Der Preis der Freiheit

Dreißig Jahre nach Beginn der Frauenbewegung sind weibliche Menschen ganz auf sich selbst gestellt. Nun müssen sie sich entschließen, etwas zu wollen

She left the web, she left the loom,
She made three paces thro′ the room,
She saw the water-lily bloom,
She saw the helmet and the plume,
She look′d down to Camelot.
Out flew the web and floated wide;
The mirror crack′d from side to side;
"The curse is come upon me," cried
The Lady of Shalott.

Alfred Lord Tennyson


Zu finden sind sie in jener Ecke des Bücherregals, wo der Staub weich und grau flockt: Ein sicheres Zeichen, dass sie seit vielen Jahren nicht geöffnet, ja nicht einmal zur Hand genommen wurden. Ein paar Klassiker des Feminismus stehen da, Simone de Beauvoirs Das andere Geschlecht, Sexual Politics von Kate Millett, Susan Brownmillers Gegen unseren Willen und Mary Dalys Gyn/Ecology.


Daneben noch allerlei Vermischtes: eine Dokumentation über die Einrichtung des Frankfurter Frauenlehrstuhls, zwei Bände Unser Körper, Unser Leben vom Boston Women′s Health Collective, Luise F. Puschs Überlegungen zur frauengerechten Sprache; jede Menge graue Literatur zur Quotenregelung; Elisabeth Badinters Mutterliebe und - wie kam das hierher? - Svende Merians ziemlich unterirdischer Roman Der Tod des Märchenprinzen.


Feminismus. Auch eins von diesen schönen hermetischen Systemen der Welterklärung, die Menschen Anfang zwanzig so begeistern. Die feministischen Theoretikerinnen taten immer gern empirie- und erfahrungsorientiert. Aber haben sie nicht in Wahrheit auch nur eine dieser geisteswissenschaftlichen Puppenstuben eingerichtet? Möbliert mit kleinteiligem Jargon, der jeweils ein Stück Wirklichkeit zum Begriff zu verkleinern suchte: Patriarchat, Reproduktionsmittel, Sexismus, Weiblichkeit, Phallozentrismus, Androgynität?


Alles ja nicht völlig falsch, aber auch nicht ganz maßstabsgerecht. Und mit bedauerlichen Ausfallerscheinungen: Etwa den merkwürdig angestrengten Bemühungen nachzuweisen, dass auch Frauen NS-Verbrechen begangen haben (als wäre das etwas, worüber man sich im Sinne der Gleichberechtigung freuen könne), und dass auch Mädchen unter sehr speziellen Umständen zur Bildung gewalttätiger Banden neigen können?


Neulich stürzte sich eine bulgarische Studentin, die bei uns zu Gast war, auf Susan Brownmillers Studie zum Thema Vergewaltigung und Männer-herrschaft. Von diesem Buch habe sie so ungeheuer viel gehört, sagte sie, das müsse sie unbedingt endlich lesen. Osteuropäischer Nachholbedarf nach Jahrzehnten des marxistisch verbrämten Patriarchats? Unsere deutschen Babysitterinnen jedenfalls, ungefähr im gleichen Alter, kurz nach dem Abitur, haben sich noch nie aus der Feminismus-Abteilung bedient. Die Mädchen sind groß und hübsch und sehen aus, als würden sie einem unverschämten Macker ohne Zögern die Nase brechen. Allerdings einfach so, ohne theoretische Absicherung.

Mit "dem" Kapitalismus verschwand auch "das" Patriarchat

Die Frauenbewegung ist lange vorbei. Alle Probleme, die sie unter Inanspruchnahme des feministischen Kollektivsingulars zu lösen versuchte, sind mittlerweile individualisiert: Ausbildung und Karriere, Partnerwahl und Elternschaft sind heute Fragen des persönlichen Lebensdesigns. Wenn Empfängnisverhütung allen zugänglich ist, wenn keine Mainstream-Moral Frauen in unterdrückerischen oder einfach nur unbefriedigenden Beziehungen festhält, wenn ihnen alle Bildungschancen offenstehen, dann sind sie konsequenterweise auch selbst verantwortlich für ihren Erfolg und ihr Lebensglück. Oder, umgekehrt, für Misserfolg und Kummer.


