Der Wandel des Wertewandels kommt bestimmt
Wird die sozialdemokratische Reformpolitik der nächsten Jahre ein Generationenprojekt sein? Zum Thema Generationen war ich bereits einige Male bei Zusammenkünften des Netzwerkes. Einmal zum Beispiel bei der konstituierenden Sitzung, die nach dem Parlamentsumzug 1999 unter dem Titel "Generation Berlin" stattfand. Das sollte eine geschickt gewählte Semantik sein, sollte gleichsam einen Anspruch auf Generationenhegemonie formulieren. Inzwischen redet kein Mensch mehr von der "Generation Berlin". Aber damals gab es eben diese Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus. Heinz Bude, der die Metapher von der "Generation Berlin" geprägt hatte, und ich sollten miteinander diskutieren. Ich war damals skeptisch, ob die so genannte "Generation Berlin" überhaupt eine Generation in klassisch sozialwissenschaftlichem Sinn sei. Bestimmte Ereignisse können einzelne Jahrgänge derart zusammenschweißen, dass sie einen kulturell, ästhetisch und politisch gemeinsamen kollektiven Ausdruck gewinnen und eben dadurch generationsbildend wirken. Diese Voraussetzungen schienen mir hier zu fehlen. Für mich wart Ihr deshalb im Grunde nur die Zusammenfügung nahe beieinander liegender Geburtsjahrgänge, aber keine Generation.
Mit Gerd und Heidi deregulieren
Trotzdem unterstelle ich jetzt aus didaktischen Gründen einfach einmal, dass es da doch eine Generation gibt, was das Thema unter Umständen interessant machen könnte. Denn man hat - Ihr habt - natürlich bestimmte Prägungen, die abweichen von denen der Älteren. Mit diesen Prägungen geht man in die Politik und möchte daraus dann vielleicht sogar ein eigenes Projekt machen. Das ist ja nichts Neues. Frühere Politiker, zum Beispiel eben die berüchtigten, wieder und wieder bemühten Achtundsechziger, haben es bekanntlich auch schon auf diese Weise gemacht, zumindest so gedeutet. Im Grunde kennen wir das seit dem späten 19. Jahrhundert. Nur ist es immer so: Man hat zwar bestimmte Generationsprägungen, die in der Zeit der eigenen Sozialisation entstanden sind, aber man exekutiert dann, wenn man als hauptamtlicher Politiker Jahrzehnte später ins Zentrum der Macht aufrückt, alles mögliche andere - nur eben nicht diese anfänglichen Generationsaspirationen. Regierungspolitik ist niemals ein Generationsprojekt. Eigentlich ist es ganz simpel: Man muss sich vorstellen, man hätte der jetzigen Generation, also den so genannten Achtundsechzigern oder Enkeln, vor langer Zeit erzählt, dass ihr Generationsprojekt in der Regierung einmal bedeuten würde: zu sparen, den Sozialstaat "umzubauen" - andere würden sagen: "abzubauen" - oder den Arbeitsmarkt zu deregulieren.
Hätte man den Angehörigen der Generation Wieczorek-Zeul und Schröder, dies vor fünfzehn oder gar zwanzig Jahren gesagt, dann hätten die einen möglicherweise gesteinigt. Zumindest hätten sie das partout nicht als ihr Generationsprojekt angesehen. In den Debatten jener Generation während der siebziger Jahre, die wir inzwischen so drollig oder abwegig finden, ging es stattdessen bekanntlich etwa um Fragen der Sozialisierung. Ab 1978 bis Ende der 1980er Jahre folgte dann der Diskurs zur Infragestellung des traditionellen Wachstumsbegriffs. Das würde heute kein Mensch aus dieser Generation mehr hören wollen, auch wenn es sozialdemokratische Parteitage über viele Jahre und durchaus sehr ernsthaft beschäftigt hat. Perdu und vergessen das alles. Man würde es jedenfalls nicht als ein Projekt dieser gerade regierenden Generation für die Agenda 2010 bezeichnen.
Dinge tun, die man niemals tun wollte
Die Achtundsechziger von ehedem müssen als Regenten von heute also Dinge tun, die sie niemals so gewollt haben. Das ist aber ganz typisch. Man kann das wunderbar in der sozialdemokratischen Geschichte verfolgen. August Bebel ist als junger Mensch aufgewachsen mit einem rousseauhaften, naturwüchsigen Sozialismusverständnis des Volks- und Vollversammlungssozialismus: ohne Organisation, ohne Strukturen, ohne Konzeption. Das war seine primäre, sehr vitalistische politische Generationsprägung. Als er aber, Jahrzehnte später, als Vertreter und Chef der stärksten Fraktion politisch handeln musste, kam es gerade auf Organisation, Struktur und Konzeption an - und Bebel war vollkommen überfordert. Die Sozialdemokratie unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg war insgesamt überfordert. Denn mit dem Generationsprojekt August Bebels und seiner gleichaltrigen Genossen war in dem Moment nichts anzufangen, als die Sozialdemokraten ins Zentrum der Macht, zumindest des Parlaments, vorzustoßen im Begriff waren.
