"Al-Kaida gibt es gar nicht"
Nun würden Islamisten mit ihren Plänen, Massenmorde zu verüben und den islamistischen Staat zu errichten, ungerührt fortfahren, wenn die Briten (oder andere Europäer) nicht so viel saufen, ein weniger promiskuitives Sexualleben führen, auf Drogen und Zigaretten verzichten und sich täglich zum Gebet in den christlichen Kirchen des Landes versammeln würden. Deshalb soll hier sogleich auf die andere Seite der Medaille verwiesen werden: Freiheitliche Gesellschaften definieren sich nicht durch Big Macs, hemmungsloses „binge drinking“ oder ordinäre Big Brother Shows im Fernsehen, sondern durch Magna Charta und demokratische Rechte, Meinungsfreiheit und Toleranz.
Das implizite Verständnis für den islamistischen Terror, das bei dem Verweis auf die eigene Dekadenz mitschwingt, fügt sich nahtlos an ein Argument, das kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 durch westliche Medien geisterte: „America had it coming“ (Susan Sonntag). In Deutschland hieß es: „Sowas kommt von sowas.“
Zudem herrschen im Westen bis heute tiefe, oft unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten über Ausmaß und Intensität der terroristischen Gefahr. Noch immer ist die Auffassung verbreitet, die Gefahr werde aufgebauscht. Im gleichen Atemzug wird weiterhin gern behauptet, die Terrorbedrohung sei selbstverschuldet und wäre überdies leicht zu entschärfen, wenn nur die Vereinigten Staaten ihr Verhalten bessern oder die Briten ihre Außenpolitik entschärfen würden.
Sind Innenminister immer autoritär?
Obwohl man es inzwischen besser wissen sollte: In liberalen und linken Zirkeln ist die These höchst populär geblieben, die Terrorgefahr werde bewusst instrumentalisiert, um einen illiberalen innenpolitischen Kurs durchzusetzen – ein Verdacht, mit dem noch jeder deutsche Innenminister leben musste, der Sozialdemokrat Otto Schily ebenso wie der derzeitige christdemokratische Amtsinhaber Wolfgang Schäuble. Stets wird ihre Gangart als unnötig autoritär empfunden.
Hier wird ein Grundproblem sichtbar: Der Staat muss reagieren, um Gefahren abzuwehren; welche Richtung er auch einschlägt, es werden immer Kosten entstehen. Aus schwierigen Lagen kommt man nun einmal nicht ungeschoren heraus. Eigentlich müsste eine faire Kosten-Nutzen-Analyse dieses Dilemma sofort verdeutlichen, doch in der Weltsicht, die in den Medien und in den Kultureliten Europas weithin dominiert, haben Differenzierungen nur selten Platz. Man hat es lieber holzschnittartig und verschwörerisch.
Das belegt die bleibende Wirkung der BBC-Dokumentation „The Power of Nightmares“, die Ende 2004 gesendet wurde. Deren These: Einst hätten Politiker mit Visionen vom besseren Leben um Wählerstimmen geworben, jetzt griffen sie zum Mittel der Furcht. Erfinder der Albträume seien die amerikanischen Neocons. Nach dem Ende des Kalten Krieges hätten sie dringend Ersatz benötigt für den Kommunismus. In der Ära Reagan hätten sie die Sowjetunion erfolgreich zum „evil empire“ hochgeredet, obwohl diese doch eigentlich nur ein sanfter Riese auf tönernen Füßen gewesen sei. Der von den Neocons ersatzweise erfundene Feind heiße nun Al-Kaida. In Wahrheit sei Bin Ladens Organisation kaum mehr als ein nützliches Schauermärchen. Die Gefahr des islamistischen Terrorismus werde maßlos übertrieben; die Berufung auf sie diene nur dazu, eine höchst fragwürdige Außenpolitik zu rechtfertigen.