Ebenso wie es unmodern geworden ist, "den" Kapitalismus für bestimmte Härten des Arbeitslebens in Haftung zu nehmen, kann eine unglückliche Frau heute nicht mehr gut mit "dem" Patriarchat argumentieren - auch wenn es beides, kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse und männliche Frauenverachtung, natürlich nach wie vor gibt. Aber die Sprache des Protestes gegen diese Zustände ist ganz und gar aufgebraucht; manche Aspekte der traditionellen Rollenverteilung tauchen in diesen so gar nicht traditionsorientierten Zeiten wieder im Gewande der Naturgesetzlichkeit auf. Spielzeughersteller beispielsweise gehen wie selbstverständlich davon aus, dass Mädchen Rollenspiele mit Spielfiguren bevorzugen, während Jungen Konstruktionsspielzeug wollen. Nature oder nurture? Das interessiert niemanden mehr, wenn die Absatzzahlen die unterschiedlichen Präferenzen belegen. Und das tun sie.


Das Leben wird nicht unbedingt einfacher, wenn man sich alle Defizite, Fehlschläge und Umwege selbst zurechnen muss. Alle stehen unter permanentem Rechtfertigungszwang: Frauen mit und ohne Job, mit und ohne Mann, mit Kindern oder ohne Kinder. Die Ärztin und Mutter von vier Jungen, die nicht arbeitet, fragt sich dauernd, ob sie ihre Qualifikation verschwende; die Karrieremutter macht sich ebensolche Sorgen um das Wohlergehen ihrer Tochter wie die alleinerziehende Jurastudentin; die 32-jährige Managerin aus der (ausgerechnet!) Kindereisbranche muss immer wieder erklären, warum sie noch kein Kind hat, die Anlageberaterin, warum sie nicht den richtigen Mann findet.


Es gibt kein gesellschaftliches Gegenüber, dem die Frauen die Schuld an diesem Erklärungsnotstand geben könnten. Die Rollenerwartungen sind höchst flüchtig, widersprüchlich, schwer auf den Punkt zu bringen. Eine Männerverschwörung, die danach trachtet, den Frauen möglichst viele Schwierigkeiten zu machen, kann man bei Strafe der Lächerlichkeit nicht mehr annehmen. Allenfalls einzelne Freunde, Ehemänner und Chefs gibt es, mit denen es funktionsfähige Arrangements auszuhandeln gilt. Die Frauen sind in diesen Verhandlungen unterschiedlich erfolgreich - dementsprechend trennt sie voneinander mindestens ebenso viel wie von den Männern. Von sisterhood, bei einiger Ehrlichkeit, keine Spur.

Jungen Frauen ist die "Quote" irgendwie peinlich

Dazu haben auch die Quotenregelungen und Gleichstellungsgesetze der achtziger Jahre nichts beigetragen, wenngleich man ihnen bescheinigen muss, dass sie einige formale Erfolge ermöglicht haben. Die Quote hat beispielsweise den Frauenanteil in den SPD-Gremien erhöht - nicht aber in der SPD insgesamt, wo er in einzelnen Kreisverbänden unter den Stand der zwanziger Jahre gesunken ist. Ist die Politik der Sozialdemokraten durch die Quote frauenfreundlicher geworden? Freundlicher auch für Frauen in Lebenslagen, die mit Kreisvorstandsarbeit oder Bundestagsfraktionszugehörigkeit nichts zu tun haben?


