temporary International Mechanism“ abgewendeter Finanzkollaps der Palästinensischen Autonomiebehörde. Darüber hinaus förderte der Boykott eine Vertiefung der innerpalästinensischen Spaltung sowie die militärische Eskalation zwischen Gaza und der israelischen Armee Anfang 2008. Diese Kämpfe verschlechterten die Lebensverhältnisse der Bevölkerung Gazas und setzten zugleich die Bewohner der an den Gazastreifen angrenzenden israelischen Städte anhaltendem Raketenbeschuss aus.


In den kommenden Monaten sollte sich die deutsche Außenpolitik daher darauf konzentrieren, die aktuell innerhalb der Hamas geführten programmatischen Auseinandersetzungen über die faktische Akzeptanz einer Zweistaatenlösung zu unterstützen. Im Juni des Jahres erklärte der Führer der Hamas, Khaled Mishal, in Damaskus, dass die Hamas nunmehr die Errichtung eines Palästinenserstaates „in den Grenzen von 1967“ anstrebe. Wenige Tage zuvor hatte sich der Ministerpräsident von Gaza, Ismael Haniyeh, öffentlich ähnlich geäußert. Hier bestehen mittlerweile durchaus Anknüpfungspunkte für eine kritische Einbindung der Hamas in politische Prozesse.

Für einen solchen Ansatz wächst derzeit nicht nur die europäische Unterstützung, sondern auch die Akzeptanz in Israel selbst. Laut einer Meinungsumfrage aus dem November, die im Zusammenhang mit dem von Likud-Führer Shaul Mofaz präsentierten Friedensplan durchgeführt wurde, unterstützen rund 60 Prozent der Israelis einen solchen Kurs auch gegen den erklärten Widerstand ihrer Regierung. Als Vorbild für diplomatisches Engagement mit einer palästinensischen Regierung, der auch die Hamas angehören könnte, könnte der internationale Umgang mit dem Haschemitischen Königreich Jordanien dienen. Obwohl im Parlament und in der jordanischen Zivilgesellschaft die Gegner Israels über eine erdrückende Mehrheit verfügen und regelmäßig fordern, den im Jahr 1994 geschlossenen israelisch-jordanischen Friedensvertrag aufzukündigen, orientiert sich die Staatengemeinschaft an den Positionen der jordanischen Regierung sowie des Königshauses. Kompromisslose ideologische Programme von Parteien werden dabei nicht als Hinderungsgrund betrachtet. Ein ähnlicher Ansatz unter Fokussierung auf Inhalte des palästinensischen Regierungsprogramms sowie auf die Haltung des Präsidenten der Autonomiebehörde würde einen Ausweg aus dem herrschenden Dilemma bieten. Ein solcher Ansatz würde auch eine Lösung dafür aufzeigen, wie mit unliebsamen Siegern demokratischer Wahlen in den palästinensischen Gebieten konstruktiver umgegangen werden kann als bislang. Der bisherige europäische Ansatz, die Hamas zu abstrakt-dogmatischen Zugeständnissen bewegen zu wollen, erscheint dabei sehr viel weniger vielversprechend als ein Fokus auf das politische Handeln einer in die Verantwortung genommenen Regierung.    

Die Förderung moderaterer Stimmen innerhalb der Hamas kann jedoch nicht lediglich durch Gesprächsangebote und politische Einbindung erfolgen. Eine produktive Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf gemäßigte Signale aus Gaza und Damaskus wäre die Aufhebung der nach wie vor anhaltenden Blockade des dicht bevölkerten Gazastreifens. Sollte hier in den kommenden Wochen und Monaten kein Kurswechsel erfolgen, werden kompromissbereite Akteure der Hamas zunehmend unter internen Rechtfertigungsdruck geraten. Dass positive Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft auf versöhnlichere Töne der Hamas seit dem Ende der israelischen Militäraktion ausbleiben, zeitigt schon heute negative Folgen. Sollte hier kein Umlenken stattfinden, sind eine weitere Delegitimierung moderater Hamas-Kräfte sowie eine Radikalisierung der Bewegung zu erwarten.

