Vom schönen Schein des Schwarz und Weiß

Der Politkritiker Hans Herbert von Arnim verhaftet die üblichen Verdächtigen

Wen sehen wir im Fernsehen, wenn der Wind heftiger weht als gewöhnlich? Richtig: die Klimaforscher, die uns erläutern, ob dies schon ein "Anzeichen für den globalen Wandel" ist.

Wen sehen wir, wenn es wieder einmal einen Politikskandal zu betrachten gibt? Genau: Hans Herbert von Arnim, der uns erklärt, warum alles noch schlimmer ist, als wir ohnehin schon annahmen. Und wie es der Zufall will, hat er auch gerade sein allerneuestes Buch fertig. Mit einem Titel voll feiner Ironie - "Vom schönen Schein der Demokratie" - preist es der Verlag als die Antwort auf den Spendensumpf an.

Die Finanzen der Parteien, sonst durchaus Standardthema von Arnims, kommen in diesem Buch allerdings gar nicht vor. Hier wäre der Leser mit einem der zahlreichen früheren Werke des Autors wohl besser bedient.

Vielmehr geht es um die Defizite des deutschen Föderalismus und um direkte Demokratie als Mittel größeren Bürgereinflusses auf politische Entscheidungen. Das sind keine sonderlich originellen Themen. Die Verkrustungen des deutschen Föderalismus sind derzeit geradezu ein Modethema und über direkte Demokratie wurde die ganzen neunziger Jahre über gestritten.

So bietet das Buch vor allem Gelegenheit, sich mit von Arnims spezifischer Art der Argumentation auseinander zu setzen. Da ist von Arnims Art der politischen Analyse nach dem Muster: "Der öffentliche Dienst gerät insgesamt immer mehr in den Sog der politischen Klasse." Oder: "Wir wissen inzwischen, dass die Bürger fast nichts zu sagen haben, die Politik weitgehend handlungsunfähig ist."

Von Arnims Text ist durchsetzt mit solchen Behauptungen, deren Richtigkeit nicht weiter belegt oder gar begründet wird. Der Jurist von Arnim betreibt freie Meinungsschöpfung statt empirischer Sozialwissenschaft.

Dies gilt auch für seine These, die Eigeninteressen der politischen Klasse seien Ursache für alle Blockaden des bundesdeutschen Föderalismus. Dass diese Interessen einer Neugliederung des Bundesgebiets entgegenstehen, will man dabei noch am ehesten glauben. Niemand sägt gern am eigenen Ast. Aber sind es wirklich nur die persönlichen Interessen einiger Dutzend Berufspolitiker, die hier den Ausschlag geben?

Ist es, nur zum Beispiel, nicht durchaus möglich, dass die Bauern aus Nordfriesland und Angeln ihre Belange in einem schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium besser aufgehoben sehen, als in der Unterabteilung Landwirtschaft und Kleingartenwesen einer Hamburger "Nordstaat"-Behörde? Gibt es nicht viele solcher Interessen und Widerstände?

Auf solche Debatten lässt von Arnim sich nicht ein. Die üblichen Verdächtigen werden verhaftet. Die Berufspolitiker sind schuld, wenn nur das Volk zu bestimmen hätte, sehe es anders aus. Festzuhalten ist: Der einzige ernsthafte Versuch einer Länderneugliederung im wiedervereinigten Deutschland war 1996 die angestrebte Fusion von Berlin und Brandenburg. Sie wurde betrieben von den Regierungen. Gescheitert ist sie am Volksentscheid in Brandenburg. Soviel zu von Arnims Beweisführung und der harten Welt der Empirie.

Von Arnim behauptet, die staatsrechtliche Theorie der repräsentativen Demokratie setze eine Gemeinwohlorientierung der Amtsträger voraus, um diese dann als in Wirklichkeit nicht gegeben zu entlarven.

Ein deutsches Missverständnis: Seit alliierte Besatzungsoffiziere den (West-) Deutschen die Demokratie als Alternative zur Nazibarbarei beibrachten, gibt es hier die Vorstellung, dies sei dann wohl die Regierungsform der besseren Menschen. Mit der Konsequenz, dass jedes aufgedeckte Fehlverhalten politisch Verantwortlicher dazu führt, dass die nun scheinbar demaskierte Demokratie in Zweifel gezogen wird.

Natürlich verpflichtet die Verfassung die Amtsträger auf das Gemeinwohl - auf was denn sonst. Aber von Arnims Behauptung, unsere Staatsordnung baue auf einem naiven Glauben an die Gemeinwohlorientierung der Politiker auf, ist schlicht absurd.

Wozu dienen denn die Kontrollrechte des Parlaments, die Rechte der parlamentarischen Opposition einschließlich des bei Skandalen immer wieder wichtigen Rechts auf Einberufung eines Untersuchungsausschusses? Wozu dienen Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz, wenn nicht zur Begrenzung politischer Macht und der Bekämpfung ihres Missbrauchs?

Wenn von Arnim Plebiszite als Mittel zur Beschränkung der Macht der Berufspolitiker preist, bewegt er sich mit dem Zug der Zeit. Tatsächlich haben ja in den letzten Jahren plebiszitäre Elemente Einzug in Landesverfassungen gehalten. Und auch die von ihm geforderte Direktwahl von Amtsträgern ist dabei, sich durchzusetzen. Direktwahl von Oberbürgermeistern und Landräten, vor zehn Jahren noch die Ausnahme, ist heute in Deutschland die Regel.

Aber schützt dies wirklich dauerhaft vor Skandalen, vor Machtmissbrauch und Eigeninteressen der politischen Klasse, wie von Arnim annimmt?

In Amerika, wo Amtsträger direkt gewählt werden, hat gerade der Senator McCain eine spektakuläre Vorwahlkampfkampagne für das Präsidentenamt durchgeführt. Sein Thema: Die Wahlkampffinanzierung und die Verteilung von Steuergeschenken an spendenfreudige Interessengruppen. Seitdem fragt sich auch Amerikas Öffentlichkeit ob jemand wie George Bush jr., dessen Wahlkampagne 70 Millionen Dollar kostet, nicht unabsehbare Verpflichtungen eingeht.

Ein Patentrezept, mit dem alles, was uns heute an unserem politischen System stört, der Vergangenheit angehört, bieten direkte Formen der Demokratie nicht. Richtig ist wohl eher, dass jede Form der Demokratie - ob parlamentarisch oder präsidentiell, plebiszitär oder repräsentativ - mit spezifischen Stärken und Schwächen versehen ist. Hier ist die Wirklichkeit komplizierter als Deutschlands erfolgreichster Politikkritiker es wahrhaben möchte.



Hans Herbert von Arnim: Vom schönen Schein der Demokratie,
Droemer-Verlag, München 2000

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