Krass, krass, krass
Eine Kollegin schickte mir vor kurzem eine öffentliche Mitteilung der Unternehmensberatung Roland Berger, die sie mit den Worten „krass, krass, krass“ kommentierte. Darin kündigte das Unternehmen an, 33 neue Partner zu ernennen – darunter nur eine Frau. Meine Kollegin war nach langen Jahren im angelsächsischen Ausland gerade wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Nun fragte sie mich: „Ist das die Realität hier?“ Meine Antwort lautete: „Leider ja. Und leider wird die Frauenquote, in welcher Form sie auch kommen mag, daran wenig ändern.“
Machen wir uns nichts vor: Der rheinische Kapitalismus hat nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile. Ein gehöriger Nachteil ist die Stellung, die der Frau darin zugedacht ist. Systematisch wird sie in die Rolle der Zuverdienerin gedrängt. Dazu tragen viele Elemente des Modells bei: das Ehegattensplitting, die Schulformen, das Ausbildungssystem, die Sozialpolitik und die Arbeitsmarktregulierung.
Die perversen steuerlichen Anreize des Ehegattensplittings werden gemeinhin als diskriminierend angesehen und brauchen hier nicht weiter ausgeführt zu werden. Aber für die Probleme, die Frauen durch die deutschen Schulen entstehen können, besteht weniger Bewusstsein. Ein Beispiel: Bis vor kurzem besuchte meine Tochter eine Grundschule in London. Dort bekam sie kaum Hausaufgaben auf, dafür war der Nachmittagsunterricht vorgesehen. In Berlin kommen die Kinder mittags aus der Schule und haben noch einen Berg an Hausaufgaben vor sich, für den sich auch ein Hort nur zum Teil zuständig fühlt. Eine weitere Aufgabe für berufstätige Mütter nach einem langen Arbeitstag.
Wirklich kritisch jedoch ist die Position von Frauen am Arbeitsplatz. Deutsche Arbeitgeber diskriminieren Frauen stärker als angelsächsische Unternehmer, weil sie auf langfristig angelegte hausinterne Karrieren fixiert sind und jede Unterbrechung der Berufstätigkeit bestrafen. Das mag in einem System mit starkem Kündigungsschutz, ausgeprägten internen Karrierepfaden und firmenspezifischen Qualifikationen durchaus Sinn ergeben, führt heute aber zur Verschwendung von Qualifikationen – und zu berechtigter Frustration bei ambitionierten Frauen.
Aus all dem resultiert ein Lock-in-Effekt, und zwar sowohl in der Familie, als auch am Arbeitsplatz. Die Familien entscheiden nach der Geburt des ersten Kindes recht schnell, wer zum Haupternährer und wer zur Zuverdienerin wird. Die Verhandlungsposition von Frauen, denen ein Jahr Erziehungszeit winkt und die zumeist schon von Beginn an weniger verdienen, ist ausgesprochen schlecht. Ist sie erst einmal auf den Pfad der Zweiternährerin geraten, ist es einer Frau nahezu unmöglich, den Mann wieder von seiner Position als Häuptling der Familie zu verdrängen.
Dies wiederum führt dazu, dass Frauen am Arbeitsplatz als latent unzuverlässige Kolleginnen gelten, die leicht abhandenkommen und deren Ehrgeiz und Einsatz für die Firma fraglich ist. Bei der Besetzung von Führungspositionen wird ihre Arbeit systematisch unterbewertet und es kommt zu Mängeln an politischer Korrektheit im Umgang miteinander.
Es muss sich also noch viel ändern – nicht nur bei Roland Berger. Im besten Fall ist die geplante Quote ein Signal für den Aufbruch. Wenn diesem Signal jedoch nicht weitere Schritte im Steuerrecht, bei der Kinderbetreuung und in der Personalführung folgen, kann die Quote das Gegenteil von dem bewirken, was erreicht werden soll. Im schlechtesten Fall verstärkt sie dann die bestehenden Ausgrenzungsmechanismen, weil sich Männer gegen die oktroyierte Bevorzugung von Frauen wehren. Das nennt man dann ein Eigentor.