Vorsorge statt teure Reparaturen

Klimaschutz kostet Geld, doch noch viel kostspieliger wird Nichthandeln - Hurrikan Katrina hat es belegt. Nötig ist eine Doppelstrategie: Wir müssen den Ausstoß der Treibhausgase forciert begrenzen und uns zugleich dem Klimawandel anpassen

Überschwemmungen in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz, brennende Wälder in Portugal und ein zerstörerischer Hurrikan „Katrina“ im Süden der USA – die Bilanz der Naturkatastrophen in den vergangenen Sommermonaten ist verheerend. Hunderte von Menschen starben, Hunderttausende wurden obdachlos und ihrer Existenz beraubt. Die volkswirtschaftlichen Schäden lassen sich noch nicht genau beziffern, liegen aber vermutlich im mehrstelligen Milliardenbereich. Auch die Pflanzen- und Tierwelt hat langfristige Schäden erlitten.

Immer häufiger beobachten wir längere Hitzeperioden, stärkere Regenfälle und zerstörerische Stürme. Nach Ansicht der meisten Klimaforscher sind dies klare Indizien: Der Klimawandel findet bereits statt – weltweit, in Europa und auch in Deutschland. Allein die Stürme und Überschwemmungen haben sich im vergangenen Jahrzehnt gegenüber den sechziger Jahren weltweit verdoppelt bis verdreifacht, die volkswirtschaftlichen Schäden versechsfachten sich sogar. Künftig ist mit langfristigen Veränderungen unserer Atmosphäre zu rechnen sowie mit Nachteilen für unsere Ökosysteme. Davon betroffen sind etwa die Land- und Forstwirtschaft, die Trinkwasserversorgung und die biologische Vielfalt.

Mehr als die üblichen Horrorszenarien?

Nun mag man denken, die Befürchtungen der Klimaforscher und Umweltschützer seien die üblichen Horrorszenarien. Etwas anderes sei aus der Öko-Ecke nicht zu erwarten. Losgelöst von grundsätzlichen Debatten darüber, ob und wie stark der Mensch am Klimawandel schuld sei, sollten wir das Phänomen Klimawandel nüchtern betrachten. Und das heißt auch, die ökonomische Seite in den Blick zu nehmen. Tut man dies, mutet es geradezu anachronistisch an, wenn einige Akteure aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik behaupten, Klima- und Umweltschutz seien ein Bremsklotz für Wachstum und Beschäftigung. Vielmehr lehren uns die Ereignisse des vergangenen Sommers: Wir müssen uns dem Klimawandel anpassen und gleichzeitig den Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan senken. Aktiver Klimaschutz ist eine ökonomische Notwendigkeit und ein Gebot der Stunde. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht anhand integrierter Modellrechnungen davon aus, dass bei ungebremsten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2100 global volkswirtschaftliche Schäden in einer Höhe von bis zu 20 Billionen US-Dollar jährlich zu erwarten sind.1 Das wären etwa vier bis acht Prozent der für diesen Zeitraum erwarteten Weltwirtschaftsleistung. Begänne man dagegen bereits heute mit aktivem und anspruchsvollem Klimaschutz, so ließen sich diese Schäden um mehr als die Hälfte (12 Billionen US-Dollar) verringern. Ein anspruchsvoller Klimaschutz sollte das Ziel verfolgen, die Erhöhung der globalen Temperatur auf maximal 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Denn eine Erhöhung der globalen Mitteltemperatur um mehr als 2 Grad Celsius wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu ernsthaften ökologischen und volkswirtschaftlichen Schäden führen.

Um die Risiken zu verdeutlichen, die Wetterextreme mit sich bringen, rufe man sich zum Beispiel das Elbe-Hochwasser im August 2002 und den Hitzesommer über Mitteleuropa 2003 ins Gedächtnis. Dieser kostete vor zwei Jahren in Deutschland – nach Schätzungen – etwa 7.000 Menschen das Leben. Dies sind mehr Personen, als jährlich durch Verkehrsunfälle sterben.2 Die gesamtwirtschaftlichen Schäden des Elbe-Hochwassers für Deutschland lagen bei 9,4 Milliarden Euro.3 In diesem Jahr verursachten Überschwemmungen an Elbe, Moldau, Donau und ihren Nebenflüssen europaweite volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von 18,5 Milliarden Euro.

