Die Kyoto-Ära ist vorüber
Man hätte gewarnt sein können. Als Klimawissenschaftler vor einigen Jahren gebieterisch feststellten, die wissenschaftliche Debatte über globale Erwärmung und Klimawandel sei vorüber, wurde dieser Verstoß gegen das wissenschaftliche Prinzip mehr oder minder widerspruchslos hingenommen. Dabei handelte es sich schon damals um ein untrügliches Indiz dafür, dass Wissenschaftler zu Aktivisten und Betreibern von Kampagnen geworden waren. Der deutsche Klimaforscher Hans von Storch, der im weiteren Sinne zum IPCC gehört, sprach damals von einem „Kartell der Alarmisten“, das für eine „Einengung“ der wissenschaftlichen Diskussion gesorgt habe.
Jetzt ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die These vom anthropogenen Treibhauseffekt erschüttert. Die Stimmung hat sich nachhaltig gewandelt. Die Mehrheit der Menschen in Europa ist nicht mehr überzeugt davon, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen seit Ende des 19. Jahrhunderts um bislang 0,8 Prozent allein oder hauptsächlich auf die Industriezivilisation und ihre Emissionen zurückzuführen ist.
Für den Weltklimarat der Vereinten Nationen entwickelt sich das Jahr 2010 mehr und mehr zum „annus horribilis“, zum schrecklichen Jahr. Die globale Institution, die beansprucht, den geballten Sachverstand der Klimawissenschaft zu repräsentieren, steckt in einer schweren Krise. Eine Serie von Skandalen erschütterte ihre Autorität. Aber der Vorsitzende des IPCC, der indische Ökonom Rajendra Pachauri, will nicht zurücktreten. Die Skandale betreffen allesamt den Bericht des Weltklimarates von 2007, für den Pachauri zusammen mit Al Gore den Friedensnobelpreis erhielt. Einige der darin enthaltenen Aussagen stützen sich nicht auf fundierte Forschung und tragen nicht das Gütesiegel des peer review. So reichte im Falle der angeblich bis 2035 abschmelzenden Gletscher des Himalaja die beiläufige Bemerkung eines indischen Wissenschaftlers aus dem Jahr 1999, um in den Bericht aufgenommen zu werden. Der Sachverhalt ist umso peinlicher, als dieser Mann jetzt auf einem gut bezahlten Posten in Pachauris Teri-Institut sitzt, dem wegen des alarmierenden Gletscherberichtes beträchtliche Forschungsgelder von der EU zuflossen.
Die Liste der falschen oder aufgebauschten Aussagen ist lang: Beispielsweise stellten sich die Passagen über Häufigkeit und Stärke von Hurrikanen als unhaltbar heraus. Warnungen vor mehr und gewaltigeren Stürmen als Folge steigender Temperaturen gehörten lange zum festen Repertoire von Wissenschaftlern, Politikern und Medien. Als ebenso unbegründet erwies sich die Voraussage, der Regenwald im Amazonas werde aufgrund des Klimawandels zu großen Teilen verschwinden. Mittlerweile wurden sogar die alarmistischen Prognosen korrigiert, Südseeinseln wie die Malediven seien von dem steigenden Meeresspiegel bedroht. Diese Einschätzung hatten einige Wissenschaftler schon vor sieben Jahren bestritten, allerdings ohne beachtet zu werden.
Ende vergangenen Jahres wurden im Zuge von Climategate nicht nur die unschönen Praktiken an der Climatic Resarch Unit der Universität East Anglia enthüllt, wie Zensur und Datenmanipulation. Die Universität hatte sogar das Gesetz gebrochen, indem sie Forschern den Zugang zu Daten verweigerte. Wissenschaftsjournalisten müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie Hinweise darauf, dass auf dem Feld der Klimawissenschaft einiges im Argen liegt, lange Zeit ignorierten. Wie hätten die Medien wohl reagiert, wenn sich eine politische Institution eines demokratischen Staates trotz gesetzlicher Verpflichtung geweigert hätte, Informationen herauszugeben? Auch die Wissenschaft braucht kritischen Journalismus.
Abschied von einer Klimapolitik, die Unmögliches verlangt?