Vergesst alles, was Euch wichtig war!
Für die Angehörigen der Generation danach, die im Gegensatz dazu tatsächlich in Strukturen, Funktionen und Administrationen groß geworden war, wie Friedrich Ebert oder Otto Wels, hätte man dann meinen können, dass sie genau die richtigen Generationsprägungen besaßen. Aber als diese Generation schließlich in der Weimarer Republik ins Zentrum der Macht avancierte, kam es schon nicht mehr vorwiegend auf Struktur oder Organisation an, sondern überdies - in den ideologisch aufgewühlten Bürgerkriegsjahren der Zwischenkriegszeit - auf Visionen, auf Emotionen, auf große Erzählungen. Und da waren die eher drögen Pragmatiker des Alltags, die Wels und Eberts, vollkommen hilflos, da hat ihnen ihr Generationsprojekt des handwerklich verlässlichen, aber staubtrockenen Organisationsreformismus überhaupt nichts genutzt.
Ein letztes Beispiel: Kurt Schumacher. Der war groß geworden im Ersten Weltkrieg und dadurch sehr soldatisch, sehr national, sehr militant geprägt. Als er dann sein anfängliches Generationsprojekt nach 1945 politisch übersetzen wollte, befand er sich in einer Gesellschaft, die - anders als in den Jahren 1914 bis 1940 - ruhebedürftig war, überhaupt unsoldatisch, unnational, gänzlich unmilitant. Die Apodiktik, mit der Schumacher trotzdem an seinem Generationsprojekt festhielt, hat die Sozialdemokratie auf einen völlig falschen Pfad geführt, hat sie zwanzig Jahre lang bundespolitisch unglaublich isoliert, komplett ins Abseits manövriert.Was ist die Schlussfolgerung aus all dem? Mein Fazit ist ganz einfach: All das, was Ihr - also die jungen Bundestagsabgeordneten hier - in den letzten 15 Jahren gefühlt habt, was Ihr gefordert habt, wie Ihr euch ästhetisch-habituell gegeben habt, was Ihr selbstgewiss postuliert habt: Vergesst es! Vergesst es, denn in zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren sind es nicht mehr die Themen, die wichtig sind, sind es nicht mehr die Lebensgefühle, die noch tragen oder die Probleme, die Ihr lösen müsst.
Was 2020 wichtig sein wird
Man kann es auch betriebswirtschaftlich sagen, vielleicht ist es dann für die Generation Golf einleuchtender: Als Generation in einer mächtigen Zeitströmung vertritt man dominante Themen. Andere Probleme und Herausforderungen dagegen werden beiseite gedrängt, so dass eine Mangelsituation eintritt. Fünfzehn oder zwanzig Jahre später werden dann genau deshalb diese Fragen zu den beherrschenden Themen. Diesen Zyklus beobachtet man historisch immer wieder. Insofern werden bestimmte Themen, die wir jetzt vernachlässigen, möglicherweise vernachlässigen müssen, in fünfzehn oder zwanzig Jahren hochaktuell und drängend sein. Wer weitsichtig ist, der wird genau diese Lücken antizipieren und sich darauf intellektuell vorbereiten. Diese jetzt vernachlässigten Themen und Probleme mögen 2003 nicht das Richtige sein, aber im Jahr 2020 machen sie den, der darauf Antworten weiß, zum Kanzler. Es sei denn, man nimmt an, dass man erst im adenauerhaften Alter Kanzler wird. Dann allerdings - aber nur dann - könnte es mit dem ursprünglichen Generationsprojekt klappen, denn nach ungefähr 50 Jahren wird das im historischen Zyklus wieder aktuell.
Was sind denn nun die Prägungen der vergangenen Jahre? Natürlich sind die Älteren unter uns mit dem Schlagwort "Emanzipation" groß geworden. Erst recht gilt das für den Begriff der Individualisierung. Im Grunde ist das ein Prozess, der dreißig Jahre angedauert hat. In diesem Prozess war Autonomie erstrebenswert gegenüber den Zumutungen großer Kollektive oder irgendwelcher sozialer Kontrollen, die es in den klassischen Vergemeinschaftungen von Kirchen und Milieus überreichlich gegeben hat. Auch die Lösung aus staatlichen Zugriffen war wichtig, um als Individuum die gewünschten Freiheiten und die geforderte Emanzipation zu bekommen. Kurzum: Autonomie, Individualisierung, Emanzipation haben eine lange gesellschaftliche Kultur der Gemeinschaftungen, Kollektive und paternalistischen Betreuungen abgelöst. Individualisierungsmöglichkeiten waren in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts noch eine Mangelware - daher die mächtige Strömung in diese Richtung danach. Nur: Heute ist die Abständigkeit, die Unabhängigkeit von Vergemeinschaftungen keine Mangelware mehr. Im Gegenteil. Insofern kann aber bald - sagen wir: 2010 - die Alternative dazu wieder interessant werden. Es kann sich ein großer Bedarf entwickeln - nicht nach noch mehr Individualisierung, nicht nach noch mehr Autonomie, nicht nach noch weiterer Entstrukturierung, übrigens auch nicht nach zusätzlicher Entstaatlichung, sondern, ein bisschen jedenfalls, in die entgegengesetzte Richtung: nach neuerlicher Bindung, nach der Geborgenheit in schützenden Vergemeinschaftungen.
