Wir brauchen einen neuen Jobgipfel



Jetzt ist es amtlich: Diese Rezession ist tiefer als je zuvor. Im ersten Vierteljahr 2009 sank das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal um 3,8 Prozent. Einen derart heftigen Einbruch hat es in Deutschland nicht gegeben, seit die Messung im Jahr 1970 eingeführt wurde. Im EU-Durchschnitt beträgt er lediglich 2,5 Prozent. Selbst Länder wie Großbritannien oder die Vereinigten Staaten, in denen die Finanzmärkte eine viel größere Rolle spielen, haben eine bessere Wirtschaftsbilanz. Der Einbruch der Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten wirkt stärker als der Einbruch der Finanzmärkte.

Mittlerweile macht sich die Rezession auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der offenen Stellen um 100.000 gesunken und die Zahl der Arbeitslosen um 71.000 gestiegen. Dabei verdeckt das Instrument der Kurzarbeit die wahre Lage am Arbeitsmarkt: Allein im ersten Quartal 2009 wurden 1,66 Millionen Beschäftigte zur Kurzarbeit angemeldet, rund eine Million mehr als im gesamten Jahr 2008. Es ist der Kurzarbeit zu verdanken, dass in Deutschland noch keine Panikstimmung ausgebrochen ist und "soziale Unruhen" bislang nur in politischen Reden vorkommen.

Natürlich ist es sinnvoll, Unternehmen in dramatischen Krisensituationen Atempausen zu verschaffen und Entlassungen zu vermeiden. So bleiben wichtiges Wissen und Erfahrung erhalten und die Belegschaft kann sich einigermaßen sicher fühlen. Die Kurzarbeit wirkt wie ein eigenes kleines Konjunkturprogramm, das die Nachfrage stabilisiert und Vertrauen schafft.

Jedoch wird sie zum Problem, wenn sie Stabilität suggeriert, wo keine zu erwarten ist. Selbst wenn die ausländische Nachfrage nach deutschen Automobilen wieder anspringt, wird die Rezession den Strukturwandel der deutschen Wirtschaft weiter forcieren. Nicht jedes Unternehmen kann die Krise überleben und nicht jeder Standort erhalten bleiben. Wie schon nach der Rezession Anfang der neunziger Jahre wird auch auf die Finanzkrise eine Welle von Standortvereinbarungen, Umstrukturierungen, Kostensenkungsprogrammen und Personalabbau folgen. Im Ergebnis sinkt die Zahl der Industriebeschäftigten weiter; neue Arbeitsplätze entstehen in anderen Bereichen.

Wandel ermöglichen " darauf kommt es an

Die Deutschen tun sich mit dem Strukturwandel traditionell schwerer als andere. Erinnern wir uns nur an die Verlagerung des Nokia-Werks von Bochum nach Rumänien. Sie führte zu heftigen Protesten, obwohl alle Beteiligten die Maßnahme schon lange kommen sehen hatten. Zum Vergleich: Als die schwedische Regierung die staatliche Übernahme von Saab ablehnte, unterstützte die Mehrheit der Gewerkschaftsfunktionäre diese Haltung!

Aus diesen Gründen muss die Verlängerung der Kurzarbeit eine zeitlich befristete Maßnahme bleiben. Anstatt Arbeitsplätze mittels Beschäftigungsgarantien und Bürgschaften dauerhaft zu konservieren, sollte die Politik stärker auf Instrumente setzen, die Übergänge ermöglichen. Gemeinsam mit Unternehmen und Gewerkschaften aller Branchen sollte sie Ideen für die Anschlussbeschäftigung entwickeln.

Noch immer sind die Bedingungen zur Bereitstellung hochwertiger Dienstleistungen vergleichsweise ungünstig: Die Lohnnebenkosten sind hoch und Bildung sowie soziale Dienstleistungen unterfinanziert. Noch immer sind wir eher bereit, Milliarden in die Steinkohle oder die Abwrackprämie zu investieren, als Kindergärten und Hochschulen adäquat auszustatten. Ein neuer Jobgipfel tut Not " nicht um alle bestehenden Arbeitsplätze zu erhalten, sondern um den Wandel zu ermöglichen.

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