Reform des Betriebsverfassungsgesetzes

Eckpunkte einer notwendigen Novelle

Wir haben in Deutschland ein sehr ordentliches Betriebsverfassungsgesetz. Die Betriebsverfassung ist ein Standortvorteil: Das Co-Management zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung hilft Friktionen zu beseitigen, Probleme rechtzeitig zu erkennen und die Beschäftigten in die Zukunftspläne des Unternehmens einzubinden. Unsere Aufgabe wird sein, das Gesetz an die veränderte Betriebs- und Unternehmenswirklichkeit seit der letzten Reform im Jahr 1972 anzupassen.

Die Betriebsverfassungsreform muss leisten, dass die Betriebsräte mit den gewandelten Rahmenbedingungen und veränderten Unternehmensstrukturen zurechtkommen. Es sind Voraussetzungen zu schaffen, um eine Zunahme der Gründung von Betriebsräten zu fördern. Der zahlenmäßige Rückgang von Betriebsräten steht in engem Zusammenhang mit neuen Konzernstrukturen. Outsourcing bzw. die Schaffung von selbständigen Unternehmenseinheiten in eigenständigen Rechtsformen bedeuten eine massive Veränderung in der Unternehmenskultur. Waren diese kleineren Einheiten ursprünglich in den Rahmen eines einheitlichen Unternehmens eingefügt, agieren sie jetzt flexibler und unabhängiger. Die Reform muss es den Betriebsräten ermöglichen, flächendeckend in den Unternehmen tätig sein zu können. Bei Ausgliederung von Unternehmensteilen soll der Betriebsrat zuständig bleiben und ein Übergangsmandat erhalten. In Anlehnung an das Umwandlungsgesetz wird darum ein Mandat für Betriebsräte zu schaffen sein, das einer schleichenden Entmachtung durch Umstrukturierungsmaßnahmen entgegenwirkt. Ein einheitlicher Betrieb aus mehreren Unternehmen muss auf gesetzlicher Grundlage einen gemeinsamen Betriebsrat haben können.

Die Möglichkeiten, die Paragraph 3 BetrVG bietet, sollen ausgeweitet werden. Derzeit kann im Rahmen eines Unternehmens eine abweichende Organisation des Betriebsrates oder der Betriebsräte in einem Unternehmen vereinbart werden. Die Unternehmensgrenze kann aber bisher nicht überschritten werden. Dies soll nach der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes möglich sein.

Ebenfalls von Bedeutung erscheint eine Regelung, wonach in Unternehmen auch dann ein Betriebsrat gebildet werden kann, wenn an einzelnen Standorten die Größenordnung für die Bildung eines Betriebsrats nicht erreicht wird. So kann dann für einen großen Filialbetrieb mit vielen Dienstleistungsfilialen ein einheitlicher Betriebsrat gewählt werden. Auch selbständige Betriebsteile sollen bei der Wahl zusammengefasst werden können.

Der Bildungsprozess von Betriebsräten stößt bisher auf viele bürokratische Hürden. Somit muss ein Ziel der Reform sein, die lange Zeit zwischen der Idee einer Betriebsratsbildung und der tatsächlichen Installation eines Betriebsrates zu verkürzen. In diesem Zusammenhang muss auch der Kündigungsschutz der Initiatoren von Betriebsratswahlen verbessert werden.

Die Zusammenarbeit von Betriebsräten muss einfacher werden und sollte ausgebaut werden, zum Beispiel in Form von Zusammenschlüssen in Arbeitsgemeinschaften. Auch soll auf dem Werksgelände zum Beispiel einer "atmenden" Fabrik ein gemeinsamer "Betriebsrat", eine Betriebsrätegemeinschaft, gebildet werden können. Ähnliches ist für ein Einkaufszentrum vorstellbar.