Angesichts der Blutspur, die der islamistische Terrorismus seit zwei Jahrzehnten durch die Welt zieht – von Kenia über Paris, New York, Washington, Bali, Bagdad, Djerba, Tel Aviv, Istanbul, Casablanca bis Madrid und London –, ist es erstaunlich, auf welch fruchtbaren Boden die Thesen des Films fielen. „Die Macht der Albträume“ erwies sich in den Vereinigten Staaten als Hit, wurde in Cannes gefeiert und vom deutschen Feuilleton mit Lob überhäuft – just zu dem Zeitpunkt, als sich die These vom „Mythos Al-Kaida“ und der „maßlos überschätzten Gefahr“ des islamistischen Terrors als unhaltbar erwies.
Die Weltsicht der Kultureliten
Die Serie „Macht der Albträume“ ist ein wertvolles mediales Artefakt. Sie stellt ein Musterbeispiel dar für die Weltsicht westeuropäischer Medien- und Kultureliten: für jene Mischung aus wohlfeilem Anti-Amerikanismus, moralischem Relativismus, begleitet von der Neigung, die Schrecken des Kommunismus zu übersehen, kombiniert mit einer erstaunlichen Unfähigkeit, die Herausforderung des totalitären Islam für liberale Demokratien zu begreifen.
Gewiss, es gab auch ernsthafte, analytische Kost zum Thema islamistischer Terrorismus. Nach den Anschlägen in London im Juli 2005 war die Führungsetage der BBC sichtlich erleichtert, Peter Taylors Dreitteiler „The New Al-Qaeda“ anbieten zu können. Der Autor konzentrierte sich auf die Hintergründe: auf Propaganda und Rekrutierungsmethoden des totalitären Islam sowie dessen zahllose junge, gewaltbereite Gefolgsleute in westlichen Ländern; er beleuchtete die überragende Bedeutung des Internet im Kampf gegen die Welt der Ungläubigen. Taylor verstand seinen Dreiteiler als direkte Widerlegung der Kernthesen von „Macht der Albträume“, deren Wirkung sein Team während der Dreharbeiten zu spüren bekam. Die verantwortliche Redakteurin Sandy Smith berichtete, immer wieder sei sie von BBC-Kollegen spöttisch gefragt worden, ob sie denn an einer „Science Fiction Serie“ arbeite. Al-Kaida gebe es doch überhaupt nicht.
Angesichts der Skepsis, die Taylor und seinem Team entgegenschlugen, verzichteten sie auf bestimmte Inhalte. Sie wollten dem Vorwurf entgehen, übertrieben zu haben. So strichen die Redakteure die Aussage eines bärtigen britischen Muslims, der gerade seinen Sohn im Kindergarten abgeliefert hatte und nun über einer Tasse Tee erklärte, warum bei den Enthauptungen im Irak keine Klingen mit Zacken verwendet werden dürften: Das verstoße gegen das „Gebot des Koran“. Und ein gewisser Hassan Butt, Mitglied der Kalifatspartei Hizb-ut-Tahrir, erklärte seelenruhig, warum er Angriffe auf „unschuldige Zivilisten in Großbritannien“ gutheiße. Ohnehin sei das Wort „unschuldig“ seiner Meinung nach „unangebracht“.
Die linke Mitte im No-win-Dilemma
In der BBC brach nach den Anschlägen in London im Juli 2005 eine heftige Debatte über „The Power of Nightmares“ aus, die einen Prozess kritischer Selbstüberprüfung einleitete. Diese mündete in dem öffentlichen Eingeständnis, viele Sendungen seien von einem „liberal bias“, einer „linksliberalen Schlagseite“ geprägt, worunter Fairness und Wahrhaftigkeit gelitten hätten. Nun gelte es, zu einem Meinungspluralismus zurückzufinden, um eine Art „totalitären Linksliberalismus“ zu vermeiden, der unbequeme Fakten und Realitäten ausblende.
Die Medien beanspruchen für sich die Rolle des Warners. Gerade linke und liberale Medien verstehen es als ihre vornehmste Pflicht, Übergriffe des Staates anzuprangern und den Angriff auf Freiheitsrechte abzuwehren. Die britische Presse bildet dabei keine Ausnahme; im Gegenteil ist die Sensibilität für die Gefährdung bürgerlicher Freiheiten hier eher stärker entwickelt als in den etatistischer geprägten Staaten des europäischen Kontinents.