Der Einfluss des Weltklimarates auf die Klimapolitik der Nationalstaaten dürfte sich künftig beträchtlich reduzieren. Die Computermodelle des IPCC und die daraus abgeleiteten dräuenden Szenarien verfehlten bereits bei der Klimakonferenz in Kopenhagen ihre Wirkung. Dort wurde das Ende der Klimapolitik nach dem Muster von Kyoto eingeläutet, mit seinen „rechtlich verbindlichen“ Verpflichtungen zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen, die in Wirklichkeit kein Land erfüllt hatte. Die geforderte Dekarbonsierung erweist sich als unmöglich: Es fehlen die Energiealternativen, zugleich wächst der Energiebedarf rasant.
Sogar Europas Politiker dürften dankbar sein für die Möglichkeit, Abschied nehmen zu können von einer Klimapolitik, die ihnen Unmögliches abverlangt und die Bürger gegen sie aufbringt. Sie werden das umso leichteren Herzens tun, je mehr sich zeigt, dass die Katastrophenszenarien von einer Wissenschaftsbürokratie übertrieben wurden, in der sich group think und grüner Aktivismus eingenistet haben. Neue Erkenntnisse könnten die Autorität des IPCC weiter untergraben. Eine jüngst in der Zeitschrift Science veröffentlichte Studie zeigt, dass die Forscher des IPCC die Rolle des Wasserdampfes, des wichtigsten Treibhausgases, vernachlässigt beziehungsweise falsch interpretiert haben. Seit Ende des vergangenen Jahrtausends ging der Anteil des Wasserdampfes in der Stratosphäre um 10 Prozent zurück, was den Temperaturanstieg um 25 Prozent reduziert. Das könnte erklären, warum die globale Durchschnittstemperatur seit gut zehn Jahren nicht mehr steigt, trotz des rasant zunehmenden Ausstoßes von Kohlendioxid.
Die Parteien der linken Mitte sollten das Fiasko von Kopenhagen und die Glaubwürdigkeitskrise der Klimawissenschaft zum Anlass nehmen, um ihre eigene Klimastrategie zu hinterfragen. Progressive Parteien stehen vor einem besonderen Dilemma. Viele von ihnen haben sich unkritisch auf eine radikale klimapolitische Agenda eingelassen, die ihrer eigenen Klientel, den ärmeren Bevölkerungsschichten, enorme Lasten aufbürden und hunderte Millionen Menschen in den Entwicklungsländern zu Armut und Not verdammen würde.
In der Tat stellt die globale Erwärmung für die linke Mitte ein besonders vertracktes Dilemma dar. Entgegen der Erwartungen vieler progressiver Strategen erweist sich das Klimaproblem politisch ganz und gar nicht als vorteilhaft für ihre Parteien. Wie Michael Lind, einer der Vordenker der Demokraten in den Vereinigten Staaten feststellt, ist „Lifestyle-Umweltbewusstsein eine Angelegenheit der besser gestellten und gebildeten Gesellschaftsschichten“. Und weiter: „Man ist wohlhabend, doch man ist von sich aus bereit, den Planeten durch freiwillige, wenn auch meist symbolische und kostenlose Gesten zu retten.“ Und die weniger gut situierte Mehrheit bekommt die Folgen dieser Politik zu spüren.
Führende Figuren des Mitte-Links-Lagers wie SPD-Chef Sigmar Gabriel oder der mögliche künftige Vorsitzende der Labour Party, David Miliband, glaubten, mit einem klaren Bekenntnis zu drastischer Reduzierung von Kohlendioxid das „Machtthema“ (Gerhard Schröder) unserer Zeit besetzt zu haben. Die Erderwärmung, so die Argumentation, verlange nach einem Lösungsansatz, den Sozialdemokraten instinktiv favorisieren: einen internationalen Rahmen unter dem Dach der Vereinten Nationen, rechtlich verbindliche Abmachungen und internationale Kooperation. Außerdem bleibe der Staat, wie Anthony Giddens in seinem Buch The Politics of Climate Change ausführt, der wichtigste Akteur, um die kurzfristigen Reflexe der Märkte auszugleichen.
Auf den ersten Blick leuchtet diese Argumentation ein. Führende Köpfe der Sozialdemokratie gingen sogar so weit, die Einführung personalisierter Emissionszertifikate für alle Bürger vorzuschlagen. In Wirklichkeit würde ein solches System die lückenlose Kontrolle aller menschlichen Aktivitäten bedeuten und eine bedrückende Orwellsche Bürokratie schaffen. Doch eine Klimastrategie, die sich auf Emissionsobergrenzen und Emissionshandel („Cap and Trade“), die scharfe Reduzierung von Emissionen und die Einführung einer Kohlendioxid-Steuer stützt, war schon fragwürdig, bevor die Glaubwürdigkeit des IPCC erschüttert wurde. Und als Wahlstrategie war sie stets untauglich, schließlich trifft sie diejenigen Einkommensschichten besonders hart, die ihren bescheidenen Wohlstand bedroht sehen.