Wandel des Wertewandels
Nun bin ich mir sicher, dass mir das jetzt kein Mensch in diesem Raum so recht glauben mag. Also versuche ich es mit der Wissenschaft. Jeder kennt diesen langsamen Vollzug, der sich immer wieder abspielt, wenn man Wissenschaft betreibt: Wenn in der Wissenschaft etwas neues entdeckt wird, geschieht dies häufig zuerst durch die Empiriker und ihre pedantischen Untersuchungen. Danach kommen die qualitativen Deuter, beschreiben die neuen Entwicklungen und Beobachtungen in schwierigen Aufsätzen für entlegene Zeitschriften, die etwa 30 Leute lesen und die dadurch noch keine Auswirkungen haben. Aber nach drei oder vier Jahren werden diese Themen auch in breiteren Kreisen diskutiert. Ähnlich verlief die Debatte um den Wertewandel: Der erste Wertewandel, jener von den materiellen zu den postmateriellen Werten, vollzog sich ab etwa 1967. Irgendwann hat ihn Ronald Inglehart dann erfasst; und vier Jahre danach, so etwa in den späten siebziger Jahren, war dies die typische Metapher auch im Pressekommentar. Vergleichbar war auch die Karriere des Begriffs "Individualisierung" bei Ulrich Beck: Irgendwann war das Thema bei Suhrkamp angekommen und weitere vier Jahre später war es dann ebenfalls im Leitartikel des letzten Provinzredakteurs zu finden.
Kein Mensch will noch beschleunigen ...
Nun befinden wir uns gegenwärtig wieder in einer solchen Übergangsphase, ohne dass die Öffentlichkeit - gerade die publizistische Öffentlichkeit - oder die Politik es schon zur Kenntnis genommen hätte. Zumindest schreiben einige kluge Soziologen in diesen entlegenen Fachzeitschriften mit ihren 30 bis 40 Lesern vom "Wandel des Wertewandels" (Stefan Hradil). Und sie begründen das mit viel Empirie, deuten das außerordentlich plausibel. So kann es aber sein, dass gerade die sich ganz furchtbar modern dünkenden Sozialdemokraten derzeit auf die Ladenhüter des Wertewandels von gestern setzen, wenn sie sich mit antitraditionalistischem Furor für die Individualisierung und den Zuwachs von Optionen stark machen. Das wäre 1965, auch 1975 und 1985, wahrscheinlich noch 1995 ein unbestreitbar wichtiger Beitrag zur Modernisierung von Sozialdemokratie und Gesellschaft gewesen. Aber für das Jahr 2005 oder 2015 geht es ziemlich ins Leere.
Zumindest zeigen alle Erhebungen, die Sozialwissenschaftler in den letzen zwei oder drei Jahren zu diesen Fragen durchgeführt haben: Beschleunigung, weitere Individualisierung und Optionsmehrung sind überhaupt keine entscheidenden Bedürfnisse mehr. Es geht längst nicht mehr um Erweiterung von Optionen. Festzustellen ist vielmehr eine Ermüdung über den permanenten Optionsdruck, ist die Erschöpfung angesichts der Daueranstrengung, immer wieder Optionen wahrnehmen zu müssen.
Die Menschen, auch und übrigens gerade die jüngeren Menschen, sind genervt durch das ewig Rhapsodische, das Erratische, die Nichtkalkulierbarkeit in einer entstrukturierten Gesellschaft. Das ist keine kulturpessimistische Betrachtung, sondern das sind präzise zu messende und empirisch valide belegbare soziale Veränderungen. Wir erleben etwa seit den frühen neunziger Jahren, als sich dieser Wandel bereits andeutete, eine ungeheure Talfahrt der postmaterialistischen Werte: Der postmaterialistische Boom ist völlig zusammengebrochen. Nicht zuletzt deshalb haben die Grünen sich so komplett verändert. Das ist nicht nur eine ideologische oder eine altersmäßige Angelegenheit. Vielmehr haben sich die Soziologie, Mentalität und Kultur der grünen Anhängerschaft seit den frühen neunziger Jahren intensiv gewandelt. Und je jünger die Repräsentanten, Mitglieder und Wähler der Grünen werden, desto deutlicher wird, dass das postmaterialistische Ethos von ehedem nunmehr Geschichte ist, dass stattdessen neue Werte auf dem Vormarsch sind.