Richtig ist, dass es im 21. Jahrhundert schwieriger geworden ist, die richtige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu finden. Doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Medien und selbst Parlamente dies nicht genügend in Rechnung stellen. Minister müssen damit rechnen, nach einem Terroranschlag „gekreuzigt“ zu werden. Dann werden sie schnell des Versagens oder sträflich mangelhafter Prävention bezichtigt. Werden Anschläge hingegen vereitelt, erachtet man dies als selbstverständlich und nimmt es zum Anlass, die Bedrohung zu verharmlosen – schließlich ist ja nichts passiert. Gerade Regierungen der linken Mitte geraten dabei leicht in ein No-win-Dilemma: Man verdammt sie, wenn sie den Kampf gegen den Terror führen, und man verdammt sie ebenfalls, wenn sie dies nicht tun. Die Medien tragen das Ihre dazu bei, die schizophrene Situation zu verschärfen.
Sensation, Emotion und Vereinfachung
Die Londoner Terroranschläge im Sommer 2005, bei denen mehr als 50 Menschen starben und hunderte schwer verletzt und verstümmelt wurden, lösten in England wie in Europa zunächst keinen generellen Wandel in der Einschätzung des islamistischen Terrors aus. Nach dem Massenmord wurde in vielen Sendungen, Artikeln und Stellungnahmen immer wieder der Irak-Krieg als direkte Ursache benannt, mit anklagendem Unterton gegen den damaligen Premierminister Tony Blair.
Generell vergrößert der Zustand des „Vierten Standes“ die Schwierigkeiten demokratischer Gesellschaften in ihrer Auseinandersetzung mit dem neuen Terorismus. Die Medien sind stärker als je zuvor von drei Trends geprägt: Sensationalisierung, Simplifizierung und Emotionalisierung. Ihr Zeithorizont ist begrenzt. Kontext und historische Dimensionen werden vernachlässigt, Bilder und Images verdrängen Nachdenklichkeit und Analyse. Schon Mao Tse Tung verstand, dass ein Bild wirkungsvoller ist als tausend Worte. Fernsehbilder von Soldaten mit amputierten Gliedmaßen oder Fotos von misshandelten Gefangenenen können rasch und nachhaltig die Bereitschaft der Wähler untergraben, eine militärische Mission weiter zu unterstützen.
Der Krieg findet im Wohnzimmer statt
Die Medien, allen voran das Fernsehen, geben sich der Emotionalisierung in verstärktem Maße hin: Angehörige von Soldaten, die im Irak oder in Afghanistan gefallen sind, werden vor Kameras und Mikrofone gezerrt, um als Kronzeugen gegen die Politik Amerikas und Großbritanniens zu fungieren. Sie werden gleichsam in den Rang von Experten für Sicherheitspolitik erhoben, obwohl sie doch eigentlich nur „Experten für Schmerz“ sind. Erschwerend wirkt sich auch die „Politisierung“ von Informationen aus. Aus „newspapers“ werden „viewspapers“: ein Begriff, den Alan Rushbridger, Chefredakteur des linksliberalen britischen Guardian prägte, um – durchaus treffend – die Verwandlung des Konkurrenzblattes Independent zu beschreiben.
Es ist eine Binsenweisheit, dass Kriege und Konflikte auch über die Medien ausgetragen werden. Der Oberbefehlshaber der westlichen Streitkräfte in Bosnien, General Rupert Smith, nennt die Medien ein „kollektives Medium“, in dem man operieren müsse; sie seien wie das Wetter, alle müssten damit fertig werden.
Zwischen Terror und Medien besteht in gewisser Weise ein symbiotisches Verhältnis. Terroranschläge sind die Sternstunden des Fernsehens: „Bad news are good news.“ Das Fernsehen und das Internet tragen Kriege und Konflikte in die Wohnungen der Welt. Alle schauen zu, politische Entscheidungsträger wie Wähler. Die Politiker werden von dem, was sie sehen und wie es dargeboten wird, ebenso beeinflusst wie von den Stimmungen aus dem Volk. Das Publikum im Fernsehsessel, teilweise uninformiert und parteiisch, nimmt oft nur wahr, worauf die Kamera gerichtet wird: Fast immer sind es Orte und Szenen, die Aktion, Lärm und Emotionen bieten. Deshalb besitzen offene Gesellschaften mit freien Medien im Propagandakrieg mit Terroristen die schlechteren Karten. Totalitäre Gesellschaften dulden keine freien Medien, aber totalitäre Ideologien können freie Medien nutzen.