In den sozialdemokratischen Parteien griff Kulturpessimismus um sich
Progressive Politiker sollten das Zögern ihrer Wähler verstehen, ihnen in die Welt höherer Steuern und dramatisch steigender Stromrechnungen zu folgen, dazu noch in Zeiten tiefer Rezession. Sozialdemokraten betrachteten es einst als ihre vordringlichste Aufgabe, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – verbunden mit der Überzeugung, wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt werde dies ermöglichen. Dieser Fortschrittsglaube dominierte innerhalb der Sozialdemokratie bis in die sechziger Jahre und betraf auch die Nutzung der Kernkraft. James Lovelock, Begründer der „Gaia Theorie“, wonach Erde und Biosphäre wie ein Superorganismus funktionieren, der die Bedingungen des Lebens aufrecht erhält, beklagt die „systematische Dämonisierung“ der Atomenergie durch viele sozialdemokratische Parteien seit den sechziger Jahren. Verloren ging das Vertrauen in den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt überhaupt. Ein kulturpessimistisch angehauchter Endzeitglaube griff um sich. Linke Ideen mutierten in apokalyptisch eingefärbte „grün-linke“ Ideen.
Kopenhagen markiert einen Wendepunkt in der globalen Klimapolitik. Zugleich sind die Chancen, mit einer „Kyoto-Strategie“ Wähler zu gewinnen, noch geringer geworden. Meinungsumfragen zeigen, dass die Skepsis der Bevölkerung und damit auch ihr Widerstand gegen drastische Maßnahmen überall wächst, ob in den Vereinigten Staaten, in Europa oder in Australien. Derzeit ist Präsident Barack Obamas Vorhaben, ein Klimagesetz samt Cap-and-Trade-Mechanismus durch den amerikanischen Senat zu bringen, so gut wie unmöglich. In Australien scheiterte Kevin Rudds Labour-Regierung bereits mit dem Versuch, ein Klimaschutzgesetz durch den Senat zu bringen. Der Plan wurde bis 2013 aufs Eis gelegt. Es gebe im Land dafür keine hinreichende Unterstützung, so die Begründung. Das Klimathema könnte sogar die Regierung zu Fall bringen. Bis vor kurzem noch hatte niemand Zweifel am Ausgang der kommenden Wahlen. Der Sozialdemokrat Kevin Rudd ist ein beliebter Premierminister, der seinen konservativen Gegenspieler in Umfragen weit hinter sich gelassen hatte. Niemand gab Tony Abbott die geringsten Chancen. Doch die Lage hat sich drastisch verändert. Abbotts unverhohlene Verachtung für die Theorie des anthropogenen Treibhauseffektes und seine klare Ablehnung neuer Ökosteuern haben dazu geführt, dass eine böse Überraschung für die Labour Party nicht mehr ausgeschlossen werden kann.
Für alle Regierungen ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Sowohl der Zustand der Klimawissenschaft als auch die wirtschaftlichen Zwänge verlangen danach. Klar ist nur, dass die Kyoto-Ära der Klimapolitik vorüber ist. Sie war von dem Versuch gekennzeichnet, einen globalen Rahmen für den Emissionshandel und rechtsverbindliche Vereinbarungen für die Reduzierung von Kohlendioxid-Emissionen zu schaffen. Diese Bestrebungen sind allesamt gescheitert. Wir erleben nur noch Nachhutgefechte. Die Luft ist raus. Von der Kopenhagener Nachfolgekonferenz in Cancún Ende des Jahres wird nichts Substantielles erwartet. Parteien und Regierungen der linken Mitte, überzeugt von den Vorzügen multilateraler Verträge, haben daran besonders schwer zu knabbern. Doch der Traum von einem globalen Klimaabkommen ist ausgeträumt. Das räumte sogar die neue Klimachefin der Vereinten Nationen Christiana Figueras ein, die für die Verhandlungen über ein internationales Abkommen verantwortlich ist. Sie werde dieses „nicht mehr erleben“, erklärte sie resigniert.