... sich dauerhaft binden aber sehr wohl
Erstens geht es um so etwas wie Bindung. Als moderne Sozialdemokraten, die wir ja alle unzweifelhaft sind, haben wir vor vier oder fünf Jahren selbstsicher gesagt: Natürlich wollen moderne Menschen sich binden, aber sie wollen diese Bindung auch jederzeit wieder kündigen können. Indes geht es jetzt gerade jüngeren Menschen um das möglicherweise romantische, vielleicht sentimentale Bedürfnis, dauerhafte Beziehungen auch in Partnerschaften einzugehen, die nicht einfach kündbar sind. Jede Jugendstudie und auch jede Zukunftsstudie zeigt das im Moment glasklar. Wie gesagt: Dergleichen mag letztlich unrealistisch sein in modernen Gesellschaften. Aber es ist ein so markantes Bedürfnis, wie wir es seit über 35 Jahren in allen Wertestudien dieser Republik nicht mehr gemessen haben.
Ein zweiter zentraler Begriff im neuen "Wandel des Wertewandels" ist Gemeinschaft. Hier spielt sich ein ganz ähnlicher Vorgang ab, über den wir uns in unserer eigenen Jugendzeit verlässlich mokiert hätten, weil uns Gemeinschaft an deutschromantische oder noch schlimmere Zeiten erinnerte. Aber derzeit ist Gemeinschaft für die entbundenen Individuen eine Hoffnung, deren Wert noch weiter steigen wird.
Es geht wieder um Ordnung und Struktur
Das dritte wichtige Thema ist Ordnung. Gerade in dieser Woche habe ich wieder etwas beobachtet, was mich zunächst sehr überrascht hat: An der Universität müssen wir inzwischen alle Curricula anpassen, weil sich die Universitäten bekanntlich gegenwärtig rapide verändern. Als Mensch, der in den siebziger Jahren politisch groß geworden ist, liegt mir ja nun viel an individueller Emanzipation, an Optionen und an freier Wahl. Als wir das jetzt in einem Hochschulgremium diskutierten, waren es die Studenten und die Doktoranden, die es vehement ablehnten, überhaupt noch weitere Optionen zugemutet zu bekommen. Stattdessen ging es ihnen um Ordnung, um Struktur. Und was mich vollkommen überrascht hat: Sie wünschten sich nachdrücklich klare Gebote, ja sogar eindeutige Verbote. Die Doktoranden und Studenten wollten selber, dass im Studienplan geschrieben steht: Im ersten Semester darf man dies nicht machen, im zweiten Semester darf man jenes nicht tun. Genau die Dinge, die meine Generation noch vehement frei wählen wollte, sollen jetzt explizit reguliert, festgelegt, von oben angeordnet werden. In diesem Augenblick habe ich wirklich gemerkt, dass ich bereits zu den Anachronismen zähle, mit meiner Optionsinsistenz ganz unmodern geworden bin. Ich denke, dass diese Entwicklungen und Bedürfnisveränderungen keinen Prozess bilden, der sich in zwei oder drei Jahren abermals umkehren wird. Vielmehr werden sich diese Tendenzen fortsetzen und ausweiten. Natürlich wird dies ein längerer Zyklus sein. In der Regel dauern solche Zyklen etwa 20, 25 Jahre an, bis sie wieder abebben. Wer sich aber auf die Entwicklung für das Jahr 2010 oder 2020 vorbereiten will, der muss jetzt eigentlich schon andere Begriffe antizipieren, als die in den derzeit zirkulierenden Agenden und Leitartikeln bevorzugt gebrauchten.
Auch das Materielle spielt im Wandel des Wertewandels eine große Rolle. Und als Letztes schließlich: einfache Lösungen. Das haben unsere tüchtigen Sozialwissenschaftler zu ihrer Verblüffung festgestellt. Auch bei Akademikern, auch bei Leuten mit großer Bildung ist mittlerweile das Bedürfnis nach einfachen Lösungen gewachsen. Besonders in der Erwartung an Politik zeigt sich das sehr deutlich. Gerade weil Politik so komplex ist, und gerade weil wir besonders in Deutschland schon institutionell angelegt eine besonders komplexe Prozedur der politischen Entscheidungen haben, ist diese Erwartung nicht unheikel. Aber trotzdem noch einmal: Nicht nur diejenigen wollen einfache Lösungen, die oft als "Prolls" bezeichnet werden; nicht nur diejenigen, die rechtspopulistisch wählen; nicht nur diejenigen, die in den Souterrains der Gesellschaft leben. Vielmehr reicht die Nachfrage nach einfachen Lösungen für schwierige politische Probleme bis weit in die Eliten hinein.