Die Antwort muss wohl lauten, dass es jedenfalls nicht schneller so gekommen ist, als die Gesellschaft insgesamt weibliche Lebensentwürfe jenseits der Familie akzeptiert hat. Und eine dramatische Werbewirkung für die Partei ist ebenfalls nicht recht erkennbar. Junge Frauen betrachten die Haupt- und Staatserrungenschaft ihrer kämpfenden Mütter gleich mit ganz sorgloser Verachtung: "Quote" erscheint ihnen überflüssig, auch irgendwie peinlich. Diese Haltung ist einerseits ganz sympathisch. Andererseits muss allzu girliehaftes Selbstbewusstsein die Älteren auch nicht übermäßig betrüben: Die Jüngeren interessieren sich überhaupt beklagenswert wenig für Politik. Ihr Urteil entspringt nicht immer besonders umfassender Informiertheit und besonders tiefem Nachdenken.


Innerhalb quotierter Organisationen läßt sich mindestens ein unerfreulicher Nebeneffekt des Verfahrens beobachten: Männervorstände kooptieren sich aus der gesamten Frauenauswahl genau jene Frauen, von denen sie den geringsten Widerstand gegen ihre eigenen politischen Vorhaben erwarten, dafür aber möglichst großen ästhetischen Gewinn für ihr Gremium. Dies bleibt ein wichtiger Einwand gegen die Quote, selbst wenn die Befürworter zu deren Verteidigung ins Feld führen, es würden ja auch beständig dumme Männer in herausragende Funktionen gewählt. Gewiss. Doch wenn es um männliche Kandidaten geht, wird niemandem abverlangt, sie in einem formalisierten Verfahren zu wählen, obwohl sie womöglich unterbegabt sind und jeder das weiß. Solche Männer mögen sich durchmogeln, und das ist ärgerlich genug. Aber ein generelles Macht-nix gilt für sie nicht.


Einen gewissen Druck auf die öffentlich wahrnehmbare Klasse, also vor allem auf Parteien und Medien, auf Stiftungen und Verbände hat die Quotendebatte durchaus ausgelöst. Dieser Druck bewirkt, dass es eine junge, halbwegs artikulationsfähige Frau, wenn sie denn den geringsten Ehrgeiz aufbringt, kaum vermeiden kann, in bestimmten Formen Karriere zu machen. Dabei geht es, wie sich statistisch gut nachweisen läßt, zunächst nicht um echte Führungspositionen, nicht um Posten im Topmanagement oder an der Spitze wissenschaftlicher oder politischer Hierarchien. Es ist vermutlich kein Zufall, dass Ute Vogt Spitzenkandidatin in einem aussichtslosen Landtagswahlkampf werden durfte; ebensowenig, wie Angela Merkel zufällig in jenem Moment Parteichefin wurde, als die CDU vollkommen zerrüttet und dementsprechend unattraktiv am Boden lag.


Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dies ist kein Plädoyer dagegen, dass Frauen sich auf derartige Posten bewerben, um Gottes Willen kein "Lasst-Euch-nicht-verheizen"-Argument. Nur: Die Quote eröffnet, und das höchst indirekt, allein Zugang zu peripheren Positionen. Strebt eine Frau nach einer zentralen Machtstellung, dann muss sie den Weg über die Peripherie in Kauf nehmen und auf diesem Weg ein eigenes Kampfgewicht ansammeln. Ins Kanzleramt wird man ebensowenig hineinquotiert wie in den Aufsichtsrat von Daimler-Chrysler.

Karrieretechnisch ist die Familiengründung keine gute Idee

Die Anstrengung, der Ehrgeiz, die nötige Rücksichtslosigkeit und die Freiheit von störenden Bindungen - das alles bleibt, trotz aller Frauenförderung, in der Sphäre der individuellen Anforderungen an die einzelne Kandidatin. Die relativ leichten Anfangserfolge solcher "Karrierefrauen" in den peripheren Regionen der Macht reichen aber schon, um die Frauen untereinander zu spalten: Denn all jene, denen Vergleichbares nicht gelingt, müssen sich ja fragen, was sie falsch machen.
Häufig werden sie dabei feststellen, dass es unter Karrieregesichtspunkten vor allem "falsch" ist, sich an eine Familie zu binden. Der flexible Kapitalismus macht bis ins mittlere Management hinein kaum noch einen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Im Gegenteil: Wo man sich progressiv geben will, werden Frauen sogar demonstrativ bevorzugt. Nicht gefragt hingegen sind Leute, Männer wie Frauen, die unbeweglich erscheinen, weil es in ihrem Leben wesentliche Dinge (und zwar nicht das Snowboard- oder das Heli-Ski-Wochenende) außerhalb des Jobs gibt.


