Die immer schweigt. Eine Empörung

Editorial

Sinn einer Zeitschrift wie der Berliner Republik ist es, zu einer aufgeklärten Debatte darüber beizutragen, wie es um die Welt bestellt ist – und wie es um die Welt bestellt sein sollte. Das versuchen wir nach Kräften, und allein die Texte in diesem Heft verschaffen schlaglichtartig einen Eindruck davon, wie unendlich viele ernste Fragen es bei uns in Deutschland, in Europa und der Welt gerade zu diskutieren und zu klären gibt, wie viele Probleme gelöst, wie viele Konflikte entschärft werden müssten.

Da geht es etwa um die Zukunft der Europäischen Union – nicht ohne Grund der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Welchen Weg schlägt die EU nach Brexit und Trump ein? Wie kann sich Europa in der Welt behaupten und verteidigen, wenn die „atlantische Ordnung“ vergeht und die Vereinigten Staaten nicht mehr unser verlässlicher One-Stop-Shop in allen Sicherheitsfragen sind? Wie wird die nächste Eurokrise abgewendet? Wie kann Deutschland Emmanuel Macron helfen, Frankreich zu erneuern? Was machen wir, wenn Polens Alleinherrscher Jaroslaw Kaczynski unseren zweitgrößten Nachbarn mitten in Europa zielstrebig in ein autoritäres Regime verwandelt? Haben wir im Blick, dass im Westlichen Balkan explosive neue Konflikte heraufziehen? Wie lässt sich gewährleisten, dass auch die Ukraine endlich in den Genuss europäischer Freiheit und Sicherheit kommt? Und was muss geschehen, damit die Bürgerinnen und Bürger Europas wieder mehr Vertrauen zu den Institutionen und Repräsentanten der EU finden?

Fragen über Fragen, unendlich schwierig und vielfach miteinander verknotet. Und noch viele andere Probleme beschäftigen die Menschen in unserer Gesellschaft. Etwa jene, in welcher Art von Arbeitswelt wir in Zukunft leben werden: Was müssen wir wissen? Was müssen wir können? Wie lassen sich Arbeit und übriges Leben sinnvoll miteinander vereinbaren? Was muss politisch passieren, damit alle Menschen von ihrer Arbeit leben und auch im Alter ein sicheres Auskommen haben können? Wie können Fortschritt und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert funktionieren? Über viele weitere existenzielle Fragen – in dieser Ausgabe nicht speziell aufgerufen – brauchen wir in unserer Gesellschaft mehr politische Debatte und mehr Klarheit: vom rechten und linken Extremismus über Afrika, Erdogan, den Nahen Osten, die globale Flüchtlingskrise bis hin zum Weltklima und die Zukunft des Dieselmotors, um nur wenige Schlagworte zu nennen.

Nicht alles kann gleichzeitig diskutiert werden. Aber alles muss diskutiert werden. Weil alle diese Fragen über unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder und Enkel entscheiden. Wir von der Berliner Republik machen eine Debattenzeitschrift. Wir ärgern uns deshalb sehr darüber, dass die CDU unter Führung von Angela Merkel im laufenden Wahlkampf die politische Diskussion zentraler Zukunftsfragen unserer Gesellschaft schlicht verweigert. Wir sind nicht naiv, das taktische Kalkül begreifen wir: Martin Schulz soll einfach keine Angriffspunkte finden. Aber das Kalkül schadet nicht nur dem Land. Es missachtet auch alle, die sich um die ernsthafte Debatte existenziell wichtiger Zukunftsfragen bemühen. Es ist diese offene Missachtung des Mitdenkens und aller Mitdenkenden schlechthin, die uns besonders empört. So sollten Demokraten im Jahr 2017 keine Wahl gewinnen wollen.

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