An einen Tisch!
Natürlich war es eine Schande, als einem verantwortungslosen bayerischen Landesminister zu den massenmörderischen Anschlägen vom 13. November zuerst die Parole einfiel, „nach Paris“ sei „alles anders“. Klar ist allerdings, dass der grauenhafte Einschlag des kriegerischen Terrorismus in der westeuropäischen Lebenswelt eine ohnehin bereits schwierige politische Lage nochmals drastisch komplizierter gemacht hat. Die verbrecherischen Dschihadisten wissen genau, dass in der Politik der europäischen Staaten Aufwiegler wie Marine Le Pen, Viktor Orbán, Markus Söder, Björn Höcke oder Alexander Gauland unterwegs sind, die nur auf Gelegenheiten warten, die Themen Flucht, Islam und Terrorismus miteinander zu vermengen.
Diese Ethno-Nationalisten glauben, ihr politischer Stern werde umso heller aufgehen, je mehr sich Europas Ureinwohner vor Vertriebenen und Geflohenen muslimischer Herkunft fürchten. Kurzfristig geht dieses kranke Kalkül vielleicht sogar auf: Von Bomben und antimuslimischer Propaganda in Panik versetzte Wähler könnten in der Tat versucht sein, politische Zuflucht bei den Rechtspopulisten zu suchen. Langfristig allerdings besorgen Europas Islamfeinde nur das Geschäft der militanten Islamisten. Deren strategisches Kalkül zielt nämlich genau darauf ab, die „Unmöglichkeit“ des einvernehmlichen Zusammenlebens von Muslimen und Nichtmuslimen nachzuweisen. Je mehr sich islamistische und islamfeindliche Radikale wechselseitig hochschaukeln können, desto mehr leidet die offene Gesellschaft, desto mehr stirbt das freie Europa.
Was sollen Progressive in dieser Lage tun? Vor allem müssen wir Tag für Tag den praktischen Nachweis führen, dass das friedliche Miteinander sehr wohl möglich ist. Im routinierten Normalbetrieb wird das nicht gelingen. Angesichts des enormen Zustroms von Geflohenen und Vertriebenen wird es einer beispiellosen nationalen Kraftanstrengung bedürfen. Diese kann nur dann gelingen, wenn einerseits Bund, Länder und Kommunen sie als wirkliche Gemeinschaftsaufgabe begreifen und wenn andererseits auch Staat und Zivilgesellschaft zu effektivem Schulterschluss fähig sind. Die bisherige Bewältigung der Flüchtlingskrise leidet darunter, dass noch niemand die Vielfalt der bevorstehenden Herausforderungen als ein einziges zusammengehöriges Gesamtprojekt zur zeitgemäßen Erneuerung unserer Gesellschaft beschrieben und definiert hat. Dass Sozialdemokraten dieses notwendige „Bündnis zur Erneuerung Deutschlands“ konzeptionell prägen und strategisch voran-treiben könnten, belegen eindrücklich die klugen Beiträge im Schwerpunkt dieses Heftes. So schaffen wir es tatsächlich!
Schließlich: Wir haben uns entschlossen, die Terrororganisation „Islamischer Staat“ nicht mehr mit diesem eigenpropagandistischen Namen zu bezeichnen. Es ist eine ständige Beleidigung vieler Millionen friedlicher Muslime, einer Bande nihilistischer Desperados die Definitionshoheit darüber einzuräumen, was als „islamisch“ zu gelten habe. Im arabischen Raum und in Frankreich ist die Bezeichnung „Daesh“ verbreitet. Sie steht für „Fanatiker, die anderen Menschen ihren Willen aufzwingen“. Daesh will nicht auf diese Weise beim Namen genannt werden. Auch deshalb werden wir ihn ab sofort verwenden.