Auf den Endstatus kommt es an

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben verdeutlicht, dass die Konfliktparteien angesichts der herrschenden Asymmetrie nicht sich selbst überlassen bleiben dürfen. In künftigen Verhandlungen sollte vor allem der Ansatz der konsekutiven Phasen überwunden werden, der unter anderem die roadmap for peace der Regierung George W. Bush geprägt hat. Das Konzept aufeinander folgender politischer Schritte mag theoretisch Vertrauen und Lösungsorientierung fördern. In der Realität hat die Strategie des Gradualismus aufgrund der inhärenten Anfälligkeiten bislang keinerlei Fortschritte erzielen können. Im Gegenteil: Statt Vertrauen der Verhandlungspartner zu fördern, hat der Ansatz des quid pro quo in der Vergangenheit Vetospieler und Friedensgegner dazu ermutigt, jeden Fortschritt systematisch zu blockieren. Eine Lösung verspricht nur ein umfassender Endstatus-Ansatz, der – unter Einbindung regionaler und internationaler Akteure – Frieden nicht als Prozess der Vertrauensbildung begreift, sondern als Resultat eines umfassenden politischen Verteilungsaktes. Hier sollten gerade sozialdemokratische Entscheidungsträger Signale setzen und auf politische Umsteuerung drängen. Barack Obama hat Endstatusverhandlungen bereits gefordert.

Dabei wird es auch darum gehen, eigenwillige sicherheitspolitische Wahrnehmungen des israelischen Partners nicht unreflektiert zu verstärken. Gerade in einer politischen Situation, in der eine israelische Mitte-Rechts-Regierung in Opposition nicht nur zur amerikanischen Regierung, zu zentralen Gremien der Vereinten Nationen, zu europäischen Schlüsselländern sowie nicht zuletzt zum israelischen Friedenslager selbst gerät, sollte Solidarität mit Israel nicht durch eine kurzsichtige Politik wohlwollenden Schweigens bewiesen werden. Das fundamentale Interesse Israels, in Frieden, Sicherheit und in international anerkannten Grenzen zu existieren, kann nur durch konstruktives Arbeiten an einer Zweistaatenlösung im Nahen Osten erreicht werden, nicht durch eine konfrontative Anti-Iran-Politik im Mittleren Osten.

Irak. Seit dem (weitsichtigen) Nein der Regierung Gerhard Schröder zu einer Beteiligung der Bundesrepublik am Feldzug gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein fällt deutsche Außenpolitik gegenüber dem Irak in erster Linie durch Abwesenheit auf. Das deutsche Engagement im Zweistromland beschränkt sich bislang auf halbherzige Versuche, Investitionen zu fördern oder auf den Wiederaufbau des von Krieg und Sanktionen heimgesuchten Landes durch großzügige Schuldenerlasse. Die einzig wohltuende Ausnahme war bislang der wegweisende Besuch Frank-Walter Steinmeiers in Bagdad im Februar 2009.

So beschränken sich politische Kontakte zu zentralen Akteuren des Post-Saddam-Irak denn auch weitgehend auf die etablierten Kanäle zur kurdischen Partei PUK, die der Sozialistischen Internationalen angehört, und zur ebenfalls kurdischen KDP. Beziehungen zu bedeutenden zentralstaatlichen Entscheidungsträgern der irakischen Regierungsparteien SIIC und Dawa existieren nur in Ansätzen. Aus deutscher Sicht ist der Irak nach wie vor eine politische Terra incognita, was nicht nur unseren wirtschaftlichen Interessen schadet, sondern auch Chancen verspielt, die politische Entwicklung im Zweistromland konstruktiv zu begleiten. Dabei besteht höchster Handlungsbedarf: Im kommenden Jahr stehen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an, die die Stabilisierung des Landes auf Jahre hin beeinflussen werden.

Kein Krieg ohne Ägypten, kein Frieden ohne Syrien

Eine politische Konsolidierung ist unter anderem für die Rückführung der mehr als anderthalb Millionen Flüchtlinge oder eine politisch verträgliche Heimkehr der fast drei Millionen Internally Displaced Persons von entscheidender Bedeutung. Als zentral wird sich auch die Errichtung eines funktionalen föderalen Systems erweisen. Gerade kurdische politische Ambitionen können und dürfen nur in einem stabilen Bundesstaat Irak realisiert werden. Ein Scheitern dieses Ansatzes hätte gravierende Auswirkungen für die östlichen und westlichen Nachbarstaaten des Zweistromlandes und bekanntlich auch für den EU-Beitrittskandidaten Türkei.

