Wo die Steuerfinanzierung sinnvoll ist

In Deutschland werden die Chancen steuerfinanzierter sozialer Sicherung überschätzt - und zugleich deren Gefahren überzeichnet. Was tun? Richtig wäre es, die Leistungen der Krankenversicherung für Kinder und Familien aus Steuern zu finanzieren

Es ist unvermeidlich und auch gut so, dass die Große Koalition ein Thema ernsthaft auf die Tagesordnung nehmen muss, das jahrzehntelang ohne Ergebnis diskutiert wurde: einen höheren Anteil der Steuerfinanzierung in der sozialen Sicherung. Denn ein Kompromiss zwischen der „Bürgerversicherung“ der SPD und der „Kopfprämie“ der CDU ist eigentlich nur zu finden, wenn eine umfassende „Bürgerprämie“ mit einem steuerfinanzierten sozialen Ausgleich eingeführt wird oder – wie zuletzt von Karl Lauterbach und Bert Rürup ins Spiel gebracht – diejenigen Leistungen der Krankenkassen steuerfinanziert werden, die Kindern beziehungsweise Familien zugute kommen. Auch dann sinken – wie bei der Bürgerprämie – die Lohnnebenkosten und trotzdem wird die solidarische Beitragsfinanzierung nicht aufgegeben. Die unvermeidliche Suche nach einem Kompromiss für die Finanzierungsreform der Krankenversicherung könnte sogar eine zielführende große „Umbaudiskussion“ auslösen, die – wie am Ende dieses Beitrags gezeigt wird – auch im Bildungswesen weiterführen könnte.

In Deutschland gibt es seit Jahrzehnten immer wieder erfolglose Vorschläge für eine stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme, besonders der Alterssicherung und der Pflege. Manchmal kamen solche Vorschläge auch im Gewand einer „Maschinensteuer“ daher. Keine dieser Ideen konnte sich je durchsetzen – aus guten Gründen. Gleichwohl ist die Idee einer stärkeren Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen heute aktueller denn je. Für eine höhere Steuerfinanzierung kommt in erster Linie die ergiebige Mehrwertsteuer in Frage (eine „Wertschöpfungsabgabe“ ist nur ein anderer Name), aber man sollte auch die Einkommenssteuer nicht als Quelle vergessen.

Um eine „Umfinanzierung“ der sozialen Sicherung in großem Stil durchführen zu können, müssen freilich bislang kaum diskutierte polit-ökonomische Probleme gelöst werden. Die traditionelle deutsche Diskussion entlang „versicherungsfremder Leistungen“ der sozialen Sicherung, die Kandidaten für eine Steuerfinanzierung seien, hilft dabei kaum weiter. Im Gegenteil: Dieser Diskussionsstrang führte immer wieder in eine Sackgasse.

Was Linke und Liberale unterscheidet

Die Diskussion war und ist auch deswegen kompliziert, da man bei den Befürwortern einer höheren Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung zwischen Liberalen und Linken unterscheiden muss. Für Liberale ist die Steuerfinanzierung ein Hebel, mit der eine Grundsicherung und damit ein radikaler Abbau des bestehenden Sicherungsniveaus erreicht werden soll. Innerhalb der politischen Linken geht es nicht um eine Senkung des Leistungsniveaus. Im Gegenteil: Es geht um eine Verbesserung der Strukturen der sozialen Sicherung; im Wesentlichen um bessere Arbeitsmarkteffekte und günstigere Verteilungswirkungen.

Hintergrund der jüngeren Debatte zur Umfinanzierung sind zum Teil sehr hohe steuerfinanzierte Anteile der sozialen Sicherung im (europäischen) Ausland und ein ungewöhnlich niedriger Anteil in Deutschland. Besonders in der Kranken- und Pflegeversicherung gibt es keinerlei (nennenswerte) Steuerzuschüsse, in der Gesetzlichen Rentenversicherung ist der Anteil zwar hoch (etwa ein Viertel der Gesamteinnahmen), aber die Beitragsbelastung ebenfalls. Auch die Bundesagentur für Arbeit ist weitgehend beitragsfinanziert; die Gesetzliche Unfallversicherung ist es vollständig. Nur die Sozialhilfe, das Wohngeld und die Bundesausbildungsförderung sind hundertprozentig steuerfinanziert, was für diese Bereiche der sozialen Sicherung auch die einzig systematisch richtige und weltweit praktizierte Finanzierungsform ist.

Die grundlegenden Ziele, die mit einer Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung angestrebt werden, sind im Detail komplex:

Erstens geht es um mehr Verteilungsgerechtigkeit. Eine Steuerfinanzierung auf der einen Seite (zumal dann, wenn sie ganz wesentlich auf einer progressiven Einkommenssteuer beruht) und gezielte Leistungstransfers auf der anderen Seite ermöglichen zum einen eine breite Finanzgrundlage für soziale Sicherung und zum anderen eine verteilungspolitische „Feinsteuerung“. Im Allgemeinen können Sozialversicherungen dieses Maß an Verteilungsgerechtigkeit nicht erreichen. Mittels eines gespaltenen Mehrwertsteuersatzes kann sogar die Mehrwertsteuer im Ganzen progressiv wirken. Dies ist in Deutschland durch die Umsatzsteuerfreiheit der Wohnungsmiete und den reduzierten Mehrwertsteuersatz für einige „Basisgüter“ in Grenzen bereits der Fall. Ob man dies als „ausreichende“ Progression ansieht oder nicht, ist eine verteilungspolitische Frage, die nur politisch beantwortet werden kann.

