Buch dir eine Putzfee!
Mit der Schaffung von internetbasierten Plattformen wird die Vermittlung von Dienstleistungen einfacher, schneller, transparenter und zugleich globaler. Plattformen können (1) zwischen Unternehmen, (2) Unternehmen und selbständigen Dienstleistern, (3) Unternehmern und Privaten oder (4) zwischen Privaten vermitteln. Aktuell werden bundesweite Plattformen beziehungsweise Portale wie „Helpling“, „Cleanagents“, „Book a Tiger“ und „Putzfee“ für private Nachfrager nach haushaltsnahen Dienstleistungen am stärksten wahrgenommen und diskutiert. Das Ergebnis ist mehr Wettbewerb: nicht nur zwischen den Dienstleistern auf den Plattformen, sondern auch zwischen Firmen mit abhängig Beschäftigten und Netzwerken von Selbständigen sowie zwischen internen Beschäftigten und externen Anbietern. Ein Hauptaugenmerk der gegenwärtigen Debatte liegt dabei auf einer neuen, potenziell wachsenden Rolle von Werkverträgen mit Unternehmen oder Selbständigen.
Transparenter, schneller, globaler
Soweit betriebliche Teilleistungen ausgelagert werden, verschärft die Plattformökonomie die schon länger zu beobachtende Tendenz, fixe Personalkosten auf betrieblicher Ebene in variable Kosten für Dienstleistungen umzuwandeln – also die Frage von „make or buy“ erneut zu stellen. Die Ausgliederung von Teilleistungen ist vor allem für Dienste denkbar, die keine spezifische Expertise erfordern und keine betrieblichen Kernbelange berühren. Voraussetzung ist zudem, dass genügend Arbeitsangebot – ob lokal oder global – vorhanden ist. Dabei handelt es sich um keine neue Praxis, wohl aber um eine, die angesichts der gewachsenen technischen Möglichkeiten nun transparenter, schneller und globaler möglich wird. Dies erleichtert die weitere Zergliederung von Wertschöpfungsketten und die Auflösung des Betriebs als festgefügte Einheit. Unternehmen können ihr Kerngeschäft enger definieren und andere Leistungen im Wettbewerb ausschreiben – oder selbst Plattformen betreiben und ihr Angebot auf die Vermittlung zwischen Nachfragern und Anbietern beschränken. Die Verlagerung von Dienstleistungsangeboten auf Plattformen und der damit verbundene Bedeutungszuwachs von Werkverträgen haben in jedem Fall eine stärkere Verbindung zwischen der individuellen Marktmacht einzelner Anbieter und deren Verdienstpotenzial zur Folge: auf der einen Seite hoch spezialisierte Experten, auf der anderen Seite Erwerbstätige mit mäßiger oder geringer Entlohnung, die eher Gelegenheitsjobs nachgehen.
Vermittlungsportale wie „Helpling“, „Book a Tiger“ oder „Putzfee“ haben mithilfe zahlreicher Werbemaßnahmen eine große Medienaufmerksamkeit generiert und das Thema Haushaltshilfen stärker in die öffentliche Diskussion gerückt. Neu ist, dass die Vermittlungsportale neben den üblichen Nutzergruppen haushaltsnaher Dienstleistungen – ältere Menschen sowie Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind – auch eine jüngere, urbane Zielgruppe ansprechen.
Das Kleingedruckte wird gern übersehen
Mit Preisen ab 12 Euro sind die Marktplatz-Portale im Vergleich zu klassischen Anbietern vergleichsweise günstig und näher an den Preisen, die die Nutzer auf dem Schwarzmarkt zahlen würden. Dies ist allein dadurch möglich, dass die beauftragten Dienstleister formal selbständig tätig sind und selbst für ihre Sozialversicherungskosten aufkommen müssen. Die niedrigen Kosten sowie die einfache Buchung via Internet stellen vermutlich gerade für die jüngere und städtische Kundengruppe einen Anreiz dar.