Vor diesem Hintergrund ist als erster Schritt eine rasche Intensivierung der direkten deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit dem Irak zu empfehlen, die aufgrund der verbesserten Sicherheitslage mittlerweile sehr viel reibungsloser zu verwirklichen sein müsste als noch vor einem Jahr. Darüber hinaus wäre flankierend eine Intensivierung der politischen Kontakte zu empfehlen. Da der schrittweise Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak mit der Rückführung zahlreicher nicht-militärischer Akteure aus den USA zusammenfällt, bieten sich hier Spielräume, die genutzt werden sollten.       

Syrien. Henry Kissingers Diktum, dass im „Nahen Osten kein Krieg ohne Ägypten und kein Frieden ohne Syrien“ möglich ist, hat sich in den vergangenen Jahren unzählige Male bewahrheitet. Das Regime Assad ist als zentraler Akteur unmittelbar an vier Konfliktfeldern der Region beteiligt: Damaskus beeinflusst nach wie vor direkt den politischen Prozess im Libanon, indem es die Hisbollah unterstützt; Syrien ist in der Streitfrage der Golanhöhen direkt an einem Ausgleich mit Israel interessiert; es beeinflusst über verschiedene informelle und nicht-staatliche Kanäle die Konsolidierung im Irak; schließlich ist das Land als bedeutender Verbündeter Teherans auch in Bezug auf das iranische Atomprogramm nicht zu unterschätzen. Deutsche Außen- und Entwicklungspolitik hat dieser Bedeutung durch das persönliche Engagement von Frank-Walter Steinmeier sowie von Heidemarie Wieczorek-Zeul und über dezidiert formulierte Gesprächsangebote Rechnung getragen.

Das Bekenntnis zum Dialog mit dem Regime Assad resultierte in einem EU-Assoziierungsabkommen, das nunmehr unter spanischer EU-Präsidentschaft unterzeichnet werden dürfte. Dabei wurden unter sozialdemokratischer Ägide wertvolle Akzente gesetzt, die ausgebaut und fortgeführt werden sollten. Ein an Dialog interessierter Ansatz stellt dabei trotz Änderungen in der amerikanischen Rhetorik einen wichtigen Unterschied zwischen europäischer und amerikanischer Syrienpolitik dar. Schließlich beharren die USA auch in der Ära Obama auf Sanktionen. Das Assoziierungsabkommen ist ein großer Schritt in Richtung eines strukturierten, kontinuierlichen Dialogs und könnte eindrücklich belegen, dass Damaskus von einer Kooperation und Öffnung mehr zu erwarten hat als von einem mehr oder weniger stark an Teheran angelehnten Konfrontationskurs. Auch hier bieten sich wichtige sozialdemokratische Aktionsräume. Denn eine Politik des Dialogs dürfte zu besseren Ergebnissen führen als eine Politik der kategorischen Verweigerung oder Konfrontation.  

Libanon. Mit der Entscheidung des Bundestages im September 2006, die Bundesmarine infolge des Waffenganges zwischen Israel und der Hisbollah im Rahmen der UNIFIL-Mission an die Levante zu entsenden, wurde Deutschland ein direkter Akteur, was die politische Entwicklung eines unabhängigen Libanon betrifft. Berlin beteiligte sich mit rund 200 Soldaten an der Überwachung der libanesischen Küste, um den Waffenschmuggel durch Hisbollah-Milizen zu unterbinden. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat nun im Koalitionsvertrag angekündigt, diesen Einsatz zu beenden. Deshalb wird es zunehmend wichtig, die Staatlichkeit des Libanon weiter zu stärken, etwa durch die Sicherung der Landesgrenzen mittels Demarkierung der libanesisch-syrischen Grenze. Doch auch auf europäischer Ebene besteht Handlungsbedarf: Nachdem im November dieses Jahres in Beirut fünfmonatige Koalitionsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen wurden, ist die Hisbollah (erneut) mit zwei Ministern an der Konkordanzregierung in Beirut beteiligt.