Feuchtere Winter, heißere Sommer

Sicher, niemand kann das nächste Hochwasser vorhersagen, aber wir können Vorsorge dafür treffen, dass künftige extreme Wetterereignisse in ihrer schädigenden Wirkung abgeschwächt werden. Wir müssen den Blick schärfen für bestehende und künftige Risiken der regionalen Klimaentwicklung. Vor allem Ostdeutschland, der Oberrheingraben und die Alpen sind durch die Klimaveränderungen gefährdet, wie neue Studien im Auftrag des Umweltbundesamtes belegen.4 Demnach müssen wir uns künftig auf zunehmend wärmere, feuchtere Winter und heißere, trockenere Sommer einstellen. Die größten Gefahren drohen Deutschland indes durch Hochwasser – an der Küste durch Sturmfluten und den steigenden Meeresspiegel, an den Flüssen durch starke Regenfälle. Dagegen helfen Überschwemmungsflächen, der Verzicht auf die Besiedlung flussnaher Gebiete und höhere Deiche. Mit dem Hochwasserschutzgesetz, das am 10. Mai 2005 in Kraft getreten ist, wurde die Grundlage für einen zeitgemäßen Hochwasserschutz gelegt. Dieses Gesetz gilt es nun konsequent und zügig in die Tat umzusetzen. Die Bundesländer sind verpflichtet, innerhalb der nächsten vier Jahre Hochwasserschutzpläne aufzustellen, die ganze Flussgebiete umfassen und Maßnahmen wie die Rückverlegung von Deichen und die Wiederherstellung der Auen enthalten.

Der Schutz des Klimas ist eine der größten Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in diesem noch jungen Jahrhundert – und eine globale Aufgabe. Deshalb muss der internationale Klimaschutz nicht nur auf Trab bleiben, sondern seine Schrittfrequenz erhöhen. Stagnation wäre Rückschritt. Die positiven Signale in Sachen Klimaschutz aus Großbritannien und den USA lassen in diese Richtung hoffen. Die wichtigste Aufgabe dabei ist, die derzeitigen Treibhausgasemissionen deutlich zu mindern. Die Industriestaaten, also auch Deutschland, stehen mittelfristig wegen ihrer historisch begründeten höheren Treibhausgasemissionen und ihrer größeren Wirtschaftskraft in besonderer Verantwortung. Sie sind deshalb verpflichtet, weiterhin einen höheren Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen zu leisten und diese bis 2050 schrittweise um 80 Prozent verringern.

Das Kyoto-Protokoll war nur ein Anfang

Die Völkergemeinschaft hat 1992 den ersten Schritt in diese Richtung getan und sich mit der Klimarahmenkonvention zu gemeinsamen Anstrengungen verpflichtet. Mit dem Kyoto-Protokoll, das am 16. Februar 2005 in Kraft trat, verpflichten sich die Industriestaaten zu konkreten Emissionsminderungen. Angesichts der weltweit im Zeitraum von 1990 bis 2003 um 19 Prozent gestiegenen Kohlendioxidemissionen ist es notwendig, das Kyoto-Protokoll und die globalen Emissionsminderungsverpflichtungen auch über das Jahr 2012 hinaus fortzuschreiben. Um das langfristige Ziel der Klimarahmenkonvention zu erreichen, müssen die globalen Emissionen spätestens ab 2020 sinken. Hieran müssen sich langfristig alle Länder beteiligen. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben dies im März 2005 in ihren Schlussfolgerungen zum Ausdruck gebracht und die Industriestaaten aufgefordert, Emissionsminderungsziele in der Größenordnung von 15 bis 30 Prozent bis 2020 zu erwägen, wobei das Umweltbundesamt eine Minderung von über 30 Prozent für erforderlich hält.

