Weg mit der Gießkanne
Die Investitionen von heute können für die Haushaltskonsolidierung von morgen nützlich sein. Aufgabe der Politik ist es, zu gestalten, zu investieren - und dennoch das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht aufzugeben. Ich erinnere mich noch gut an die Zukunftsinvestitionsprogramme Ende der siebziger Jahre, die in den achtziger Jahren gerade auch die deutschen Länder zur Konsolidierung ihrer Haushalte zwangen. Ohne Frage wird das kommende Jahrzehnt von Sparzwängen geprägt sein. Wichtig ist es also, schon jetzt Programme zu entwickeln und Planungsprozesse vorzubereiten, die auch in Zeiten knapper Kassen Investitionen ermöglichen.
Notwendig ist nicht weniger als ein "Post-Crisis New Deal": Wir müssen sinnvolle Public Private Partnerships (PPPs) identifizieren und verwirklichen, um Synergien von öffentlichen und privaten Initiativen zu erzielen. Es geht darum, Projekte zu entwickeln, die große Refinanzierungsmöglichkeiten bieten, so dass die anfänglichen Investitionskosten am Ende wieder eingenommen werden. Solche "Long Life"-Projekte sind zwar mit vergleichsweise hohen Entstehungskosten verbunden, sie führen aber idealerweise auf Dauer zu günstigen Betriebskosten.
Beispielsweise werden neue Verkehrsströme entstehen, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Auf sie könnte mit PPP-Projekten reagiert werden, und zwar - das ist entscheidend - auch unter strengen "Haushaltsgesetzen". Nehmen wir nur einmal das so genannte A-Betreibermodell: Ein privater Partner übernimmt für einen Zeitraum von 30 Jahren den Ausbau, Betrieb, Erhalt und die Finanzierung von Autobahnstrecken. Als Entgelt erhält er die Einnahmen aus der Lkw-Maut auf diesem Streckenabschnitt, womit sich das Projekt im Laufe der Jahre refinanziert. Gleichzeitig werden durch Long Life-Mechanismen höhere Investitionen getätigt.
Was zum "Post-Crisis New Deal" gehört
Der Grundgedanke eines solchen "Post-Crisis New Deal" lautet, dass die öffentliche Hand gerade jetzt damit beginnt, wichtige Infrastrukturprojekte zu definieren und Impulse für deren Verwirklichung zu geben. Durch dieses frühzeitige Agieren und den daraus resultierenden zeitlichen Vorsprung können diese Projekte kostengünstiger und effizienter geplant werden. Das würde die Konjunktur stabilisieren und, in the long run, die öffentlichen Haushalte entlasten. Am Ende könnten sich die transeuropäischen Versorgungs- und Verkehrsinfrastrukturnetze selbst finanzieren, weil sie wirtschaftlich genutzt werden.
Hier liegt ein wichtiger Unterschied zu den aktuellen Konjunkturprogrammen: Kleine Projekte bergen immer die Gefahr von Mitnahmeeffekten. Mithilfe der Konjunkturprogramme werden Projekte finanziert, von denen viele ohnehin realisiert worden wären, auch ohne öffentliche Subventionen. Zusätzlich sollte Europa zur Belebung der Konjunktur in große, nachhaltige Infrastrukturprojekte investieren. Dazu gehören die Transeuropäischen Verkehrsnetze, die großen Pipeline-Projekte Nordstream und Nabucco und nicht zuletzt der qualitative Ausbau des europäischen Stromversorgungsnetzes.
Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise lässt sich nicht im nationalen Alleingang meistern. Das EU-Konjunkturprogramm zeigt, wie effizient und schnell die Europäische Union in der Lage ist, auf akute Krisen zu reagieren. Zu Recht liegt der Fokus auf Investitionen in die europäische Infrastruktur. Dafür stehen fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Allerdings sind die Pläne der Europäischen Kommission auf zu viele einzelne Projekte ausgerichtet. Mit vielen kleinen Hundert-Millionen-Projekten verfolgt man das Ziel, alle Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Das jedoch könnte am Ende zu einer Zersplitterung der notwendigen öffentlichen Anschubfinanzierung führen und den gewünschten Impuls des Programms verpuffen lassen.
Ein elementares Innovationsfeld der Zukunft ist die Energieversorgungssicherheit. Sie muss in den kommenden Jahrzehnten Priorität haben. Der zügige Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung, der massive Ausbau von Offshore- Windparks, der verstärkte grenzüberschreitende Stromtransfer und neue konventionelle Kraftwerke machen den schnellen Ausbau des Höchstspannungs-Übertragungsnetzes (Supergrids) in Europa erforderlich. Noch ist die grenzüberschreitende Durchleitung innerhalb von Europa schwierig, weil die Übertragungskapazitäten an den Grenzen zu gering sind und Energie verloren geht. Durch höhere grenzüberschreitende Transportkapazitäten kann der Stromhandel mit den Nachbarländern erleichtert werden, was auch den Konsumenten in Europa zugute kommt. Gerade die aus der Blockkonfrontation entstandene Spaltung der Energieversorgung zwischen West- und Osteuropa muss beendet werden. Dass beispielsweise die Baltischen Staaten immer noch keine durchgehenden Stromversorgungsleitungen in Richtung Westeuropa haben, ist ein Anachronismus. Projekte wie Estlink (ein Stromkabel zwischen Estland und Finnland) und andere in der Ostsee geplante Kabelverbindungen sind notwendige erste Maßnahmen.
Neben der Verminderung der Energieverluste beim Transport, der Einspeisung und der Speicherung von Strom ist ein weiterer wichtiger Punkt die Sicherheit bei der Gasversorgung. Momentan bezieht Europa etwa 24 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland. In diesem Zusammenhang ist das prominente Nordstream-Pipeline-Projekt durch die Ostsee von besonderer Bedeutung - nicht nur für Deutschland, sondern erst recht für ganz Westeuropa! Um nicht in Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten zu geraten, fördert die EU das Nabucco-Pipeline-Projekt, das von der Osttürkei durch Rumänien, Bulgarien und Ungarn nach Österreich führen soll. Das Nabucco-Projekt ist ein notwendiger zusätzlicher Kanal für die Gasversorgung und ein wichtiges Zukunftsprojekt zur Diversifizierung der Gasversorgung in Europa.
Welche Partnerschaften sind möglich?
Zum Gesamtnetz der Transeuropäischen Verkehrsnetze gehören inzwischen 95.700 Kilometer Straße, 106.000 Kilometer Schiene, 13.000 Kilometer Binnenwasserstraßen, 411 Flughäfen und 404 Seehäfen. Besonders bei den Transeuropäischen Netzen muss geprüft werden, welche Möglichkeiten sich für die öffentliche Hand aus der Partnerschaft mit privaten Investoren ergeben. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten und in Zeiten dringend notwendiger Haushaltskonsolidierung sind Bund, Länder und Kommunen aufgefordert, alternative Lösungen zu suchen, um den Investitionsbedarf zu decken.
Für einen "Post-Crisis New Deal" müssen Antworten auf die Frage gefunden werden, wie der Staat durch Projektierung und Planung Wirtschaftsinvestitionen auslösen und gleichzeitig private Innovationspotenziale wecken kann. Mit Hilfe von PPP-Projekten wie der LKW-Maut nimmt der Bund jährlich vier Milliarden Euro ein. Auf dieser Basis ließen sich die Ausgaben für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur vervielfältigen.