Die aktuelle Kampagne der Vermittlungsportale von Putzdienstleistungen suggeriert, der Nutzer könne eine Putzhilfe mittels nur weniger Klicks sicher und legal beauftragen. Weil es sich bei dieser Art der Dienstleistungsvermittlung um ein Modell der Plattformökonomie handelt, also die Putzdienstleistungen auf einem virtuellen Marktplatz angeboten werden, werden wichtige Aspekte übersehen. So muss etwa der Kunde mögliche Probleme wie eine qualitativ schlechte Reinigungsleistung, die sonst die beauftragte Agentur für die Verbraucher klären würde, selbst mit der Putzkraft regeln. Aus haftungsrechtlicher Sicht wichtiger ist allerdings der Hinweis der Portalbetreiber, dass die online verfügbaren Angaben nicht das eigenständige Überprüfen der Bewerbungsunterlagen durch die Kunden ersetzt. Zudem weisen die Betreiber darauf hin, dass ein Verstoß, etwa gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, rechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Das heißt: Da das Marktplatzsystem die Haftung seitens des Vermittlungsportals ausschließt, muss der Kunde eigentlich prüfen, ob die Putzkraft wirklich selbständig ist, oder ob nicht vielleicht eine Scheinselbständigkeit vorliegt. Diese Überprüfung ist jedoch nur mit einer offiziellen Bestätigung mittels eines Statusfeststellungsverfahrens der Deutschen Rentenversicherung möglich – und dies auch nur, wenn sich die Reinigungskraft dazu bereit erklärt. Nimmt der Kunde wie bei einer Agentur an, dieser Punkt sei geregelt, oder vertraut er einfach auf die Angaben, dann können unter anderem Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer nachgefordert werden. Ähnliche Risiken handelt sich jedoch auch die Plattform selbst ein, wenn sie detaillierte Vorgaben für die Durchführung der Putzdienstleistungen etwa im Hinblick auf Preise und Leistungskataloge macht.
Im Hinblick auf Steuererleichterungen geben die zuständigen Finanzbehörden widersprüchliche Auskünfte darüber, ob die Reinigungsdienstleistungen anerkannt werden. Dafür müsste der Rechnungsbetrag direkt auf das Konto der Putzkraft fließen und nicht auf das des Vermittlungsportals. Verbraucher, die das Marktplatzprinzip verinnerlicht haben und sich potenzieller Folgen bewusst sind, können sich leicht für Vermittlungsportale entscheiden. Kunden, die ein Rundum-sorglos-Paket mit Kauf der Dienstleistung erstehen wollen, sind jedoch – zu einem höheren Preis – bei einer Dienstleistungsagentur besser aufgehoben. In jedem Fall setzen die neuen Portale die vorhandenen Anbieter unter erheblichen Wettbewerbsdruck.
Heraus aus der Schattenwirtschaft
Man darf die Entwicklung der Plattformökonomie aber nicht nur kritisch sehen. Sie bietet auch die Möglichkeit, mit geringen Eintrittsbarrieren in den Arbeitsmarkt einzusteigen, da viele dieser Jobs als Nebentätigkeiten ausgeübt werden können. Plattformen können zudem die Kombination und Erprobung verschiedener Tätigkeiten erleichtern und neue Berufsbilder formen. Mit Plattformen, die sich an private Verbraucher wenden, entwickelt sich im Fall eines transparenten Angebots außerdem die Möglichkeit zur Vermarktlichung von kleineren Teilleistungen, die bislang intern, informell oder gar nicht angeboten wurden. Wenn neue Vermittlungsportale mehr Übersichtlichkeit in den Markt für haushaltsnahe Dienstleistungen bringen und diesen aus der Schattenwirtschaft holen, ist dagegen wenig einzuwenden.