Bei dieser globalen Herausforderung müssen die USA als gegenwärtig größter Emittent von Treibhausgasen einbezogen werden, ebenso die wichtigsten Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Dabei ist es wichtig, die unterschiedlichen Bedingungen in den beteiligten Ländern angemessen zu berücksichtigen und Gerechtigkeitsaspekte wie Verursacherprinzip, Leistungsfähigkeitsprinzip und die Entwicklungsprioritäten zu berücksichtigen. Das Umweltbundesamt schlägt deshalb vor, die Entwicklungsländer binnen der nächsten zwei Jahrzehnte mit abgestuften Verpflichtungen in den Klimaschutz einzubeziehen. Langfristiges Ziel sollte es sein, die Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts auf ein Niveau unterhalb von zwei Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten pro Kopf zu senken.

Warum zusätzliche Maßnahmen nötig sind

Klimaschutz erfordert eine Doppelstrategie: Wir müssen den Ausstoß der Treibhausgase weiterhin forciert begrenzen und uns gleichzeitig an den Klimawandel anpassen. Nur so können wir gravierende Schäden von Ökosystemen, Nahrungsmittelproduktion und wirtschaftlicher Entwicklung fernhalten. Das im Juli 2005 vom Bundeskabinett beschlossene Klimaschutzprogramm 2005 nennt Ziele und Schritte für die künftige Klimaschutzpolitik in Deutschland, speziell für einzelne Sektoren wie Verkehr und Energie. Ohne zusätzliche Maßnahmen wird Deutschland die Klimaschutzziele bis 2010 nicht erreichen. Die aktuelle Prognose der Treibhausgasemissionen verdeutlicht zwar den Erfolg der bisherigen klimaschutzpolitischen Maßnahmen hierzulande. Die Ziele des Kyoto-Protokolls erreichen sie jedoch nicht – und bei weitem nicht die in der Koalitionsvereinbarung von 2002 vorgesehene Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990. Die Emissionsminderungspotenziale sind auszuschöpfen, besonders die Potenziale der nicht vom Emissionshandel erfassten Sektoren. Hierzu gehören besonders auch die nicht energiebedingten Treibhausgase (Distickstoffoxid, Methan, fluorierte Treibhausgase).

Die Zukunft des Emissionshandels

Einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet dabei auch der Emissionshandel. Er kann das zentrale Instrument für den Klimaschutz werden. Im Jahr 2005 hat der Emissionshandel auf EU-Ebene begonnen. Die Europäische Union und Deutschland sollten ihn weiter entwickeln, indem sie anspruchsvolle Ziele für die folgenden Handelsperioden festlegen, die nationalen Regelungen zur Umsetzung des Emissionshandels harmonisieren, alle großen Emittenten in den Emissionshandel einbeziehen, die Anlagen mit geringfügigen Emissionen aus dem Emissionshandel herausnehmen sowie den administrativen und verfahrenstechnischen Aufwand weiter reduzieren. Die Verknüpfung des europäischen Emissionshandelssystems mit den projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls muss in den Mitgliedsstaaten klimaschutzpolitisch anspruchsvoll verwirklicht werden, so wie dies in Deutschland mit dem Projekt-Mechanismen-Gesetz geschehen wird. Künftig können sich deutsche Investoren Einsparungen von Treibhausgasen, die aus zertifizierten Auslandsprojekten stammen, auf eigene Reduktionsverpflichtungen im Emissionshandel anrechnen lassen. Die Einführung eines Emissionshandels kommt auch für vom Kyoto-Regime bisher nicht erfasste Sektoren wie den internationalen Flug- und Schiffsverkehr in Betracht.

In Deutschland haben wir gute Möglichkeiten, den Klimaschutz auch zum wirtschaftlichen Vorteil voranzubringen. Vor allem müssen und können wir Energie effizienter nutzen und einsparen. Anspruchsvoller Klimaschutz lohnt sich zudem nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaftskraft: Modernisieren wir unsere Gebäude mit dem Ziel rationellen Energieeinsatzes, entstehen mehr Wertschöpfung im Handwerk und zusätzliche Arbeitsplätze. Das Wissen und Können Deutschlands in der Energiespartechnik und den erneuerbaren Energien ist ein Vorteil auf dem Weltmarkt. Diese Chance sollte Deutschland noch besser nutzen.