Die Rückkehr der Klassengesellschaft
Seit der Renaissance ist eigentlich die klassische Frage eines jeden verantwortungsbewussten und weitsichtigen Menschen in der Politik: Wie hält man Gesellschaften zusammen? In den vergangenen Jahren haben wir uns diese entscheidende Frage etwas seltener gestellt, weil andere Sachen scheinbar dringender wurden. Interessant ist nur, dass in jüngster Zeit unterschwellig und von uns allen kaum registriert - weil uns mehr das Fiskalische interessierte - ungeheure Desintegrationsprozesse in der Gesellschaft ablaufen. Das klingt jetzt vielleicht etwas formelhaft, etwas pathetisch-dramatisierend, aber man kann diesen Prozess eben tatsächlich an einigen Punkten markant beobachten.
Wenn man einmal über Deutschland hinausschaut, so können wir in größeren Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern einen ungeheuren Prozess der Desintegration in dem Sinne beobachten, dass sich verschiedene Wohnquartiere in einem starken Maße sozial segregieren oder sogar polarisieren, wie wir es bislang allein vom Ende des 19. Jahrhunderts kennen. In den Vereinigten Staaten zeigt sich das bekanntlich bereits sehr viel stärker als in Westeuropa. In Deutschland ist es noch nicht ganz so weit, weil sich hier die unterschiedlichen Wohnmilieus zumindest noch berühren. Indes: Sie mischen sich nicht mehr, jedenfalls nicht mehr im gleichen Maße wie vor allem in den fünfziger, aber auch in den sechziger, siebziger und auch noch achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bereits in den neunziger Jahren nahm die Durchmischung ab, und seit der Jahrtausendwende ist ganz deutlich zu sehen: Die verschiedenen Wohnquartiere mischen sich erheblich weniger. Umgekehrt erleben wir eine Form der sozialen Homogenisierung innerhalb der einzelnen Stadtteilquartiere.
Aber nicht nur da. Soziologen, wir wissen es, untersuchen alles Mögliche. Unter anderem beschäftigen sich Soziologen auch mit Liebesbeziehungen. Und was stellen sie fest? Selbst in Liebesbeziehungen mischen sich die sozialen Gruppen heute erheblich weniger als in den fünfziger, sechziger, siebziger und achtziger Jahren. Man liebt sich in der eigenen Schicht. Man heiratet in der eigenen Schicht. Man bildet sich in der eigenen Schicht. Das Interessante dabei ist: Wir erleben seit zehn Jahren das Phänomen, dass sich seit den frühen neunziger Jahren das gehobene Bürgertum, also die kulturelle und vor allem die wirtschaftliche Elite, in einer Weise aus sich selbst rekrutiert wie während etlicher Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts nicht. Wir haben selbst in der Zeit des Nationalsozialismus, selbst in einigen Jahren der Weimarer Republik, aber dann elementar in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren eine bemerkenswerte Öffnung auch der bürgerlichen Schichten erlebt, die nun abgebrochen ist. Und das finde ich wirklich phänomenal, vor allem aber bedrückend. Schließlich befinden wir uns im fünften Jahr einer sozialdemokratisch geführten Regierung. Für die das aber kein Thema ist.
In den Städten droht die Desintegration
In den größeren Städten werden wir im Jahre 2025 eine aktive Generation von Menschen zwischen 20 und 40 Jahren haben, die sich vermutlich zu etwa 40, teilweise zu 50 Prozent aus Kindern von Immigranten zusammensetzt. Das muss ja nicht weiter schlimm sein, aber wir wissen, dass dort etwa ein Fünftel, in manchen Städten und Gruppen noch weit mehr, keinen Hauptschulabschluss besitzt und auch keine Berufsausbildung. Diese Entwicklung wird elementare Desintegrationsprozesse auslösen, weil die gezielten Integrationsmaßnahmen der letzten Jahre gebremst und gestoppt wurden. Der Oberbürgermeister von Offenbach hat kürzlich irgendwo bitter-ironisch gesagt: Wenn eine Haupteinnahmequelle der Städte die Hundesteuer ist, weil die Kommunen kaum noch Gewerbesteuer einziehen können, dann ist das ein Problem. So ein Problem bekommen wir dann aber auch auf dem Gebiet der sozialen Integration.
Wir haben vor einigen Jahren noch über die sozialen Unterklassen, über das "Neue Unten" gesprochen. Aber seit zwei oder drei Jahren tun wir auch dies nicht mehr. Wobei die meisten Sozialwissenschaftler davon ausgehen, dass wir natürlich noch längst nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sind, sondern dass in den nächsten Jahrzehnten noch ungeheure Probleme auf uns zukommen werden. Wenn wir also jetzt bei acht, neun oder zehn Prozent Arbeitslosen sind, dann ist das im Grunde genommen ein günstiges Verhältnis. Denn der Anteil derjenigen, die in der Wissensgesellschaft nicht werden mithalten können, die vom Imperativ permanenter, lebenslanger Fort- und Weiterbildung überfordert sind, die also nicht gebildet werden wollen und nicht gebildet werden können - dieser Teil wird, optimistisch geschätzt, bei 20 Prozent liegen, wahrscheinlich sind es mehr.