Aus diesem Grund beschleicht einen denn auch ein gewisser Überdruss an den vielen sozialdemokratischerseits stets gepriesenen Frauenbeauftragten, Frauenförderplänen, Gleichstellungsgesetzen: Dienen sie nicht allesamt (abgesehen von einer gewissen feministischen Brauchtumspflege) zuallererst der Förderung von kinderlosen Frauen im öffentlichen Dienst? Und ist das Patriarchat in dieser Sphäre wirklich noch so stark, dass diese Frauen als besonders schützenswert gelten müssen? Ist Frau-sein an sich förderungswürdig? Sind es in dieser Gesellschaft nicht vielmehr die Familien, die des Schutzes bedürfen? Und kann dieser Schutz nicht im Einzelfall darin bestehen, in Zeiten der Knappheit lieber den Familienernährer als die Single-Frau mit einem Arbeitsplatz auszustatten?


Dass der Familienernährer durchaus häufiger weiblich sein könnte und sollte, als es heute der Fall ist, bleibt davon völlig unberührt. Nur fällt die Aufteilung der Familien- und der Erwerbsarbeit bei gleicher oder besserer Qualifikation der Frau eben eindeutig in die Verantwortung des einzelnen Paares - der Staat kann sie ihnen nicht abnehmen. Sprich: Wenn ein Lehrer und eine Lehrerin entscheiden, dass sie zu Hause bleibt, dann ist das eine freiwillige Entscheidung, keine Naturgesetzlichkeit. Ein wenig anders sieht es vielleicht bei der Arzthelferin aus, die einen Arzt geheiratet hat: Beide werden kaum auf sein komfortables Einkommen verzichten wollen, sie wird sich um die Kinder kümmern - aber auch dieser Familienkonstellation ist eine freie Entscheidung vorausgegangen. Solange Frauen darauf bestehen, ältere und/oder besser ausgebildete Partner zu wählen, haben sie ein Problem, sobald Kinder kommen.


Fortschrittliche Menschen, und dazu zählen sich ja die Sozialdemokraten, möchten dieses Problem mit der Zauberformel "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" lösen. Damit niemand benachteiligt wird, sollen eben beide Eltern arbeiten, und die Kinder werden ganztags betreut, was für die vielen Einzelkinder von heute ohnehin besser sei.

Den Preis der Vereinbarkeitsideologie zahlen die Kinder

Das Problem dieser Strategie liegt darin, dass es eine glatte, unkomplizierte "Vereinbarkeit" von Familie und Beruf nicht gibt, dass vielmehr beide Sphären dazu neigen, einen totalen Anspruch auf denjenigen zu erheben, der sie vereinbaren soll. Außerhalb Deutschlands gibt es längst Literatur, die sich - und zwar nicht in erbärmlicher Frauenbuch-Manier - mit diesem Widerspruch auseinandersetzt: Die Krimis der Schwedin Liza Marklund gehören ebenso dazu wie die Romane der britischen Autorinnen Margaret Drabble, Margaret Forster oder Pat Barker, um nur einige wenige zu nennen.


