Die DDR wirkt nach

Jana Hensels fragwürdiger Beitrag zum Selbstverständnis der ersten ostdeutschen Nachwendegeneration

Das Buch Zonenkinder von Jana Hensel hat in den vergangenen Monaten lebhafte Debatten ausgelöst. Präzise, detailliert und klug beschreibt die Autorin das Gefühlsleben ihrer eigenen, der ersten Nachwendegeneration, in DDR-Kindheit und Westjugend. Überraschend, wie genau sie die Utensilien der DDR-Kinder-, Waren- und Medienwelt zu Papier bringt. Beneidenswert, wie gut ihr Gedächtnis dabei arbeitet. Kurz und zupackend ist ihre Schreibweise. Jeder Satz sitzt. Dabei ist wahrhaftig keine Nostalgie entstanden. Allerdings beschleicht einen beim Lesen manchmal ein leicht fades Gefühl der Flachheit.


Auf leicht lesbaren 170 Seiten zeichnet Jana Hensel die Charakteristika ihrer Generation, ihr Selbstverständnis. Sie schreibt aus ihrer eigenen Perspektive heraus, insofern hat das Buch authentische Züge. Nicht nur beim Beschreiben der Leipziger Montagsdemonstration, dem Ausgangspunkt des Buches, kann manch ein Leser in ihm Bekanntes wieder entdecken. Erst recht bei der Beschreibung von Jungen Pionieren und Fahnenappellen, von ersten Westreisen in den alten DDR-Schrottmühlen und endlosen Gesprächen mit ahnungslosen Westfreunden, wird man als Leser bei eigenen Assoziationen gepackt. Hier schafft es Jana Hensel durchaus, einem die erste Nachwendegeneration ein Stück näher zu bringen. Da ist zu spüren, daß für die 14-Jährigen mit der DDR eben nicht nur ein Staat, sondern ein Großteil ihres gesellschaftlichen Umfelds untergegangen ist, zu dem die 14-Jährigen noch gar keine Distanz haben konnten. So, als ob plötzlich neue Kulissen aufgezogen wurden, ein neues Stück im eigenen Leben gegeben wurde. Und da werden die Anpassungsprozesse beschrieben, nicht nur jene an die Nachwendeverhältnisse in Schule und Familie, sondern auch an die westliche Gesellschaft, spürbar im eigenen Outfit. Da ist offenbar eine ganze Generation von der einen Konformität in die andere gesprungen.

Für die Eltern hat Hensel nur Mitleid

Diese nüchterne Beschreibung des eigenen Anpassungsverhaltens ist denn auch zum Stein des Anstoßes ostdeutscher Kritiker geworden. Da verklärt ein Ostdeutscher mal sich und den Osten nicht. Das ist gut so. Westsozialisierte Mitbürger scheinen das Buch eher zu begrüßen. Ihr Bild vom Osten scheint das Buch also auf den ersten Blick zu bestätigen. Und das, obwohl der Anpassungsdruck der westlichen Gesellschaft ziemlich plastisch zum Ausdruck kommt.


Jana Hensel wirkt im Westen geradezu glücklich. Und das schreibt sie auch, ehrlicherweise. Schon als sie noch ein Kind war, schien der Westen paradiesische Züge gehabt zu haben. Doch gewollt hat ihre Generation ihn nicht, dafür waren sie vor dem Mauerfall schlicht zu klein. Die Eltern, die haben den Westen gewollt. Im Gegensatz zu ihren Kindern aber sind sie darin nicht glücklich geworden. Das liegt an der Deindustrialisierung und manchen demütigenden Erfahrungen. Es sind die Nachwirkungen der DDR. Doch für die Elterngeneration hat Jana Hensel eigentlich nur Mitleid übrig. Mehr nicht. Dahinter steckt nicht nur die Naivität der Jugend schlechthin. Jana Hensel ist unpolitisch. Und so beschreibt sie ihre Generation auch, genauso wie die ihrer Eltern.

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