Angesichts der ambivalenten politischen Rolle, die die Hisbollah im Zedernstaat spielt, steht auch die deutsche Außenpolitik vor Herausforderungen. Es ist zu befürchten, dass die Europäische Union die Hisbollah in den kommenden Monaten neu bewertet. Bislang haben europäische Entscheidungsträger (vor allem dank französischer Insistierungen) davon abgesehen, die Hisbollah als rein terroristische Organisation zu kategorisieren. Doch verschiedene internationale Akteure üben anhaltenden Druck aus und fordern, an dieser Stelle umzusteuern. Bei aller Kritik an der Hisbollah sollten die Aussichten auf einen konstruktiven Dialogs nicht durch einen umfassenden Boykott der Hisbollah unterminiert werden – auch weil völlig unklar ist, wie Akteure von der europäischen Liste terroristischer Organisationen entfernt werden können.     

Iran. Eine der schwierigsten Herausforderungen für internationale Politik stellt nach wie vor der Umgang mit dem Iran dar. Der Grund ist nicht nur das vermutete Nuklearwaffenprogramm Teherans, sondern auch die gefälschte Präsidentschaftswahl im Sommer 2009. Internationale Ratlosigkeit hat sich breit gemacht, weil Entspannungssignale im Atomstreit gegenwärtig stets so interpretiert werden könnten, als akzeptiere man die faktische Machtergreifung Ahmadinedschads. Beobachter spekulieren, ob die iranische Führung angesichts ihrer internen und externen Legitimationskrise international nunmehr auf Konfrontation oder auf Entspannung setzen wird, um ihren prekären Machterhalt abzusichern.

Tabus durchbrechen – in bester sozialdemokratischer Tradition

Vor diesem Hintergrund erscheint es dringend angebracht, die existierenden Dialogkanäle weiter offen zu halten, auch gegen internationalen Druck. Hier ließe sich an bereits bestehende Traditionslinien anschließen, etwa an die diplomatischen Bemühungen der EU-3 – Deutschland, Frankreich und Großbritannien –, die unter anderem aufgrund fehlender Einbindung der Vereinigten Staaten scheiterten. Da sich die internationalen Rahmenbedingungen deutlich gewandelt haben, wird sich als zentral erweisen, inwieweit die aktuellen diplomatischen Avancen von kurzfristigem Erwartungsdruck frei gehalten werden können. Seit der Verkündung des neuen amerikanischen Ansatzes haben sich dialogskeptische Akteure gerade in Israel bemüht, die Verhandlungsversuche von vornherein mit einem Verfallsdatum zu versehen. Angesichts der aktuellen Schwierigkeiten ist hierbei jedoch die Frage nach der Alternative zu einem Dialog mehr als nur legitim.

Mit welchen Mitteln könnte die internationale Gemeinschaft denn auf die aufstrebende Regionalmacht Iran reagieren, wenn die Gespräche offiziell scheitern? Der Ruf nach schärferen und breit angelegten internationalen Sanktionen hat sich immer wieder als probates Mittel der politischen Selbstdarstellung einzelner Akteure erwiesen und die Illusion anderer Optionen genährt. In Wahrheit haben Sanktionen im Iran fast nie Wirkung erzielt. Auch gegenüber dem Iran wäre es ein weiterer produktiver Beitrag deutscher Außenpolitik,  konsequent einen diplomatischen Ansatz zu vertreten – auch gegen Widerstände.

Ein solcher außenpolitischer Ansatz, der die relevanten Akteure der volatilen Region diplomatisch akzeptiert und an Konfliktlösungen orientiert ist anstatt an einem reinen Konfliktmanagement, dürfte durchaus für kontroverse Debatten sorgen. Die skizzierten Impulse würden nicht nur überkommene Tabus in Deutschland gegenüber der Hamas und der Hisbollah durchbrechen, sondern zweifellos auch einige der anhaltenden politischen Blockaden der Region. Sie stünden somit in bester Tradition sozialdemokratischer Außenpolitik.

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