Die aushäusige Ganztagsbetreuung von Kindern ist nun einmal nicht vollkommen sozialkostenneutral zu haben: Eine US-Langzeitstudie an über 1.300 Kindergarten- und Hortkindern hat unlängst Zusammenhänge zwischen langen Fremdbetreuungszeiten und gesteigerter Aggressivität hergestellt (International Herald Tribune vom 24. April 2001). Es ist einleuchtend, dass Kinder weniger zu ihrem Recht kommen, wenn sie statt eines ganzen nur einen Zwanzigstel-Erwachsenen zur Verfügung haben. Das heißt abermals nicht, dass es automatisch die Frauen wären, die ins Haus gehörten. Doch die wunderbar rundlaufende Vereinbarkeitsideologie verursacht Kosten - bei den Kindern. Sicher gibt es trostlose Verhältnisse, denen jede Ganztagsschule überlegen ist. Aber viele, wahrscheinlich die Mehrheit aller Kinder, würden am meisten profitieren, wenn Vater oder Mutter nach Schulschluss greifbar wären.


Die Debatte um das Kindeswohl ist selbstverständlich ungerecht: Sie stellt diejenigen an den Pranger, die überhaupt noch Kinder haben, also für den Fortbestand dieser Gesellschaft und das Funktionieren ihrer Sozialsysteme sorgen. Das tun aber immer weniger Menschen. Angesichts der Schwierigkeiten und Widersprüche, die sich mit der Elternschaft verbinden, entscheiden sich Frauen immer seltener und immer später für Nachwuchs.


Diese autonome Entscheidung macht es ihnen allerdings nur zum Teil einfacher: Die biologische Tatsache, dass sie Kinder haben könnten, und der nagende Zweifel, ob es richtig ist, keine zu bekommen, sind unhintergehbar. Und bisher existiert nun einmal eine Altersgrenze - auch wenn die Repro-duktionsmedizin eifrig daran arbeitet, diese Grenze zu überwinden. Aber nicht nur die "biologische Uhr", die weibliche Kult-Singles in allen einschlägigen Filmen und Büchern von Harry und Sally über Ally McBeal bis zu Bridget Jones so unentwegt wie intensiv erörtern, ist ein Problem für die zur Entscheidung befreiten Frauen.


Eine nicht geringe Anzahl dieser Frauen würde durchaus, nach angemessener Berufsausbildung und geglücktem Berufseinstieg, gern ein Kind bekommen: Womöglich sind da doch ganz atavistische Instinkte am Werk, und man möchte schließlich auch nichts versäumen. Allein, es finden sich keine passenden Väter. Das kann nicht nur daran liegen, dass alle Männer über 30 entweder grauenhaft, verheiratet oder schwul sind, wie Sallys Freundin Marie glaubt.

Der postfeministische Mann bügelt selbst

Nein, offenbar hat die jüngere Generation der Männer sich mit einer gewissen Erleichterung vom Patriarchat befreit - und von allen weiter gehenden Formen der Verantwortung für andere Menschen gleich mit. Diese Postfeministen haben gelernt, niemanden zu unterdrücken; sie können ihre Hemden selbst kaufen und selbst bügeln, vielen Dank, und kochen ganz hervorragend. Für ihren häuslichen Komfort brauchen sie keine Frau, und ganz bestimmt kein Baby, das die Nächte durchschreit und die Wochenenden ruiniert. Die nötige weibliche Bewunderung fürs männliche Ego lässt sich auch auf Führungskräfte-Seminaren oder bei unkomplizierten one night stands mobilisieren.


Ein Bruchteil der wachsenden Zahl von alleinerziehenden Müttern mag auf diesen Trend reagieren. Insgesamt aber gehört die Glorifizierung der Alleiner-ziehendenverhältnisse zu den größeren feministischen Fehlleistungen. Weder für die Mütter noch für die Kinder, die Jungen zumal, sind diese Arrangements wirklich gut. Die Verantwortungslosigkeit vieler Männer in der Frage des Familienerhalts ließe sich allerdings leichter thematisieren, wenn man nicht stets den ideologischen Ballast wegräumen müßte. Wenn nicht stets die Behauptung im Raum stünde, auf die Familienkonstellation im einzelnen komme es gar nicht an.


