Über Uber und die geteilte Wirtschaft
Wenn man in Tegel landet und vor das Terminalgebäude tritt, sieht man als erstes eine riesige Schlange beigefarbener Mercedes-Limousinen, die sich im Schneckentempo voran bewegen. Nimmt man dann eines dieser Taxis, um sich den Bus zu ersparen, erfährt man nicht selten von den Fahrern, dass sie 60 Stunden in der Woche im Auto sitzen und einen Stundenlohn von 3,50 Euro erwirtschaften. Man fragt sich nach der Fahrt, warum sich das eigentlich jemand antut.
Als das Landgericht Frankfurt Anfang September den Vertrieb von Fahrdienstleistungen durch das Unternehmen Uber verbot, hat es daher kein funktionierendes Geschäftsmodell der Taxifahrer geschützt. Das gibt es nämlich nicht. Es hat vielmehr das Regulierungsmonopol des deutschen Staates verteidigt, der selbst entscheiden möchte, unter welchen Bedingungen Fahrdienste angeboten werden können. Justizminister Maas hat seitdem verkündet, dass die Bundesregierung keine Gesetze ändern wird, um internetbasierten Geschäftsmodellen der share economy den Zugang zu deutschen Märkten zu eröffnen. Das ist sein gutes Recht.
Dennoch stellt sich die Frage, ob das eine gute Politik ist. Vielleicht wäre ein Uber-Angebot eine gute Gelegenheit, sich die Taxibranche in Deutschland mit ihren ständigen Umgehungen von Arbeitsrecht und Mindestlöhnen einmal genauer anzuschauen. Vielleicht würde sich die Branche verkleinern, verbessern und spezialisieren, wenn Billigangebote von Privatanbietern übernommen würden. AirBnB ist bereits ein sinnvolles ergänzendes Angebot zur übersättigten Berliner Hotelbranche und bietet Zusatzeinkommen für viele Kreuzberger Künstler, die sich mit ihrer Kunst am Existenzminimum bewegen. Vielleicht würde Uber aber auch im Wettbewerb mit den beigen deutschen Taxis scheitern – so wie vor Jahren schon Wal-Mart in Neukölln an der Geiz-ist-geil-Strategie der deutschen Discountbranche gescheitert ist. Zumindest ist es unehrlich, den Arbeits- und Konsumentenschutz vorzuschieben, wenn dieser von anderen Branchen ständig sanktionslos gebrochen wird.
Dass Uber und die geteilte Wirtschaft dem Kapitalismus endgültig den Garaus machen, wie uns der Autor Jeremy Rifkin * glauben machen will, ist jedoch unwahrscheinlich. Ja, Bedarfsmittel aller Art können heute so günstig produziert werden, dass sozialer Status immer weniger über das Eigentum an massenproduzierten Dingen hergestellt wird. In der entwickelten Welt können wir alle bis auf sehr wenige Ausnahmen auskömmlich wohnen, uns ernähren und kleiden. Armut und Verschuldung entspringen immer mehr dem Wunsch nach einem Smartphone als dem Fehlen eines warmen Essens. Deshalb geben marktführende Unternehmen immer größere Teile ihres Umsatzes nicht mehr für die Produktion, sondern für Design, Vertrieb und Marketing aus. Sie müssen ihre Marktanteile über Trends, Moden und neue Accessoires erobern, da sich die eigentlichen Produkte kaum noch unterscheiden. Die Konsumenten könnten sich natürlich von dieser Logik verabschieden; sie könnten einfach und gut woanders einkaufen. Die grenzlosen Vertriebsmöglichkeiten über das Internet werden die Ökonomie des Teilens dabei weiter vorantreiben. Warum soll ich mir eine eigene Bohrmaschine kaufen, wenn ich mir über eine App in meiner Nachbarschaft gleich mehrere ausleihen kann?
Herstellung und materieller Besitz werden weiter an Bedeutung verlieren, zunehmend kommt es auf den Zugang zu Dingen und Dienstleistungen an. Dieser Zugang wird jedoch von Unternehmen organisiert werden; nicht nur von finanzkräftigen Internetdiensten aus Silicon Valley. Europäische und außereuropäische Firmen werden folgen und ihr größeres Wissen über lokale Bedingungen ausnutzen. Diese Firmen werden weiterhin versuchen, Märkte zu kontrollieren und möglichst viel Wohlstand für sich selbst anzuhäufen, den sie mit niemand teilen wollen.
Dennoch muss man die Vorteile der shared economy für sich nutzen. Die Gerichtsurteile gegen Uber haben der deutschen Politik eine Atempause verschafft, mehr nicht. Wir werden lernen müssen, mit der Vermischung von Produzenten und Konsumenten umzugehen. Wir werden sie in unser Steuer- und Sozialsystem einbauen müssen. Nicht sofort, aber bald.
* Jeremy Rifkin, Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft: Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus, Frankfurt am Main: Campus Verlag, 525 Seiten, 27 Euro