Keine Weltgemeinschaft, nur nationale und regionale Interessen
Wie sich während der Konferenz in Kopenhagen bereits gezeigt hat, sitzen von nun an die Nationalstaaten am Schalthebel. Es gibt keine Weltgemeinschaft, es gibt nur nationale und regionale Interessen. Aus Kopenhagen lassen sich weitere Lehren ziehen: Eine Zusammenkunft von 190 Regierungen, dazu noch zahlreiche Lobbygruppen und Nichtregierungsorganisationen, ist schwerfällig und entscheidungsunfähig. Eine weitere bittere Wahrheit lautet, dass fast alle Unterzeichnerstaaten von Kyoto die zugesagten Minderungen des Kohlendioxid-Ausstoßes nicht erreicht haben. Insofern war Kopenhagen sogar ein willkommenes Ende der Heuchelei. Und selbst wenn es rechtsverbindliche Vereinbarungen geben würde – wer würde sie durchsetzen, wenn sich Staaten nicht an die Verpflichtungen halten?
Die Klimastrategie der EU hat sich als hoffnungslos blauäugig erwiesen. China, Brasilien, die USA, Südafrika und Indien einigten sich untereinander auf das völlig unverbindliche „Konkordat“ von Kopenhagen, ohne die EU darüber auch nur zu informieren. Die EU versuchte in der Klimapolitik viele Jahre lang, ein gutes Beispiel zu setzen und auf das Beste zu hoffen. Zum Schaden der eigenen Wettbewerbsfähigkeit verpflichteten sich die EU-Staaten, die Emissionen von Kohlendioxid im Alleingang drastisch zu reduzieren. Die EU führte einen Emissionshandel ein, der eigentlich nur sinnvoll wäre, wenn sich alle Welt beteiligte. Auch sagte die EU massive finanzielle Transfers zu – in der Hoffnung, die neuen industriellen Giganten Asiens würden dem hehren Beispiel folgen. Doch wie die Geschichte der Abrüstung zeigt, haben unilaterale Vorleistungen noch nie etwas bewirkt, auch wenn sich die Parteien der linken Mitte stets aufs Neue als anfällig für unilaterale Reflexe erweisen.
Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise war diese Vorgehensweise doppelt unangebracht. Unsere Volkswirtschaften können sich Vorleistungen und Transfers einfach nicht leisten. Kürzlich gab es einen ersten Hinweis auf ein Umdenken. Gemeinsam blockierten Berlin und Paris den Vorstoß der Europäischen Kommission, die im alten Stil weitermachen und die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 nicht um 20, sondern gleich um 30 Prozent reduzieren wollte. Derweil enthüllt die Finanzkrise in immer mehr Staaten, welch illusionäre Vorstellungen vom Potenzial erneuerbarer Energien kursieren. In Spanien etwa droht der Solarindustrie der Kollaps, nachdem die Regierung die Subventionen kürzte. Ähnlich steht es um die Windenergie, die mehr Subventionen als Strom erzeugt. Die massive Förderung von Wind durch Steuergelder stellt letztlich eine regressive Steuer zugunsten einer Rentier-Klasse und zulasten der unteren Einkommensschichten dar.
Falsche Versprechungen über den Wert erneuerbarer Energien
Generell gilt, dass zu viele falsche Versprechungen über den Wert alternativer und erneuerbarer Technologien verbreitet werden (nicht zuletzt von Kreisen, die handfestes Interesse an ihnen haben): in Bezug auf Effizienz und Potenzial, den zeitlichen Rahmen, in dem sie eingeführt werden können und sich Veränderungen realisieren lassen, und was die Zahl der Arbeitsplätze betrifft, die ein neuer, „grüner Keynesianismus“ zu schaffen vermag. Der amerikanische Umweltforscher Roger Pielke Jr. ist der Meinung, dass „die Festlegung unerreichbarer Ziele, etwa die Ankündigung über den Prozentsatz erneuerbarer Energieträger an der Stromproduktion, keine Politik, sondern ein Akt des Wunschdenkens“ ist. Für ihn stellt das eine Politik des Symbolismus dar, „mit wenig oder keinen Auswirkungen auf die Ergebnisse unter realen Bedingungen“.
