Sicherheit nach Schily
Schwierig wird die Sache allerdings dadurch, dass genau dieselben Bürger wenig Lust haben, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, worin die zentralen Gefährdungen ihrer Sicherheit bestehen. Man will seine Ruhe haben und sich nicht angesichts irgendwelcher Albtraumszenarien ängstigen. Das ist verständlich, doch für die politischen „Produzenten“ von Sicherheit erwächst genau daraus das Problem. Es ist ihre Aufgabe, die inneren und äußeren Bedrohungen, mit denen es unsere Gesellschaft zu tun hat, illusionslos zu analysieren, um ihnen begegnen zu können. Sie wissen, sie würden mitleidslos „gekreuzigt“ (Jürgen Krönig), käme die Öffentlichkeit beispielsweise nach verheerenden Terroranschlägen zu dem Schluss, sie hätten sich vorab nicht genug darum gekümmert, die Katastrophe zu verhindern. Sprechen sie aber, bevor etwas passiert (und um dies zu verhindern), über mögliche Verheerungen und erforderliche Gegenmittel, dann geraten sie schnell in die Rolle des Miesmachers, der bei schönstem Sonnenwetter vom Schneematsch des kommenden Winters redet.
Die SPD wiederum darf nicht der umgekehrten Versuchung nachgeben, als von innenpolitischer Verantwortung „befreite“ Post-Schily-Partei summarisch diejenigen als doom prophets abzukanzeln, die zentrale Bedrohungen der Sicherheit unserer Gesellschaft mit Nachdruck zur Sprache bringen. An Wolfgang Schäuble und seinen Visionen eines konservativen Sicherheitsstaates gibt es jede Menge auszusetzen. Aber daraus folgt keineswegs, dass die vom Bundesinnenminister thematisierten Bedrohungen nicht existierten. „Müsste die SPD heute das Bundesinnenministerium übernehmen, wäre sie vollkommen orientierungslos“, warnt Hans-Jürgen Lange in diesem Heft. Richtig ist jedenfalls, dass die Sozialdemokratie schon aus strategischen Gründen ein dringendes Interesse daran haben muss, in Fragen der Inneren Sicherheit nicht regelmäßig als bloße Bremserin der Kalküle anderer dazustehen. Das Motto einer genuin sozialdemokratischen Sicherheitsdoktrin hat vor Jahren schon Olaf Scholz formuliert: „Liberal, aber nicht doof“, lautet es. Die SPD wird hart arbeiten müssen, um dieses Leitmotiv unter den Bedrohungsbedingungen der Gegenwart inhaltlich auszubuchstabieren. Die Zeit läuft.