Greift ein neuer Realismus um sich?
Es erübrigt sich die Frage, ob man den Terroristen den „Sauerstoff der Publizität“ gewähren soll. Die Gesetze der Medienindustrie und allen voran des Fernsehens verlangen, das Spiel der Terroristen in beträchtlichem Ausmaß mitzuspielen. Doch müssen sich die Medien fragen, ob sie dem Spin von Bin Laden und Al Zawahiri nicht allzu häufig gedankenlos folgen, während sie doch auf jeden vermuteten Spin ihrer eigenen Regierungen mit heller Empörung reagieren und gar nicht genug auf die „Manipulation der Medien“ durch die Politik hinweisen können.
Bei Geiselnahmen produzierten in der Vergangenheit viele britische Zeitungen Schlagzeilen, in denen sie auf die flehentliche Bitte der Geisel Ken Bigley anspielten: „Please help me, Mr. Blair.“ Natürlich dürfen die Medien über das Schicksal von Geiseln nicht schweigen, aber sie sollten sich stets der Gefahr bewusst sein, gegenüber dem Brandstifter den Biedermann zu spielen.
In den vergangenen Monaten hat sich die Situation in Großbritannien verändert. Die Häufung versuchter und vereitelter Anschläge macht es den Menschen zunehmend schwer, die Augen vor der Realität zu verschließen – anders als in Deutschland, dem ein erfolgreicher Terrorakt bis jetzt erspart geblieben ist. In Teilen der linken und liberalen Medien greift ein neuer Realismus um sich.
Das linke Wochenmagazin New Statesman enthüllte, dass der angeblich gemäßigte britische Muslimrat – von der Regierung viele Jahre lang als Gesprächspartner bevorzugt – alles andere als „moderat“ ist. Die Organisation pflegt enge Kontakte zu Fundamentalisten, die Homosexuelle verteufeln, die Unterdrückung der Frau fordern, Ungläubige verdammen und Selbstmordattentate rechtfertigen; ihre Botschaften werden in Schrift und Ton in britischen Moscheen verbreitet. Mit ähnlichen Problemen sehen sich deutsche Behörden bei ihrem Versuch konfrontiert, mit bestimmten Muslimorganisationen einen Dialog zu führen.
Das BBC-Flaggschiff Newsnight bietet seit kurzem Beiträge und Reportagen ohne die lange üblichen Scheuklappen politischer Korrektheit; die Times präsentierte eine Untersuchung, die ein niederschmetterndes Bild erbrachte: Fundamentalistische Sekten kontrollieren die Mehrheit der britischen Moscheen, und 80 Prozent der in Großbritannien ausgebildeten Imame durchlaufen deren Seminare.
„Sie wollen uns zerstören“
Vor allem eines unterscheidet die Situation in Großbritannien von der in Deutschland: Prominente Linke und Liberale beziehen inzwischen klar Position. Der namhafte Kolumnist Will Hutton schrieb, hinsichtlich der Grundwerte demokratischer Gesellschaften dürfe man sich auf keine Kompromisse einlassen. Und der Journalist Henry Porter, Vorkämpfer gegen jegliche illiberalen Reflexe des Staates, konstatierte: „Unsere Gesellschaft ist tolerant. Doch sollten wir uns nicht entschuldigen, wenn wir die Islamisten, die Nachfahren von Hitler und Stalin, bekämpfen; sie wollen uns zerstören.“
Ein weiteres, wichtiges Element des britischen Diskurses sind Artikel, Interviews und Bücher ehemaliger Islamisten, die extremen Gruppierungen wie Hizb-ut-Tahrir den Rücken gekehrt haben. Sie enthüllen islamistische Durchsetzungsstrategien und Propaganda. Der bereits erwähnte Hassan Butt beschrieb im Observer, wie die Islamisten „gejubelt“ hätten, wann immer der Krieg im Irak und „Blairs Bomben“ als Ursache des Terrors benannt wurden: „Nicht nur ersparte es uns die Propagandaarbeit; zugleich wurde die Auseinandersetzung mit der wahren Ursache islamistischer Gewalt verhindert – der islamistischen Theologie.“
Waren wir denn alle naiv?