Die Eigenheimzulage gehört abgeschafft

Studien des Umweltbundesamtes ergeben, dass wir unseren Primärenergieverbrauch – also den Verbrauch von Kohle, Erdöl und Erdgas – bis 2050 auf die Hälfte verringern müssen.5 Dazu ist neben Effizienzverbesserungen bei der Energieumwandlung auch ein sinkender Endenergieverbrauch notwendig. Allein eine energetische Altbausanierung kann zum Beispiel fünf bis sieben Prozent der deutschen Kohlendioxid-Emissionen einsparen. Das Steigern der Energieeffizienz – einschließlich vermiedenen Leerlaufstromverbrauchs – kann den Stromverbrauch in Deutschland um mehr als 4 Prozent senken. Der Ausbau der erneuerbaren Energien darf nicht nachlassen – vor allem bei Wind, Solarenergie, Geothermie und Biomasse. Um die ökonomischen Anreize zum Energiesparen der Unternehmen, der privaten Haushalte und des Verkehrs ausgewogener zu gestalten, müssen die Steuern auf den Energieverbrauch stärker an klaren, umweltbezogenen Kriterien ausgerichtet werden. Auch eine umweltschutzgerechte Subventionspolitik ist wichtig. Kurzfristig ist es hierzu unter anderem erforderlich, Kerosin für Flugzeuge möglichst international zu besteuern, die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale abzuschaffen sowie die Ausnahmen für die Industrie und Land- und Forstwirtschaft bei der Strom- und Mineralölsteuer weiter zu reduzieren.

Dem Verkehrssektor gebührt besondere Aufmerksamkeit. Im Vergleich zu den vergangenen 60 Jahren sanken seit der Jahrtausendwende erstmals die Kohlendioxid-Emissionen des Straßenverkehrs. Dennoch steigen die Treibhausgasemissionen des Verkehrs insgesamt weiter. Vielfältige Maßnahmen und Instrumente könnten die Kohlendioxid-Emissionen des Verkehrssektors deutlich vermindern. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen unter anderem der Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge gesenkt, klimaschonendes Fahrverhalten unterstützt, umweltverträglichere Verkehrsträger gestärkt, der Einsatz klima- und umweltschonender Treibstoffe gefördert sowie das Verkehrswachstum und die Klimawirkungen des Flugverkehrs begrenzt werden. Klimaschutz kostet Geld, doch die Erfahrung lehrt uns: Die Kosten des Nichthandelns werden weitaus höher liegen. Nicht nur die umweltpolitische Vorsorge, sondern auch – und gerade – die wirtschaftliche Vernunft sagt uns: Reparaturen kommen uns später teurer als die Vorsorge, die wir heute betreiben.

Anmerkungen

1 Claudia Kemfert, Weltweiter Klimaschutz: Sofortiges Handeln spart hohe Kosten, Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/13/2005, S. 290-215. Die Angaben werden hier in US-Dollar in Preisen von 2002 gemacht. Endes des Jahres 2002 lag der Euro-Kurs bei rund 1,05 US-Dollar, so dass die Angaben der Studie von der Größenordnung her auch als Euro-Beträge gelesen werden können.
2 Im Jahr 2003 kamen 6.613 Personen bei Verkehrsunfällen ums Leben. In: C. Koppe und G. Jendritzky, Auswirkungen der Hitzewelle auf die Mortalität in Baden-Württemberg, Sozialministerium Baden-Württemberg, Stuttgart 2004.
3 Münchner Rück: Jahresrückblick Naturkatastrophen 2002, München 2003.
4 Die Studien „Berechnung der Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Extremereignissen durch Klimaänderungen – Schwerpunkt Deutschland“ des Instituts für Atmosphäre und Umwelt der Universität Frankfurt am Main und „Klimawandel in Deutschland – Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimaintensiver Systeme“ des Potsdam Instituts für Klimafolgen stehen als Download unter http://www.umweltbundesamt.de/klimaschutz/index.htm bereit.
5 Umweltbundesamt: Langfristszenarien für eine nachhaltige Energienutzung in Deutschland, Berlin 2002.

 

 

 

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