Erste Versuche im Berliner Nachtleben

Ein Streifzug durch die Oranienburger Straße

Berlin bei Nacht - da liebt man die neue Republik: keine Sperrstunde, viele Anlaufstellen. Während in Bonn die wenigen guten Bars bereits um ein Uhr schließen, geht es in Berlin um diese Zeit oft erst los. Vor 22.00 Uhr gehen die Berliner nicht auf Tour.

Der erste Treffpunkt unter Kollegen ist natürlich die STÄV (Ständige Vertretung des Rheinlandes in Berlin, Schiffbauerdamm 8, Mitte). Gerne flieht man aus den unfertigen Büros in den Treffpunkt aller Altbonner. Die Betreiber des Ladens waren noch vor wenigen Jahren emsige Kämpfer gegen den Hauptstadtumzug, haben aber schnell die Zeichen der Zeit erkannt und sind mit ihrem Restaurant nun in jeder Zeitung vertreten. Man fühlt sich sofort rheinisch-heimisch: Bonner Devotionalien an der Wand, der Laden ist voll, es gibt rheinische und Berliner Küche, kein Pils, nur Kölsch und rundherum sitzen weinerliche pendelnde Rheinländer - hauptsächlich Beamte -, die sowieso keine Lust auf Berlin haben. Ist das ein gelungener Einstieg in die neue Stadt?

Schnell weiter, bevor man sich doch wieder an das Kölsch gewöhnt hat. Glücklicherweise ist der Weg zur Touristenmeile des Ostens nicht weit: Auf zur Oranienburger Straße. Jeder schaut mal beim Tacheles vorbei, in den Hinterhof oder vielleicht zu einem Live-Auftritt ins Café. Ansonsten lassen sich hier manchmal Filmteams bei der Arbeit beobachten, und wer Glück hat, wird von einem Original-Punk nach Kleingeld oder Zigarette gefragt.

Danach kann man sich ins Goa, direkt gegenüber, begeben. Oben ist der Laden ein indisches Restaurant, vegetarische Speisen, gehobener Schick, auf dem Gehweg stehen die in Mitte üblichen Biertische. Der Keller ist die eigentliche Empfehlung: Donnerstag bis Sonntag sind hier mehrere Chill-Out-Räume mit Teppichen, Kissen und gedämpfter Beleuchtung zugänglich, in denen man, ohne sich Sorgen machen zu müssen, eine angenehme Liege- und Ruhefläche für die Feierabendtüte geboten bekommt. Süßlich geschwängerter Rauch ist sowieso in vielen der Berliner Nachtcafés zu riechen und scheinbar auch unproblematisch. Diese Toleranz gibt Pluspunkte für die neue Hauptstadt.

Wir ziehen die Oranienburger weiter Richtung Hackescher Markt. Man vermeidet den lavagegrillten "Oranienburger" an der südamerikanisch angehauchten Imbissbude (Ecke Tucholskystraße) und wendet sich guten Pommes mit Avokadosauce am Imbisswagen daneben zu. Während andere Stadtteile nach dem Motto "Unser Dorf soll schöner werden" langsam solche Buden abstoßen, finden wir hier noch dieses Stück Stadtkultur.

Das Silberfisch, eine kleine Kellerkneipe, hat den Vorteil, meist auch nach 4 Uhr noch geöffnet zu haben. Freitags und Samstags soll hier getanzt werden. Wir verweilen, lassen uns vom Keeper mit seiner typisch Berliner Schnauze noch ein Bier bringen und schauen dem Treiben der Huren und potenzieller Kunden zu.

Ein paar Meter weiter auf der Oranienburger Straße in Richtung S-Bahn-Haltestelle Hackescher Markt liegt das Café Silberstein. In edlem Ambiente, das aus extravagant designten, dafür unbequemen Sitzmöbeln und einigen Kunstwerken besteht, hat man hier die Möglichkeit, die üblichen Cocktails zu schlürfen und diverse Sushi-Variationen zu genießen. Am Wochenende legt zusätzlich ein DJ Drum′n-Bass-Platten auf.

An einem durch sechs teilbaren Tag im Monat kann man von der Oranienburger in die Monbijoustraße Richtung Spree abbiegen und kurz vor der Brücke linker Hand an einer der zahlreichen in Berlin üblichen unkonzessionierten Partys teilnehmen: E-Musik (vornehmlich Drum′n Bass), Psychodelika, bunte Leute und ein Hauch von Illegalität.

Alle anderen, die nach der edlen Völlerei immer noch genug Geld in der Tasche haben und sich ein wenig zappelnd vergnügen möchten, ohne vorher einen der in Berlin üblichen langen Wege zurückzulegen, können den Abend im Cox Orange (Diercksenstraße 40, Mitte) zu Hits der siebziger und achtziger Jahre beschließen. Man muss allerdings freie Tanzflächen und den Charme von Anmachbars mögen.

Viele der Berliner Kneipen im untersuchten Bereich sind sich sehr ähnlich. Gemeinsam ist ihnen, dass sie einfach keine Besonderheit aufweisen. Wandschmuck, Kicker, Flipper oder andere Image prägenden Individualkennzeichen sucht man oft vergeblich. Das Interieur besteht lediglich aus Sitzgelegenheiten, meist einfachen Holzbänken und einer schicken Bar oder Theke. So auch das Meilenstein (Oranienburger Straße 7) - wer lange genug durchhielt, kann hier zu recht günstigen Preisen bis 17 Uhr frühstücken und dann auf der Tour rückwärts neue Cafés und Bar kennen lernen.

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