Gibt es eine neue SPD?
„Man guckt ja manchmal, wer so nach einem kommen könnte. Und dann guckt man. Und guckt. Und guckt ... und dann muss man doch weitermachen.“
Gerhard Schröder anlässlich des fünften Geburtstages der „Berliner Republik“ am 10. November 2004
Die Zeitschrift Berliner Republik versteht sich seit nunmehr sechs Jahren als Vermittler zwischen neugierigen Menschen innerhalb der SPD und dem Rest der Welt. Es ist ja keineswegs so, dass eine wundersamerweise von vornherein erleuchtete Sozialdemokratie darauf verzichten könnte, die außerhalb ihres eigenen Kosmos entstehenden Einsichten und Ideen zur Kenntnis zu nehmen. Organisationen, die den Eindruck vermitteln, sie wüssten immer schon alles, sind bekanntlich besonders gruselige Veranstaltungen. Man könnte sogar sagen: Der Bedarf der Sozialdemokratie an Input und Inspiration ist im selben Maße gewachsen, wie ihre eigene Fähigkeit zur Prägung der gesellschaftlich-kulturellen Verhältnisse geschwunden ist. Dass sich die Dinge so entwickelt haben, wird niemand im Ernst bestreiten. Zwar handelt es sich bei diesem Verlust an Prägekraft um einen Prozess, der nicht allein der SPD zu schaffen macht, sondern genauso allen anderen Parteien, den Gewerkschaften, den Kirchen und Verbänden. Aber das zu wissen hilft einer jeweils betroffenen Organisation noch nicht weiter.
Nur jederzeit wach und auf der Höhe ihrer Zeit wird die SPD deshalb ihre Gesellschaft auch in Zukunft gestalten können. Aus diesem sehr guten Grund finden in der Berliner Republik üblicherweise vor allem kluge Wissenschaftler, Publizisten und andere Denker ein Forum, die der Sozialdemokratie auf diesem oder jenem Gebiet zu neuen Erkenntnissen verhelfen können. Diesmal aber machen wir es einmal überwiegend umgekehrt. In unserem Themenschwerpunkt und einem weiteren Essay legen insgesamt zwölf Sozialdemokraten der Nach-Schröder-Ära ihre Positionen dar. Gerade in der Zusammenschau zeigt sich, wie sehr sich sozialdemokratische Programmatik in den vergangenen Jahren – in beständigem Austausch mit Ideengebern und einer veränderten Wirklichkeit – weiterentwickelt hat. Diese Programmatik handelt, kurz gesagt, von Bildungs- und Lebenschan-cen für alle in einer aktiven und dynamischen Gesellschaft. Und davon, dass Inklusion und Innovation, Fexibilität und Sicherheit im 21. Jahrhundet nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, sondern sich wechselseitig bedingen. Wie hervorragend dieser Win-win-Mechanismus etwa in Finnland heute schon funktioniert, erläutert in diesem Heft sehr anschaulich der junge finnische Sozialphilosoph Pekka Himanen.
Letzte Frage: Wie sehen Sozialdemokraten eigentlich heute aus? Der Fotograf Mathias Kutt hat ganz genau hingesehen. Sein exklusiv für diese besonders sozialdemokratische Ausgabe der Berliner Republik entstandener Fotoessay zeigt zehn Genossen aus der Stadt Waldkirch im Schwarzwald – ungeschminkt und auf Augenhöhe.