Warum nicht mal ein Wettstreit der Ideen? Profitieren könnte am Ende die alte Tante SPD
Als die SPD 1998 die Bundestagswahlen gewann, gelang ihr dies nicht in erster Linie aus eigener programmatischer Kraft. Die Bevölkerung hatte einfach Kohlsche Verhältnisse satt. Zudem trumpfte die SPD mit einer schillernden Wahlkampfstrategie auf: Mit Schröder und Lafontaine im Doppelpack hatte sie einfach jeder und jedem etwas zu bieten. Lafontaine mobilisierte traditionelle SPD-Wähler, Schröder versprach den neuen Mittelschichten eine modernisierte Republik.
Einen einheitlichen programmatischen Kompass, an dem sich die Regierungsarbeit mit mittelfristiger Perspektive hätte ausrichten können, besaß die Sozialdemokratie also nicht. Stattdessen brachen zwischen Schröder und Lafontaine nach gewonnener Wahl sowohl die programmatische Auseinandersetzung als auch der Machtkampf offen aus. Durch Lafontaines Rückzug war der Machtkampf vorerst entschieden. Programmatisch orientierungslos blieb die SPD aber weiterhin.
Plattform substanzloser Selbstinszenierung?
In diesem Umfeld gründeten junge SPD-Bundestagsabgeordnete die Berliner Republik; ein ambitioniertes Zeitschriftenprojekt, das sowohl einen Beitrag zur programmatischen Fundierung der Sozialdemokratie leisten als auch öffentliche Meinung beeinflussen will. Die Berliner Republik startete von Beginn an mit einem hohen Maß an verlegerischer und redaktioneller Professionalität und wurde zum Taktgeber nicht unerheblicher Teile der sozialdemokratischen Öffentlichkeit.
Zum Umfeld der Berliner Republik zählen allerdings ebenso viele politische Gegner wie Anhänger. Die Zeitschrift der Netzwerker wird nicht selten als Plattform der substanzlosen Selbstinszenierung kritisch beäugt. Und dennoch kommen auch die Kritiker nicht umhin, die Ausgaben der Berliner Republik ausführlich zu studieren und – auch wenn man es eigentlich ja nicht will – von ihnen zu profitieren.
Was die Gegner ärgern mag
Selbstverständlich: Karrieristisch motivierte Selbstinszenierungen sind in der Berliner Republik ebenso zu finden wie politische Plattitüden. Aber zur Berliner Republik gehören auch kontroverse Analysen, renommierte Autoren sowie politisches Agenda-Setting am Puls der Zeit. Die Berliner Republik ist daher ein Spiegelbild der politischen Wirklichkeit – nicht mehr, aber auch nicht weniger als die agilste politische Zeitschrift im Umfeld der Sozialdemokratie mit bundesweiter Ausstrahlung. Ihre sozialdemokratischen Gegner mag dies ärgern, sollte aber eher Ansporn sein, selbst einfach besser zu werden. Profitieren von einem solchen produktiven Wettstreit um die besten Argumente und Konzepte könnte am Ende die alte Tante SPD. Nötig hätte sie es. Gerade in der Berliner Republik.