Nach oben kommen mit der SPD
An genau diesem Punkt stellt sich die Frage: Wie gehen Sozialdemokraten damit um? Es liegt ja auf der Hand: Eine Menge Wahlen, die in der letzten Zeit Niederlagen für die SPD brachten, sind genau in diesen Wohnquartieren des "Neuen Unten", der Outcasts der Wissensgesellschaft verloren gegangen. Häufig sagt man ja: Die Sozialdemokraten sind immer die Vertreter der Schwachen gewesen. Ganz richtig ist das nicht. Sozialdemokraten sind vor allem die Vertreter der starken Teile der Schwachen gewesen - derjenigen nämlich, die über hundert Jahre lang immer nach oben kommen wollten, die sehr bildungsbeflissen waren, aber aus institutionellen oder systemstrukturellen Gründen bis in die sechziger Jahre in der deutschen Klassengesellschaft nicht die Möglichkeiten zur Bildung hatten. Als sich ihnen diese Möglichkeiten durch die Bildungsreform dann aber boten, ergriffen sie die Gelegenheit beherzt und prompt, absolvierten die höheren Schulen, stiegen dadurch sozial auf. Und die anderen, die weniger bildungsbeflissenen, oft ungelernten Arbeiter, die in der Geschichte der Sozialdemokratie nie deren wirkliche und aktive Klientel waren, sind zurückgeblieben. Die Sozialdemokratie hat seit Lassalles Zeiten schon immer große Probleme mit eben diesem Teil der Schwachen gehabt, den wir früher als Subproletariat oder wie auch immer bezeichneten. Bei Marx und Engels galten diese Menschen bekanntlich und bezeichnenderweise gar als Lumpenproletarier.
Partei eines neuen Establishments?
Diese Entwicklung ist in der Tat ein ganz großes Problem. Aber was bedeutet das eigentlich? Was bedeutet sie für das Sozialdemokratische? In der Geschichte der Menschen und der Politik ist das ja kein neuer Vorgang: Eine Gruppe, die aus der unterlegenen Position zunächst sehr emanzipatorisch agiert, die sehr dezidiert und voller Energien in der Vertretung eigener Ziele auftritt, erreicht schließlich diese Ziele, steigt auf, verlässt die Subalternität, bildet fortan ein neues Establishment. Im Moment des eigenen Erfolges - ein tausendfach erlebter Prozess - wird sie konservativ, verteidigt ihren neuen Status. Sie koppelt sich nicht nur mental und kulturell ab, sondern sie wird auch sozial aggressiv besitzstandswahrend - gegen diejenigen, die es nicht geschafft haben. Aggressiv distanzieren sich die neuen Aufsteiger von denen, die nicht mitgekommen sind. Und sie wollen die Abgehängten auch nicht alimentieren, weil man nichts dabei gewinnen kann. Das ist ein historisch nicht gerade ungewöhnlicher Prozess.
Und für mich ist die ausschlaggebende Frage: Ist dieser Prozess eigentlich das, was die Sozialdemokratie gerade mitmacht? Ist es so, dass die Sozialdemokratie soeben dabei ist, zur Vertretung der neuen, avancierten, arrivierten, parvenühaften, aufgestiegenen gesellschaftlichen Mitte zu werden und dadurch überhaupt keine Bindung mehr an ihre Ursprünge zu haben, keine biografischen oder kulturellen Affinitäten, weder vom Ort des Wohnens noch vom sozialen Umfeld der Geselligkeiten her, um sich irgendwann einmal von all dem auch politisch abzukoppeln? Denn Solidarität, das wissen wir, ist etwas, was nur innerhalb einer Gruppe mit ganz ähnlichen oder gleichen Interessen existiert. Man solidarisiert sich mit einer Teilgruppe, die zeitweilig irgendwo herausfällt, aber wahrscheinlich wieder hineinkommen wird und irgendwann die erhaltene Solidarität auch zurückgeben kann, wenn man selber in eine prekäre, solidaritätssuchende Situation kommt. Wenn aber eine bestimmte Gruppe dauerhaft abgekoppelt ist, kann keine Solidarität mehr entstehen, sondern nur noch Barmherzigkeit - und für barmherzige, milde Gaben ist eben nicht jeder geschaffen, schon gar nicht große soziale Formationen oder gar Parteien. Dann entsteht ein Problem mit der postulierten Solidarität, über das man diskutieren muss, aber ich sehe nicht, dass dieses Problem in der SPD auch nur ansatzweise ernsthaft debattiert wird. Natürlich ist das auch schwer, denn eine Partei ist keine intellektuelle Diskursgemeinschaft. Mir leuchtet es schon ein, dass der Generalsekretär oder der Parteivorsitzende solch eine Diskussion nicht führen kann, aber andere in ihrer Partei können es durchaus - und ein Generalsekretär sollte sie zumindest versteckt dazu ermuntern.