In dem Buch The Islamist beschreibt Ed Hussein den typischen Weg der Radikalisierung, den tausende junger Muslime in den neunziger Jahren antraten. Das Schlüsselerlebnis vieler junger Dschihadisten war der Konflikt in Bosnien, wo der Westen lange der kühlen Realpolitik der Nichteinmischung folgte. Es war die anhaltende Untätigkeit des Westens angesichts der Massaker an europäischen Muslimen, die es den islamistischen Ideologen leichter machte, junge Muslime zu radikalisieren.
Die Berichte der ehemaligen Islamisten verdeutlichen den Zusammenhang zwischen „terroristischem Dschihad“ und „slow Dschihad“: Mit dem terroristischen Dschihad können unsere Gesellschaften leichter fertig werden als mit dem „langsamen Dschihad“, dem allmählichen Vordringen des Islamismus in unseren Gesellschaften. Diese werden mit immer neuen Forderungen konfrontiert: nach mehr öffentlichem Raum, nach Zensur, nach Sonderrechten für Muslime, nach der Einführung der Scharia in lokales Recht.
Dazu gehört auch das geschickte Ausnutzen der Verschlafenheit von Universitätsverwaltungen und kommunalen Behörden, die der multikulturellen Ideologie folgen und sich oft scheuen, auf die Werte und Regeln unserer liberalen Demokratien zu pochen. Die Illusionen des Multikulturalismus sollten weitgehend zerstoben sein, überall in Europa. Statt Integration bewirkte er Abschottung – vor allem der muslimischen Minderheit. Er vertiefte Gräben und förderte die Entwicklung von Parallelgesellschaften, ob in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich.
Die Zeit fragte kürzlich aus aktuellem Anlass, ob „wir alle naiv waren gegenüber der islamistischen Gefahr“. Für Europa ist diese Frage leider mit Ja zu beantworten. Es ist ein Charakteristikum atemloser Mediendemokratien, dass es für Entscheidungseliten schwer geworden ist, Vorhaben durchzusetzen, die im Interesse ihrer Völker liegen. Zumal dann, wenn sich ihre Notwendigkeit erst langfristig erschließt oder teures, schmerzhaftes Engagement verlangt. Gleichermaßen gilt das für Maßnahmen der Umweltpolitik und der Energiesicherung, die immer mehr an Gewicht gewinnen, ebenso wie für den Einsatz militärischer Mittel und eine Sicherheitspolitik, die angesichts eines transnationalen Terrorismus, garstiger Regime und der drohenden Verbreitung von Massenvernichtungswaffen gelegentlich vorbeugend agieren muss. „Technisch mögen demokratische Gesellschaften imstande sein, gegen kleine Gruppen entschlossener Terroristen präemptiv vorzugehen“, schreibt der Terrorismusexperte Walter Laqueur, „politisch und psychologisch sind sie es fast nie.“
Der Wunsch nach dem ruhigen Leben
Alle Regierungen des Westens müssen in einem gesellschaftlichen Umfeld operieren, das sich durch kurze Aufmerksamkeitsspannen und das Verlangen nach „instant gratification“, nach sofortiger Belohnung auszeichnet. In der Auseinandersetzung mit dem totalitären Islamismus sind sie mit einer schwierigen Gemengelage konfrontiert. Kurzsichtigkeit, schlichte Unkenntnis, die Weigerung, genau hinzuschauen, dazu der verständliche Wunsch nach einem ruhigen Leben haben Folgen für die Fähigkeit, im asymmetrischen Konflikt mit dem islamistischen Fundamentalismus zu bestehen, der uns aufgrund demografischer Faktoren während der nächsten Jahrzehnte in Atem halten wird.