Ein Punkt, von dem die feministische Theorie viel herzumachen pflegte, war die Funktion der Sexualität als männliches Unterdrückungsinstrument. Der einzelne Sexualakt symbolisierte nach einer in den siebziger Jahren verbreiteten Auffassung die generelle Unterwerfung der Frau unter den Mann. In einer Zeit, in der die Bravo 13-jährige Leserbriefschreiberinnen über die orgasmustechnischen Vorzüge der "Reiterstellung" aufklärt, mag einem dieses Bild nicht mehr recht einleuchtend erscheinen. Tatsächlich würden die meisten Jugendlichen über diese Vorstellung schallend lachen.


Wie gut oder schlecht es jungen Frauen heute im Bett geht, ist damit noch nicht gesagt - gelegentlich beschleicht einen der Verdacht, Sexualität habe vielleicht, angesichts des allgegenwärtigen Terrors der Intimität, insgesamt an Bedeutung verloren. Alle können und sollen alles machen und alles zeigen - die neue Protesthaltung junger Leute wird eines Tages darin bestehen, sich dieser Verpflichtung zur Verfügbarkeit zu entziehen.

Das neue Frauenleben ist nicht nur leicht

Sexististische Darstellungen von Frauenkörpern sind nicht aus der Öffentlichkeit verschwunden, aber schwerer zu kritisieren, wenn es auch sexistische Männerbilder gibt; und die Frauenbewegung hat die Sprache des antisexistischen Aufbegehrens so inflationiert, dass sich heute niemand damit lächerlich machen möchte. Die Folge ist nicht unbedingt ein Backlash, aber ein großes Schweigen angesichts objektiv beleidigender und erniedrigender Darstellungen. Eines der besten Beispiele für ultimative Frauenverachtung ist Bret Easton Ellis′ Roman American Psycho, der Gewalt gegen Frauen in einer exzessiven, widerlichen und literarisch mäßig anspruchsvollen Weise zelebriert.


Hatte Kate Millett sich noch beredt über Autoren wie Henry Miller und Norman Mailer erregt, so wird Ellis′ Machwerk (gegen das Miller und Mailer Sonntagsschullektüre sind) zum Beispiel von Elke Heidenreich mit Picassos Guernica verglichen: "Dieses Buch ist ein Schuss ins Herz", schreibt sie, in dem etwas zu offensichtlichen Bemühen, den frauenhassenden "Helden" Patrick Bateman nicht zu diffamieren. Ein Fortschrittsgewinn ist diese neue Indolenz nicht. Aber es wird eine ganze Zeit dauern, bis sich über derartige Themen wieder mit Gewinn reden lässt.


Dreißig Jahre nach Beginn der Frauenbewegung können weibliche Menschen nur bilanzieren, dass sie auf sich selbst gestellt sind. Sie haben das wichtigste Instrument, um ihr Leben zu gestalten, in der Hand: Das sind die Bildungschancen. Nun müssen sie sich entschließen, etwas zu wollen, und zwar wirklich, nicht nur spielerisch. Das gilt für jede Option, für "nur Beruf", für "nur Familie", für die Kombination von beidem. Ihre Partner müssen sich Frauen in Kenntnis dieses eigenen Willens wählen - und nicht jammern, wenn ein bekennender Macho keine Neigung zeigt, sich aus Liebe bekehren zu lassen. Mit bestimmten weiblichen Lebensläufen, daran ist nicht zu rütteln, sind bestimmte Männer inkompatibel.


Das neue Frauenleben ist nicht nur leicht. Manche mögen sich zurücksehnen nach der Möglichkeit, einfach zu heiraten und im goldenen Privatkäfig zu leben. Doch es gibt kein Zurück: Die Freiheit hat nicht nur ihren Preis. Man kann sie nicht einmal umtauschen.

Susanne Gaschkes Essay entstammt der soeben erschienen Festschrift "Frau. Macht. Zukunft" für Inge Wettig-Danielmeier, die Helga Grebing und Karin Junker im Marburger Schüren-Verlag herausgegeben haben.

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