Im Bann der eifernden Staatsfeindschaft
Bei all diesen Dingen geht es um die Einsicht, dass eine Gesellschaft, die intakt sein soll und funktionieren will, eine Institution, ja im Grunde genommen ein "Zwangsinstitut" braucht, um planmäßig, gestalterisch und mit festem, definiertem Willen auf sich selbst einzuwirken. Das ist der Staat. Eigentlich ist es ein wichtiger zivilisatorischer Gedanke, dass eine Gesellschaft in irgendeiner Weise eine Kohäsion braucht, um Ausgleich, Balancen und Integration zu schaffen. Wir sind dabei - jetzt einmal nicht aus der Außensicht, sondern aus der sozialdemokratischen Innensicht gesprochen -, diesen in der Tat völlig selbstverständlichen, lange ja auch genuin konservativen Diskurs zu verlieren. Wir beobachten einen geradezu neubürgerlichen Anarchismus, eine eifernde, doktrinäre neubürgerliche Staatsfeindschaft, die außerordentlich bemerkenswert ist und der die Sozialdemokraten nichts, jedenfalls kein eigenes Paradigma mehr entgegenzusetzen haben. Natürlich verfügen wir noch über das staatliche Zwangsinstitut. Denn wenn man es nicht mehr hat, entsteht ein Problem.
Wir sind ja inzwischen alle für den Markt, wir haben begriffen, dass er ein wichtiges und wesentliches Mittel zur rationalen Allokation ist. Nur, wir stellen auch fest: Es gibt wesentliche Gruppen, quantitativ starke Gruppen, die auf Grund ihrer randständigen, verlorenen Lage in der Gesellschaft nicht marktfähig sind. Und keine Bürgergesellschaft, keine Zivilgesellschaft allein wird sie marktfähig machen. Es ist immer die zivilisatorische Aufgabe des Staates, diejenigen überhaupt erst zur Marktfähigkeit zu bringen, die es aus sich selbst heraus nicht schaffen können. Dabei geht es nicht um Staatsbetreuung oder gar um Entmündigung oder wie alle diese ideologisch aufgeladenen Begriffe heißen, sondern es geht um die Marktfähigkeit der Subjekte. Die kann aber nur dieses Zwangsinstitut des Staates herstellen, das eine Gesellschaft hat, um auf sich selbst einzuwirken, um Balancen herzustellen, Fairness zu ermöglichen, staatsbürgerliche Gleichheit zu garantieren.
Auf die Lebenschancen kommt es an
Immer wieder geht es dabei um das ewige Problem der Lebenschancen - eben nicht nur um die berühmten Startchancen. Inzwischen reden ja auch Sozialdemokraten allein von Startchancen. Wenn man aber nur von Startchancen spricht, ist alles, was dann folgt, einzig die Sache jedes Einzelnen. Doch Lebenschancen müssen in einer ungleichen Gesellschaft immer wieder neu eröffnet werden. Wenn man beispielsweise soziale, gesundheitliche und kommunikative Probleme im mittleren Alter hat, dann hat man diese Probleme geradezu kumulativ im Rentenalter. Alle Probleme, die es im normalen Leben gibt, beschleunigen und verstärken sich noch in der Zeit nach dem 60. Lebensjahr. Das heißt, selbst da und gerade da im dritten Lebensdrittel, muss man immer wieder neu Lebenschancen austarieren.
Ich glaube, in Dänemark hat man das vorbildlich gemacht, indem man gezielt öffentliche Institutionen ausgeweitet hat, die die Alten nicht entmündigt, sondern ihnen Entfaltungs- und Kooperationsräume geboten haben. Nach allen Ländervergleichen ist die aktivste, die bürgergesellschaftlichste Altengruppe auf der Welt die dänische, weil es diese öffentlichen Institutionen gegeben hat, die die alten Menschen aktiviert haben, wie die Fans von "dritten Wegen" wahrscheinlich sagen würden. Aber das ist eben nicht von alleine geschehen! Noch einmal: Der größte Teil der Strukturen, die gesellschaftliche Integration und Teilhabe ermöglicht haben, war öffentlich, noch präziser: staatlich. Auch das ist etwas, was ganz typisch ist: Diese Zugänge, diese Ressourcen werden durch den Staat verschafft, was immer nur über gut funktionierende - auch dies ist ein tabuisierter Begriff - intakte, gut ausgebaute, sicherlich moderne und effizient handelnde Bürokratien geht. Aber eben nicht - und das ist sehr wichtig - ausschließlich oder vorwiegend über Kommunitarismus.