Diese Entwicklungen werfen nicht automatisch umfassenden Regelungsbedarf auf. Da die Nutzung von Plattformen, Werkverträgen oder die Definition des betrieblichen Kerngeschäfts genuin unternehmerische Entscheidungen sind, ist sie letztlich keine politische Gestaltungsfrage. Sie kann aber ein Gegenstand der betrieblichen Mitbestimmung sein, wenn Mitbestimmung als Ko-Management verstanden und breit über verschiedene Aspekte betrieblicher Organisation gesprochen wird.
Rechtliche Grauzonen werden ausgenutzt
Wichtiger noch ist aber die Frage, wie sich der Wettbewerb im Zeitalter der Plattformökonomie gestalten lässt. Hier geht es darum, wie ein level playing field für die verschiedenen Anbieter und faire Rahmenbedingungen für den Wettbewerb um Aufträge geschaffen werden können. Einige Plattformen legen Wert auf die beschränkte Rolle des Vermittlers und lehnen eine Arbeitgeberrolle explizit ab, da sie nach eigener Einschätzung nur Angebot und Nachfrage zusammenführen, aber nicht als Arbeitgeber auftreten. Diejenigen, die die Dienstleistungen erbringen, sind in diesem Fall (Schein-)Selbständige – mit erheblichen Kostenvorteilen gegenüber Anbietern von Dienstleistungen abhängig Beschäftigter. Probleme entstehen besonders dann, wenn rechtliche Grauzonen ausgenutzt werden, also etwa formal Selbständige wie Arbeitnehmer tätig werden.
Die Herausforderung besteht demzufolge darin, den Status der Dienstleistungserbringer als abhängig beschäftigt, selbständig oder scheinselbständig verlässlich zu klären – eine Aufgabe für die Träger der Sozialversicherung. Die Definition könnte zwar anhand der vorhandenen Kriterien erfolgen, wirft in der Praxis jedoch erhebliche Probleme auf. Das Problem, wie man selbständige von abhängigen Tätigkeiten abgrenzen kann, würde sich deutlich entschärfen, wenn die Statusunterschiede weitgehend beseitigt würden. Dies betrifft zum einen die Entlohnung, zum anderen die soziale Absicherung. Tarifverträge über die Entlohnung sind bei Selbständigen per se nicht möglich, allerdings ist die Festlegung von Mindestpreisen prinzipiell möglich. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die bislang nicht organisierten Anbieter von Dienstleistungen als Gruppe konstituieren. Dies zu unterstützen liegt durchaus im Interesse der etablierten Gewerkschaften. Daneben bestehen Wettbewerbsvorteile der Selbständigkeit, da sie nicht in die Sozialversicherung einbezogen werden. Um die Absicherung der Selbständigen zu verbessern und die Kostendifferenziale zwischen selbständigen und abhängigen Tätigkeiten zu vermindern, bietet sich ein genereller Einzug der Selbständigen in die Sozialversicherung an – gegebenenfalls mit einer Möglichkeit zum Ausstieg (opting out), wenn eine ausreichende private Absicherung oder eine Absicherung über Berufsverbände oder die Vermittlungsplattformen selbst vorliegt. Analog zu den Arbeitgeberbeiträgen bei den abhängig Beschäftigten wäre zu überlegen, ob die Auftraggeber von Selbständigen oder die Plattformbetreiber selbst zu Beiträgen für die Dienstleister verpflichtet werden. Dies hätte dann auch Konsequenzen für die Preiskalkulation.
Welche Regeln sind also tragfähig – sowohl ökonomisch als auch sozial? Und welche sind auf Dauer durchsetzbar? Derzeit lässt sich noch nicht absehen, ob die Plattformökonomie eher zu einer Anpassung der Regeln im Sinne einer Erweiterung des Geltungsbereichs etablierter Regeln, zu einer schleichenden Liberalisierung oder zu einer Anpassung an die vorhandenen Regeln führen wird. Klar ist jedoch, dass es auch in Zeiten der Plattformökonomie Spielräume zur Gestaltung gibt – sowohl national als auch international. Diese müssen allerdings auch genutzt werden, wenn die Regeln auf der Höhe der Zeit bleiben sollen.