Naiv und unbezahlbar: Finger weg vom Grundeinkommen!

zu Carsten Schneider, Arm mit Althaus, Berliner Republik 3/2007 und Reinhard Bütikofer, Adieu Grundeinkommen, Berliner Republik 4/2007

In den Heften 3/2007 und 4/2007 der Berliner Republik haben sich Carsten Schneider und Reinhard Bütikofer kritisch mit der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auseinandergesetzt. Nach dieser Vorstellung, die unter anderem der Unternehmer Götz Werner propagiert und inzwischen einen weiten Kreis missionarischer Jünger gefunden hat, soll allen Bürgern ohne Bedingung ein einheitliches Grundeinkommen gezahlt werden – gleichgültig, ob jemand kein Einkommen hat oder sehr viel verdient und unabhängig davon, ob jemand arbeitet oder nicht. Genannt werden bis zu 1.500 Euro pro Monat. Das bedingungslose Grundeinkommen erwärmt die Herzen: Seine Anhänger sind voller Emotionen; sie glauben, dass sie die Welt verbessern und Gutes tun.

Doch eine nüchterne Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass gravierende Fehlanreize zu erwarten wären, vor allem für den Faktor Arbeit. Deutschland hat bekanntlich keine Ölquellen. Arbeit hat deshalb von alters her unter den kargen Produktionsbedingungen deutscher Landstriche – der rauen schwäbischen Alb oder der Mark Brandenburg, „des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“ – eine besondere Stellung eingenommen, und die Bevölkerung hat ihre Erfahrung in Sinnsprüchen wie „Nach getaner Arbeit ist gut ruhn“ oder „Wo Arbeit das Haus bewacht, kann Armut nicht hinein“ zum Ausdruck gebracht.

Zwar haben Ausbildung, Kapital und Technologie inzwischen die Arbeitsproduktivität beachtlich gehoben, aber ein bedingungsloses Grundeinkommen würde die Motivation der Individuen schwinden lassen, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Warum abends noch Kunden beim Einkauf beraten? Warum als Lastwagenfahrer Güter transportieren? Warum sollte überhaupt noch irgendjemand arbeiten? Realistischerweise ist davon auszugehen, dass die Präferenzen der Menschen in Bezug auf Arbeit und Freizeit unterschiedlich sind. Aussteiger, die der Freizeit große Bedeutung beimessen, würden sich mit dem Grundeinkommen voll zufrieden geben und die Arbeit einstellen. Die Vermutung, bei einem bedingungslosen Grundeinkommen würden alle morgens umso fröhlicher zur Arbeit schreiten, dürfte weltfremd sein. Die Folge: Die Arbeitsmoral würde zerrüttet. Das volkswirtschaftliche Arbeitsangebot würde markant sinken, die Produktion müsste schrumpfen – eine seltsame Empfehlung für das Szenario einer alternden Gesellschaft.

Ein herrlicher Anreiz für Schwarzarbeit

Zudem blendet der Vorschlag vollständig aus, dass das Volkseinkommen Jahr für Jahr aufs Neue geschaffen werden muss. Jedes Jahr müssen Arbeit, Kapital, Energie und andere Produktionsfaktoren immer wieder zusammenwirken, damit Werte zustande kommen. Stattdessen wird so getan, als ob das Volkseinkommen wie Manna vom Himmel fällt. Dies ist eine merkwürdige Vorstellung.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre außerdem ein herrlicher Anreiz, in die Schattenwirtschaft abzuwandern. Denn wenn man schon einmal ein Grundeinkommen hat, kann man sich leicht hier und da noch etwas dazu verdienen. Die Schattenwirtschaft würde also kräftig expandieren.

Die Idee würde ferner einen immensen Anreiz zur Wohlfahrtswanderung nach Deutschland mit sich bringen. Die Zuwanderer aus Afrika nehmen schon heute unsägliche Schwierigkeiten auf sich, die Sahara zu durchqueren, um im spanischen Ceuta und Melilla die Gestade Europas zu erreichen. Das Risiko, in der Sahara sein Leben zu verlieren, erscheint gering angesichts der verlockenden Chance, sein Jahreseinkommen pro Kopf beispielweise um das 67-fache zu steigern: In Mali liegt es bei 280 Euro pro Jahr, in Spanien beträgt das jährliche Einkommen pro Kopf 18.760 Euro. Bekanntlich liegt das Pro-Kopf-Einkommen bei uns noch höher. Der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland würde also eine Völkerwanderung aus dem nicht-europäischen Ausland in Bewegung setzen.

Es wäre überdies naiv anzunehmen, das bedingungslose Grundeinkommen könne die Sozialversicherung vollständig ersetzen. Niemand würde bei schwerer Krankheit die Arzt- und Krankenhauskosten aus dem Grundeinkommen aufbringen können. Es ist daher nicht zulässig, davon auszugehen, dass das bedingungslose Grundeinkommen aus dem derzeitigen Sozialbudget von etwa 700 Milliarden Euro zu finanzieren wäre.

Völlig perplex war ich, als ich zum ersten Mal den Rechenstift bemühte, um herauszufinden, was ein bedingungsloses Grundeinkommen kosten würde. Beim anvisierten Betrag von monatlich 1.500 Euro für jedermann und damit jährlich 18.000 Euro würde sich das unbedingte Grundeinkommen für 82,5 Millionen Deutsche auf 1.500 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Unser Volkseinkommen liegt jedoch nur bei 1.700 Milliarden Euro. Nahezu das gesamte Volkseinkommen würde also als bedingungsloses Grundeinkommen verteilt, ohne dass die Menschen überhaupt dafür arbeiten würden. Nahezu nichts bliebe übrig, um denjenigen etwas zu zahlen, die tatsächlich noch zur Arbeit gingen. Und es wäre auch nichts mehr da, um den Produktionsfaktor Kapital mit Zinsen, Dividenden und Gewinn zu bedienen. Das Kapital würde schnell das Land verlassen, und die Arbeitnehmer wären schlechter mit Kapital und Technologie ausgestattet.

Das Fazit lautet: Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine unmögliche Idee. Die Politik ist gut beraten, die Finger davon zu lassen.

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