Aktive Väter fördern - eine progressive Erfolgsgeschichte
Immer mehr Kinder erleben in ihrem Alltag „zugewandte und warmherzige Väter“, heißt es in einer aktuellen Studie der Prognos AG. Dass dies so ist, bedeutet nicht weniger als eine kleine Kulturrevolution, die durch politisches Handeln ermöglicht wurde. Die Förderung der aktiven Väter ist ein Paradigmenwechsel in der Familienpolitik, der erst vor einem guten Jahrzehnt – im Jahr 2004 – von der Sozialdemokratin Renate Schmidt eingeleitet und von der Christdemokratin Ursula von der Leyen fortgesetzt wurde. Bis dahin hatte sich selbst progressive Familienpolitik vorrangig auf Frauen und die Frage konzentriert, wie diesen eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht werden könne.
Zwar hatte Renate Schmidt bereits 1990 ein Elternurlaubsgesetz mit Lohnersatz angekündigt, doch das SPD-Grundsatzprogramm „Fortschritt 90“ ignorierte die Väter weiterhin. Als die SPD schließlich 1998 die Regierung übernahm, wurde Schmidts Vorschlag nicht wieder aufgegriffen. Eine Legislaturperiode später konnte Schmidt, nun ermuntert von Gerhard Schröder, in der Position als Ministerin ihre Pläne für ein Elterngeldgesetz endlich vorantreiben. Nun ging es auch um die Einführung von Partnermonaten. Das neue familienpolitische Ziel griff den zunehmend erkennbaren Wunsch junger Väter nach mehr Fürsorgezeit auf. Aber nicht nur die Einstellungen der Väter veränderten sich, zugleich wollten auch immer mehr junge Mütter erwerbstätig sein.
Im Jahr 2006 verabschiedete die Große Koalition schließlich das Elterngeldgesetz. Gerade die so genannten Vätermonate sorgten für die notwendige Aufmerksamkeit, die eine politische Maßnahme braucht, um ihre Wirkung entfalten zu können. Der Widerspruch der Uneinsichtigen – vor allem aus den Reihen der CSU – konzentrierte sich vor allem auf diese Maßnahme. Bereits vor der Einführung der Vätermonate gab es jedoch viel Zuspruch aus der Bevölkerung; auch die Familienforschung unterstützte das Vorhaben offensiv.
Die Autoren des 7. Familienberichts unter Vorsitz des Soziologen Hans Bertram machten sich das Projekt in öffentlichen Voten zu Eigen. Zusätzliche Rückendeckung erhielt das Vorhaben durch prominente Stimmen aus der Gesellschaft. Selbst die Wirtschaft unterstützte die Maßnahme; man hatte sie frühzeitig überzeugt. In der Folge beteiligten sich immer mehr Väter an den Partnermonaten, ihre Zahl stieg verlässlich von Jahr zu Jahr. Und die Magie der Zahl schuf bis zur Zäsur im Jahr 2009 immer wieder Gelegenheiten, den Trend weiter zu verstärken.
Quantensprung durch Elterngeld
Was folgte, waren vier verlorene Jahre für die deutsche Familienpolitik. Zwar wurden die aktiven Väter nicht verschwiegen, aber eben auch nicht mehr gefördert. Stattdessen wurde mit der Kürzung des Lohnersatzes besonders den Vätern ein bedeutsamer Anreiz genommen. Dem Bundesfinanzministerium ist das Elterngeld immer wieder ein Dorn im Auge, weil Lohnzuwächse und die wachsende Zahl engagierter Väter die Kosten steigen lassen. Dabei stellt das Elterngeld ein treffliches Beispiel für nachhaltig wirksame und progressive Politik dar. Es hat in diesem Fall vor allem dazu geführt, dass immer mehr Mütter früher und mit mehr Arbeitsstunden ins Erwerbsleben zurückkehren.