Ein anderes Beispiel: In den achtziger Jahren haben wir in den angelsächsischen Ländern zwar bemerkenswerte ökonomische Aufschwungsphasen beobachten können, aber das untere Fünftel hat von diesen Aufschwungphasen nicht im Geringsten profitiert. Tatsächlich ist es von der Zunahme an Wohlstandsmehrung noch weiter entkoppelt worden. Nur in den Ländern, in denen es den Staat gab, der Transfers organisiert und robust umverteilt hat, ist die Ankopplung an die Wohlstandsmehrung gelungen. Das ist etwas, was ich wirklich für markant halte, auch wenn es ebenfalls kein Thema des öffentlichen Diskurses und der sozialdemokratischen Debatte mehr ist.
Aufstieg durch Umverteilung
Die Sozialdemokratie hat sich seit den siebziger Jahren erheblich verändert: in ihrem Funktionärskörper, bei den Delegierten und im Kern ihrer Anhängerschaft. Viele von uns sind aufgestiegen. Wenn ich mir einen normalen Parteitag anschauen und fragen würde: Wer ist dabei, der in der ersten Generation Akademiker ist, bei dem der Vater noch Arbeiter war? Dann würde die Antwort wahrscheinlich lauten: 80 Prozent. Ich selbst bin ja auch so ein Fall - Vater: Hilfsarbeiter auf dem Schlachthof; Sohn: Hochschullehrer. Dieser Prozess ist natürlich möglich geworden durch eine robuste, entschlossene Form der materiellen Umverteilung in den sechziger und siebziger Jahren. Ohne Umverteilung und den Ausbau des Staates und auch der Bürokratie mit den Möglichkeiten, die man uns gegeben hat, um auch ohne den Schutz und Beistand des Milieukollektivs autonom und selbständig zu werden, starke Individuen zu sein, Optionen souverän zu nutzen - ohne diese Staatsinstrumente und massiven Staatsinterventionen hätte es diesen massenhaften Aufstieg nicht gegeben. Und auch ich wäre wahrscheinlich genau wie mein Vater noch immer auf dem Schlachthof. Wir - oder doch die meisten von uns - sind also gewissermaßen die Gewinner von Umverteilung, reden aber jetzt nicht mehr von Umverteilung, fordern es jedenfalls nicht mehr, weil es uns möglicherweise auch zu teuer kommt, weil es vielleicht auch zu teuer ist.
Nur ist das eine ganz merkwürdige Angelegenheit: In dem Moment, in dem wir aufgrund eines spezifischen politischen Instrumentariums sozial gewonnen haben, legen wir das Instrument zur Seite und lassen die anderen ziemlich kaltblütig zurück. Das aber wird moralisch möglicherweise nicht funktionieren, denn es nimmt der Sozialdemokratie ihre besondere Aura, ihren unverwechselbaren Ethos. Und am Ende wäre die SPD dann nichts anderes als - wenn man so will - die FDP der neuen Mitte aus der vorangegangen Bildungsexpansion. Wenn es denn wirklich so ist. Ich habe ja die Hoffnung, dass es nicht so ist. Und wenn ich in die vielen ernsten Gesichter in diesem Saal sehe, dann bin ich nicht ganz unoptimistisch.
Ohne Leitbild wird es nichts!
Was braucht man, um den sozialdemokratischen Diskurs zurückzugewinnen? Man braucht so etwas wie eine Leitidee, wie eine Werteprämisse. Außerdem muss man auch eine kulturelle, soziologische Analyse der inneren Befindlichkeit und künftigen Entwicklung der Gesellschaft hinbekommen. Man muss eine Analyse der ökonomischen sowie der institutionell-politischen Restriktionen und Möglichkeiten haben. Die jetzige Sozialdemokratie, die Regierung, allerdings ist allein auf die letzten beiden Aspekte fixiert. Sie schaut auf die politisch-institutionellen und ökonomischen Macht- und Machbarkeitsverhältnisse, aber um die ersten drei Gesichtspunkte - Werteprämisse, normative Leitidee und die soziologisch-kulturelle Interpretation der Gesellschaft - kümmert sie sich überhaupt nicht. Weil sie nicht überlegt, wie es im Jahre 2010 aussehen sollte, wirkt ihr Reformprojekt so sklerotisch, so uninspiriert, so ziellos - wobei ich weiß, dass es eine schwere Aufgabe ist, gerade dieses sklerotische, uninspirierte Projekt in irgendeiner Weise durchzubringen. Denn wenn so ein Reformentwurf keine Leuchtkraft hat, keine Ausstrahlung, Emotion und Sinnlichkeit besitzt, dann wird er erst recht nicht funktionieren. Ein bisschen in diese Richtung zu gehen, ist gewiss nicht das Generationenprojekt der sozialdemokratischen Abgeordneten im Netzwerk Berlin. Aber die politische Aufgabe könnte oder sollte es schon werden.