Natürlich hat Symbolismus in der Politik einen festen Platz. Aber das Beispiel Windenergie zeigt, wie stark Wunschdenken die Sinne vernebeln kann. Wind ist ineffizient und liefert Strom nur mit Unterbrechungen. Beispielsweise wurde in Großbritannien die für die Stromproduktion erforderliche Windstärke laut der staatlichen Aufsichtsbehörde Ofgem im Jahr 2008 durchschittlich an nur 2,5 Stunden pro Tag erreicht, und nicht wie ursprünglich angenommen an 6 Stunden. Auch müssen konventionelle Kraftwerkskapazitäten bereitstehen, wenn der Wind nicht weht – je höher der Windanteil am Strom, umso mehr, was die Windkraft noch teurer macht. Windenergie ist nur mithilfe hoher Subventionen realisierbar. Ja, sie ist noch nicht einmal „erneuerbar“, weil die Herstellung, Reparatur und Erneuerung der Windkraftanlagen so viel Energie und Material verbraucht.
Solange genügend Subventionen fließen, hält das Unternehmen freilich nicht davon ab, sich für Windkraft oder für andere Technologien zu erwärmen. Eindringlich warnt James Lovelock vor dem „grün-industriellen Komplex“. Seine Einschätzung: „Europas massive Nutzung der Windenergie als Ergänzung zum Grundlaststrom wird wahrscheinlich als eine der größten industriellen Torheiten des 21. Jahrhunderts in Erinnerung bleiben.“ Er zielt damit auch auf die Idee eines gigantischen, Europa umspannenden Stromverbundes ab, mit dessen Hilfe man die Flüchtigkeit des Windes zu überwinden hofft, obwohl Konzerne wie E.ON das Projekt bereits intern geprüft und als undurchfürbar verworfen haben.
Was auch immer geschieht, die kommenden 20 Jahre könnten als „das neue Kohlenstoffzeitalter“ bezeichnet werden. Wir werden weltweit mehr Öl, Gas und vor allem Kohle verbrennen als je zuvor, während der Öl-Anteil an der Primärenergie stetig fällt. Im Jahr 1999 lag dieser noch bei knapp 40 Prozent, heute sind es nur noch etwa 35 Prozent. Nicht Wind oder Sonne springen in die Bresche – es ist König Kohle, auf den die Welt zurückgreift: Sein Anteil an der Primärenergie ist in den letzten zehn Jahre auf 30 Prozent angewachsen. Die Kohlendioxid-Emissionen werden also weiter steigen. Auf mittlere Sicht können den Energiebedarf einer wachsenden Weltbevölkerung nur fossile Energieträger, Atomkraft und später vielleicht noch die Solarthermie decken, alle übrigen alternativen Energieformen werden nur eine marginale Rolle spielen, selbst wenn man ganz Deutschland mit Windturbinen zupflastern würde.
Die Politik hat derzeit zumindest eine Atempause gewonnen. Sie sollte sie nutzen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Erde nicht weiter erwärmt, trotz rasant steigender Kohlendioxid-Emissionen. Um diesen Befund wollten sich die Forscher, deren Computermodelle diese Entwicklung nicht vorausgesehen hatten, lange Zeit drücken. Eine Ausnahme ist der Klimawissenschaftler Mojib Latif. Er verkündete diese Tatsache im letzten Spätsommer – und musste von den Kollegen aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung prompt viel Prügel einstecken. Latif erwartet „ein oder zwei weitere Jahrzehnte der Abkühlung“, bevor die globale Erwärmung aufs Neue einsetzen werde. So mag es kommen, doch weder er noch wir können sicher sein.
Verfluchen Klimawissenschaftler die Demokratie?
Zum ersten Mal in ihrer 350-jährigen Geschichte hat die britische Royal Society eine wissenschaftliche Ausage zurückgezogen, nämlich die zum anthropogenen Treibhauseffekt. Diese soll durch einen neutraleren Befund ersetzt werden. Auch angesichts dessen sollten Politiker und Regierungen auf die Rückkehr zu einer offenen, kritischen Wissenschaft drängen, bevor sie sich auf kostspielige Entscheidungen festlegen. So ungewiss die Basis der wissenschaftlichen Forschung auch ist, viele Wissenschaftler drängen entschieden auf eine „Transformation“ unseres wirtschaftlichen Handelns. Dies verweist in beunruhigender Weise auf eine dunkle, autoritäre Seite der „Mission“, auf der sich einige einflussreiche Klimawissenschaftler wähnen. Viele glauben, dass demokratische Gesellschaften nicht besonders geeignet sind, wenn es um die Bewältigung drängender Problemen wie den Klimawandel geht. Vielmehr müsse die Entscheidungsgewalt in die Hände einer kleinen Elite gelegt werden, die über fundiertere Kenntnisse verfügt als die Masse der Menschen. Einige Wissenschaftler und einflussreiche Kommentatoren rühmen ausdrücklich das autoritäre chinesische Modell, andere gehen sogar noch weiter. Der bekannte Wissenschaftler der NASA, James Hansen, hat in aller Öffentlichkeit erklärt, dass der „demokratische Prozess nicht funktioniert“. Aus Verbitterung über das Scheitern der multilateralen Klimaverhandlungen billigt er extremistischen Öko-Terrorismus als einzige Möglichkeit, das Weltwirtschaftssystem zu Fall zu bringen.