Das 2007 in Kraft getretene Elterngeldgesetz ist die erste familienpolitische Leistung mit einer „Väterkomponente“. Sie wirkte wie ein Katalysator für die Väterbeteiligung. Zusätzlich ermutigt wurden die Väter durch den massiven Ausbau der Kinderbetreuung seit 2008. In den Folgejahren hätten sich die wesentlichen Rahmenbedingungen dann nur noch „nur sehr behäbig“ dem Wandel der Lebenswünsche angepasst, schreibt der Politikwissenschaftler Martin Bujard. Erst mit dem energischen Neustart der Familienpolitik vor zwei Jahren rückten auch die Väter wieder verstärkt auf die Regierungsagenda. Denn die umfassende Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft kann nur dann gelingen, wenn sich die Männer partnerschaftlich verhalten, wie auch die Präsidentin des WZB Jutta Allmendinger betont. Anders als von manchen Linken gemutmaßt, tragen Elterngeld und Partnermonate im Übrigen nicht nur zum Wohlergehen von Privilegierten bei. Wie empirische Befunde zeigen, haben sich die Routinen in Familien wenn auch langsam, so doch beständig gewandelt. Volle 70 Prozent der heute unter 40-jährigen Väter geben an, dass sich im Vergleich zu ihren eigenen Vätern ihre Rolle in der Familie „markant verändert“ hat – ein Wandel, den sie als Gewinn an persönlicher Lebensqualität betrachten. Gerade das Elterngeld hat bei den Vätern einen Quantensprung ausgelöst: Innerhalb von neun Jahren hat sich der Anteil der Väter an den Partnermonaten verzehnfacht. Väter, die Elternzeit nehmen, verbringen auch anschließend signifikant mehr Zeit mit ihren Kindern als Väter, die keine Elternzeit genommen haben. Ein positives Meinungsklima dürfte die Väter zusätzlich ermuntern. Aktuellen Zahlen des Allensbacher Institutes zufolge freuen sich 82 Prozent der Bevölkerung über Väter in Elternzeit; 60 Prozent erwarten, dass dieses Engagement weiter wachsen wird.
Mittlerweile wünschen sich fast 80 Prozent aller Väter mit kleineren Kindern mehr Zeit für die Familie. Drei Viertel wollen eine Partnerin, die berufstätig und zugleich wirtschaftlich eigenständig ist. Immer mehr Männer können sich vorstellen, dass ihre Partnerin Vollzeit arbeitet und beide sich die Familienarbeit gemeinschaftlich teilen. Mehr als 50 Prozent wären bereit, die Hälfte der Kinderbetreuung zu übernehmen. Dafür würden sie gerne ihre Arbeitszeit reduzieren, zuerst einmal die Überstunden. Immerhin ein knappes Viertel der berufstätigen Väter würde es vorziehen, zwischen 30 und 34 Stunden wöchentlich zu arbeiten.
Doch trotz dieser veränderten Ansprüche arbeiten die meisten Väter weiterhin Vollzeit – plus Überstunden. Nicht selten sorgen innerfamiliäre Weichenstellungen vor der Geburt des ersten Kindes dafür, dass die neuen Wünsche den alten Bedingungen und überholten Anreizen angepasst werden. Viele Mütter sehen die familiäre Hauptverantwortung bei sich. Zudem agieren viele Väter im Betrieb zurückhaltend, weil sie einen Karriereknick fürchten – der Bilanz der Prognos AG zufolge eine unbegründete Befürchtung. Gleichwohl gibt es in den Unternehmen auch bei diesem Thema noch erheblichen Innovationsbedarf. Während sich die Arbeitgeber im ersten Väterbarometer des Familienministeriums (September 2015) kräftig auf die Schultern klopfen, fallen die Bewertungen ihrer Beschäftigten deutlich skeptischer aus. Schuld sind eine hohe Arbeitsdichte und überholte Betriebskulturen.
