Lernen von New Labour



Die SPD steckt derzeit in einer schwierigen Situation. Auf der rechten Seite hat sie es mit einem aufgekratzten Koalitionspartner zu tun, an dessen Spitze eine beliebte Kanzlerin steht. Auf der linken Seite muss die SPD dem Populismus Oskar Lafontaines und seiner PDS/Linkspartei widerstehen, die in der luxuriösen Lage ist, polemisieren zu dürfen, ohne wirkliche Verantwortung übernehmen zu müssen. Umfragen zeigen, dass die SPD zwischen diesen beiden Kräften in die Enge gerät. Die Partei muss deshalb Themen finden, die ihre bisherigen Wähler bei der Stange halten, und sie muss zugleich neue Wählergruppen ansprechen.

Dieses Ziel kommt der Quadratur des Kreises gleich. Es zu verfolgen setzt die Sozialdemokraten der Gefahr aus, ihren größten strukturellen Vorteil aus dem Blick zu verlieren: Sie regieren! Die Regierungspartei SPD kann den Wählern nämlich ein weit überzeugenderes Angebot machen als die Oppositionspartei SPD. Und weil die Große Koalition nach aller Wahrscheinlichkeit nicht über das Jahr 2009 hinaus fortgesetzt wird, ist eine der beiden Koalitionsparteien unvermeidlich spätestens in zwei Jahren nicht mehr an der Regierung.

Partei der soliden Staatsfinanzen

Wenn die SPD weiter regieren will (was im Lichte der aktuellen Demoskopie eine enorme Herausforderung bedeutet), muss sich die SPD jetzt klipp und klar als verantwortungsbewusste Regierungspartei präsentieren. Dabei kann sie von den Erfahrungen der britischen Labour Party lernen: Nachdem das britische Pfund im September 1992 spektakulär aus dem Europäischen Wechselkursmechanismus herausgefallen war, gelang es Labour, die Konservativen als Partei der Wirtschaftskompetenz auszustechen. Ganz entscheidend: Als die Labour Party 1997 wieder an die Macht kam, hielt sie von Anfang an und mit voller Absicht sehr strikte Ausgabendisziplin. Sie wollte beweisen, dass die Staatsfinanzen bei ihr in guten Händen lagen.

Diesem Beispiel sollte die SPD unbedingt folgen. In Deutschland sind die öffentlichen Finanzen die mit Abstand wichtigste mittelfristige politische Herausforderung. Aufgrund der langfristigen Struktur des Bundeshaushalts besitzt nach Lage der Dinge keine Bundesregierung, wie auch immer sie sich zusammensetzt, auf irgendeinem Gebiet nennenswerte Bewegungsfreiheit. Rund die Hälfte des Budgets wird für Rentenzuschüsse, Arbeitslose und den Schuldendienst verwandt. Hinzu kommen zahlreiche weitere Verpflichtungen, etwa auf den Gebieten Verkehr oder Verteidigung. Zusammengerechnet kann der Bund praktisch nur dann investieren, wenn er neue Schulden macht. Die Haushaltszahlen des Jahres 2007 mögen vielversprechend aussehen, aber es ist vollkommen offen, ob sich diese positive Entwicklung fortsetzen lassen wird.

Die geradezu unbekümmerte Verschwendung dauert nun schon eine beträchtliche Zeit an – scheinbar ohne negative kurzfristige Auswirkungen. Doch irgendwann muss jede Party zu Ende sein. Als mahnendes Beispiel braucht man sich nur anzusehen, wie sich gegenwärtig die britischen Immobilienpreise entwickeln, deren ständiges weiteres Steigen viele erwartet und vorausgesagt hatten. Angesichts solcher Erfahrungen hat Finanzminister Peer Steinbrück vollständig recht, wenn er das visionäre Ziel ausruft, den Bund wieder in die Lage zu versetzen, Jahr für Jahr Haushaltsüberschüsse zu erzielen. Steinbrücks Argumentation ist so einfach wie einleuchtend: Indem der Bund mehr als 40 Milliarden Euro jährlich allein für Zinsen aufbringen muss, betreibt er nicht nur den massiven Transfer von Steuermitteln an Kreditgeber (die zweifellos nicht gerade zu den „Bedürftigen“ gehören). Vielmehr beraubt sich die Regierung auch in beträchtlichem Maße der Möglichkeit, überhaupt politisch zu gestalten und gemäß ihrer politischen Prioritäten zu investieren.

Hans Eichel argumentierte ähnlich

Ganz ähnlich argumentierte übrigens Hans Eichel, als er im Jahr 1999 Finanzminister wurde – aber vier Jahre später verkündete er Schulden in Rekordhöhe. Genau deshalb muss die SPD ihren Finanzminister bei seinem Konsolidierungskurs aus vollem Herzen und mit ganzer Kraft unterstützen. Besonders die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sollte der Versuchung widerstehen, bei jeder Gelegenheit neue Ausgaben zu verlangen.

Sozialdemokraten sollten sich nicht darüber grämen, dass sie die Verantwortung für harte und unbequeme Entscheidungen zu tragen haben. Stattdessen müssen sie die Chance nutzen, neue Standards für eine seriöse Fiskalpolitik zu setzen. Entscheidend ist, dass die SPD auf diese Weise die politische Initiative zurückgewinnen könnte: Sie zwänge Union und FDP, ihrem guten Beispiel zu folgen (was beiden Parteien nicht ohne Weiteres leicht fallen würde). Und sie könnte zugleich die Pläne der anderen Oppositionsparteien immer wieder als weltfremd brandmarken.

Aus dem Englischen von Michael Miebach

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