Natürlich weist der demokratische Entscheidungsprozess Mängel auf. Aber gerade Sozialdemokraten sollten sich stets daran erinnern, dass offene, demokratische Gesellschaften im Verbund mit Marktwirtschaft und freier Presse für komplexe globale Probleme besser gerüstet sind als alle anderen politischen Systeme. Die vergiftete ökologische Erblast des totalitären Kommunismus sollte als ständige Warnung vor den Verlockungen eines autoritären Systems dienen, denen Teile der Linken – wie die Geschichte lehrt – nur allzu leicht erlegen sind.
Wir befinden uns in einer schwierigen und unsicheren Situation: Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Die eine Denkrichtung erwartet die Katastrophe, eine andere prognostiziert mindestens eine grundlegende Herausforderung für unsere gewohnte Lebensweise, wieder andere Modelle weisen auf ein kontrollierbares, wenn nicht gar nützliches Maß an Erwärmung hin. Erstaunlich viele Wissenschaftler gehen so weit zu behaupten, wir würden erst in einigen Jahren begreifen, dass die Erderwärmung nur eine der vielen unbegründeten Ängste war, für die moderne Massenmediengesellschaften besonders empfänglich sind.
Bleibt die Frage nach den Prioritäten. Was ist zu tun? Wir brauchen mehr Energieeffizienz, und gewiss müssen wir unsere Industrien auf lange Sicht kohlenstoffärmer machen. Wir sollten unsere Energieträger so weit wie möglich diversifizieren, und wir brauchen emissionsarme Technologien. Wir dürfen jedoch keine übereilten, teuren Verpflichtungen eingehen, die auf unzureichenden Erkenntnissen basieren, sondern müssen uns auf „No-regrets“-Lösungen konzentrieren – auf Lösungen, die künftigen Generationen Entscheidungsfreiheit belassen. Computergestützte Prognosen verdienen mehr Skepsis, genau wie jene Wissenschaftler, die sich als Hüter eines Dogmas aufspielen. Stattdessen müssen wir die tatsächlichen Geschehnisse beobachten. Gibt es tatsächlich Anzeichen dafür, dass sich der Anstieg der globalen Temperaturen oder des Meeresspiegels beschleunigt? In beiden Fällen lautet die Antwort derzeit: nein.
Anstatt den aussichtslosen Kampf gegen Kohlendioxid-Ausstoß zu führen, sollten wir uns stärker auf Anpassungsmaßnahmen konzentrieren. Klimawandel ist eine historische Norm, Klimaänderungen sind unvermeidbar. Zugleich brauchen wir eine Versicherung in Form von Geo-Engineering, falls die schlimmsten Voraussagen der Alarmisten doch eintreffen sollten. Viele Wissenschaftler empfehlen Geo-Engineering als vernünftigen Ansatz. Das Instrument könnte sich als wesentlich billigere Lösung erweisen als der verzweifelte, kostspielige und letztlich erfolglose Versuch, die Klimaänderungen durch Reduzierung der Emissionen abzuschwächen.
Es ergibt keinen Sinn, Milliarden von Menschen in Industrie- und Entwicklungsländern in wirtschaftliches Elend und Not zu stürzen. Die Klimapolitik und das Tempo der Entkarbonisierung sollten nicht von Wissenschaftlern und ihren Theorien bestimmt werden, sondern von Regierungen und Parlamenten, die sich von den Interessen ihrer Völker leiten lassen. In Zukunft wird Klimapolitik behutsamer, rationaler und weniger panisch voranschreiten. Niemand kann auf Wachstum und Wohlstandmehrung verzichten, weder Europa, Amerika noch China, und schon gar nicht die Menschen in Afrika. Am Ende werden wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt über das Schicksal der menschlichen Zivilisation entscheiden. «