Partnerschaftlichkeit als ausdrückliche Maxime
Die Politik der amtierenden Bundesregierung ist weitaus offensiver. Das im Frühjahr 2015 eingeführte ElterngeldPlus, das Vätern wie Müttern offensteht, bekräftigt den ursprünglichen Paradigmenwechsel. Es gewährt bis zu 28 Monate lang staatlichen Zuschuss, wenn beide Partner ihre Arbeitszeit
reduzieren. Partnerschaftlichkeit als ausdrückliche Maxime wird damit schrittweise in der Gesetzgebung verankert. Die Bevölkerung hat auch diese Maßnahme mit viel Zustimmung aufgenommen. Ein Blick auf die Entwicklung der Anträge belegt eine absehbar hohe Nutzung. Wer nach der Perspektive fragt, sollte berücksichtigen, dass es unterschiedliche Typen
von Vätern gibt: Die Prognos-Bilanz unterscheidet zwischen Traditionellen, Pragmatikern, Aufgeschlossenen und Überzeugten. Die Überzeugten verkörpern den Idealtypus des aktiven Vaters, sie sind die Trendsetter. Die Aufgeschlossenen geben Faktoren an, die ihr Verhalten positiv beeinflussen und den Trend zum Mainstream machen könnten. Auch die Pragmatiker werden sich dem neuen Leitbild in absehbarer Zeit anschließen. Die Zahl der Traditionellen dürfte weiter abnehmen, während eine tolerante Gesellschaft ihre Lebensform weiterhin respektieren wird.
So drückt sich sozialer Fortschritt aus
Weiteren Rückenwind wird diese Entwicklung dann bekommen, wenn die politischen Maßnahmen, für die Familienministerin Manuela Schwesig wirbt, von einer Bundesregierung in die Tat umgesetzt werden. Die Familienarbeitszeit wird dazu beitragen, Vätern mehr Zeit für familiäres Engagement zu verschaffen und beiden Eltern berufliche Entwicklungschancen zu ermöglichen. Der weitere Ausbau der Infrastruktur, besonders bei den Ganztagsschulen, ist dabei ebenso wichtig wie ein bedarfsgerechtes Kindergeld, das die finanzielle Lage von Geringverdienern stabilisiert. Ein Familiensplitting würde den heutigen Lebenswirklichkeiten gerecht werden – anders als das Ehegattensplitting, das den Geist der fünfziger Jahre verkörpert. Das von der Koalition bereits vereinbarte gesetzliche Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit ist ein weiterer wichtiger Baustein einer klugen Strategie, die auf die soziale Mitte der Gesellschaft zielt. Diese wird von der Familienministerin mit guten Argumenten als „geforderte Generation“ charakterisiert. Allerdings: Nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Gewerkschaften haben in puncto Vereinbarkeitspolitik weiterhin Nachholbedarf. Von Seiten der Politik sollten beide deshalb weiter ermuntert und gedrängt werden – nicht zuletzt mit Hinweis auf die Engpässe bei den Fachkräften.
Die Unterstützung aktiver Väter zahlt sich Experten zufolge gleich in mehrfacher Hinsicht aus: Die Zufriedenheit in der Partnerschaft wächst, die Beziehung zwischen Vätern und Kindern wird intensiver, der berufliche Wiedereinstieg der Mütter wird gefördert und damit ebenfalls ihre finanzielle Absicherung. Auch die Geburtenrate wird weiter steigen, denn diese wird auch von der partnerschaftlichen Orientierung der Väter positiv beeinflusst. Väterfreundliche Unternehmen sind besser in der Lage, Fachkräfte zu gewinnen und an ihren Betrieb zu binden. Väterfreundlichkeit lohnt sich also für alle Beteiligten. Vor diesem Hintergrund hat die Familienministerin gemeinsam mit Spitzenvertretern der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften im Herbst 2015 dafür geworben, flexible und mobile Arbeitsmodelle auch für Väter anzubieten. Den neuen Vätern ist in dem bemerkenswerten Memorandum „Die neue Vereinbarkeit“ einer von zehn Leitsätzen gewidmet. So drückt sich sozialer Fortschritt aus, mit neuen Maßstäben für gesellschaftlichen Wohlstand und individuelle Lebensqualität.