Bestimmte Beschäftigtengruppen werden nicht mehr ohne weiteres von der Betriebsverfassung erfasst. Hier geht es darum, dass gesetzlich klargestellt wird, dass LeiharbeitnehmerInnen, TelearbeitnehmerInnen unter die Betriebsverfassung fallen. Selbständige und Werkvertragsunternehmen können natürlich nicht einbezogen werden. Wegen zunehmender Gesetzesumgehung, durch Qualifizierung abhängig Beschäftigter als Subunternehmer oder Qualifizierung des Leiharbeitsverhältnisses als Arbeit eines Werkvertragsunternehmers, muss gewährleistet werden, dass der Betriebsrat Einsicht in die Vertragsunterlagen und Auskunftsrechte erhält.

Die Unterscheidung in ArbeiterInnen und Angestellte ist sicher überholt. Wir sollten uns trauen, das zu ändern.

Zu einer Reform gehört auch, die Arbeitsbedingungen der Betriebsräte zu verbessern. Es könnten beispielsweise Beschäftigte zu Arbeitsgruppen des Betriebsrates als Berater bzw. Experten mit herangezogen werden, auch wenn sie nicht Betriebsratsmitglieder sind. Es bedarf einer Verbesserung der Möglichkeit, Sachverständige durch den Betriebsrat beauftragen zu lassen. Der Betriebsrat sollte auch die Möglichkeit haben, Teile seiner Rechte (widerrufbar) auf Arbeitsgruppen der Beschäftigten zu delegieren. Wenn die Unternehmen ihre Entscheidungen dezentralisieren, müssen die Betriebsräte das auch können. Natürlich gehören auch die Arbeitsmittel der Betriebsräte zu den Dingen, die verbesserungswürdig sind. Computer und andere Kommunikationsmöglichkeiten müssen den Betriebsräten zur Seite stehen.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Reform wird sein, dafür zu sorgen, dass die Betriebsräte auch in Zukunft zur deutschen Wirtschaft gehören. In einer globalisierten Welt und einem Umfeld beschleunigter wirtschaftlicher Restrukturierungsprozesse müssen die Betriebsräte genauso flexibel sein können, wie der wirtschaftliche Wandel es erfordert. Daneben muss es aber ebenso darum gehen, dass auch materiell die Arbeit der Betriebsräte ausreichend unterstützt wird.

Die Betriebsräte sollen mehr Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft erhalten. Das betrifft die Bereiche der Personalplanung, der Auswahlrichtlinien und der Einstellungen. Es wäre hilfreich, wenn die Möglichkeiten, die sich für Auswahlrichtlinien nach Paragraph 95 BetrVG ergeben, inhaltlich erweitert würden und wenn die Hürde von 1000 Beschäftigten als Voraussetzung für eine erzwingbare Mitbestimmung des Betriebsrates deutlich reduziert würde. Dies würde erlauben, dass in jedem Betrieb Vereinbarungen getroffen werden können, die auch solche Fragen mit betreffen. Die Folge wäre damit auch, dass ein Betriebsrat unter Bezugnahme auf eine solche Auswahlrichtlinie der Einstellung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin entgegentreten kann. Dies gilt gleichsam im Falle einer Entlassung eines Beschäftigten, wenn die Voraussetzungen dieser Auswahlrichtlinie nicht erfüllt sind.

Erweiterte Kompetenzen der Betriebsräte bei der Personalplanung und den Auswahlrichtlinien können auch die Grundlage für gezielte Frauenförderung im Betrieb sein. Weiter von Bedeutung ist die Qualifizierung von Beschäftigten. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates sollte bei betrieblicher Weiterbildung zu einem Initiativrecht ausgebaut werden.

Ein weiteres zentrales Thema der Reform im materiellen Bereich der Betriebsverfassung ist die Frage der Beschäftigungssicherung. Es sollte im Rahmen der erzwingbaren Regelungen eines Sozialplans ermöglicht werden, alles durchzusetzen, was sozialrechtlich im Arbeitsförderungsrecht möglich ist. Das können zum Beispiel Outplacement-Konzepte, Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses und daran anschließende Beschäftigungsgesellschaften und betriebsorganisatorische Einheiten sein. Die Frage der Zukunft der zur Entlassung anstehenden Beschäftigten in Sozialpläne mit einzubeziehen, wäre eine wirkliche Modernisierung.

Die aufgezeigten Aspekte umreißen einen Rahmen, in dem sich die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes bewegen sollte. Dann wird es eine gute Reform.

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