Zweitens soll eine Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung positive Arbeitsmarkteffekte zeitigen, indem die direkte Abgabenlast auf Löhne gesenkt wird.

Drittens erhoffen sich – wie gesagt – Liberale durch eine weitergehende Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung einen Hebel, um das Niveau der Sicherung auf eine Grundsicherung zurückzufahren und dadurch die Abgabenlast besonders auf hohe Einkommen zu reduzieren.

Die beiden zuerst genannten Ziele haben also mit dem dritten Ziel im Grunde nichts gemein. Formal sind sie natürlich kompatibel – politisch widersprechen sie sich jedoch heftig. Deswegen ist eine sehr differenzierte öffentliche Diskussion einer höheren Steuerfinanzierung notwendig. Sonst endet die Diskussion in Konfusion.

Die Effekte des Angstsparens

Die Wirkungen einer vermehrten Steuerfinanzierung, die die ersten beiden Ziele verfolgt (also das bewährte Sicherungsniveau nur „umfinanzieren“ will), sind insgesamt begrenzt. Das belegen inzwischen viele Simulationsstudien. Die Wirkungen einer allgemeinen Absenkung des Sicherungsniveaus im Zuge einer Steuerfinanzierung wären größer, aber insgesamt noch schwerer abschätzbar, da ein derartiger Abbau zu gesellschaftlichen Umwälzungen führen würde. Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein radikaler Abbau der sozialen Sicherung zu einem Aufbau privater Vorsorge führen würde. Dadurch würde beispielsweise Druck auf die Löhne entstehen. Allein deswegen ist es naiv anzunehmen, dass die Lohnkosten um den Betrag der „Umfinanzierung“ sinken würden; einmal abgesehen von Effekten wie dem „Angstsparen“. Selbst bei einem nur kurzfristigen Angstsparen würde der Wachstumspfad gesenkt. Im Folgenden wird dieses Abbau-Szenario nicht weiter betrachtet, da es politisch zumindest mittelfristig ausgeschlossen werden kann.

Der untere Einkommenssektor profitiert

Die Arbeitsmarktwirkungen einer „steuerfinanzierten Umfinanzierung der sozialen Sicherung“ wären insgesamt gesehen gering, da die Beitragsfinanzierung ja durch eine Steuerfinanzierung ersetzt würde. Auch diese Last würden – wenn auch etwas verteilt – letztlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen. Am ehesten wären größere Effekte durch radikale Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung zu erwarten. Aber: Mit überdurchschnittlich hohen positiven Arbeitsmarkteffekten wäre im unteren Einkommensbereich zu rechnen, denn untere Lohneinkommen werden – sofern sie nicht unterhalb der Minijob-Grenze von 400 Euro liegen – von Sozialabgaben stark belastet. Dadurch können derartige Arbeitsplätze für Arbeitgeber (wegen der hohen Lohnkosten) und Arbeitnehmer (wegen niedriger Nettolöhne) unattraktiv werden. Arbeitslosigkeit, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sind die Folgen, die im Grundsatz durch eine Steuerfinanzierung von Sozialleistungen vermeidbar wären, da dann Niedriglohnbezieher weniger stark zur Finanzierung herangezogen würden als bei einer Beitragsfinanzierung. Ein solcher Effekt ist die ernsthafte Anstrengung einer Umfinanzierung wert. Auch wenn man ehrlich sagen sollte, dass dies den bereits langjährig Arbeitslosen nur noch begrenzt helfen wird. Entscheidend ist: So wird künftige Langzeitarbeitslosigkeit verhindert!

Am besten zu erreichen wären wahrscheinlich die Verteilungsziele einer steuerfinanzierten Umfinanzierung. Dann können die Bemessungsgrundlagen und Steuertarife differenziert ausgestaltet werden und steuerfinanzierte Leistungen verteilungspolitisch maßgeschneidert „zugeteilt“ werden. Die Einkommenssteuer auf der einen und das Wohngeld auf der anderen Seite sind Beispiele, die natürlich auch die Grenzen einer Feinsteuerung deutlich machen. Aber in den Verteilungswirkungen der Leistungen liegt zugleich das größte Problem einer Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung: Steuerfinanzierung bedeutet, dass faktisch der Finanzminister stark über das Sicherungsniveau mitentscheidet. Bei knappen Kassen ist es nicht unwahrscheinlich, dass er Druck auf das Niveau der sozialen Sicherung ausübt, um Geld zu sparen und seinen Haushalt in der Balance zu halten – und zwar unabhängig davon, welche politische Farbe er trägt.

Wie sicher ist das Sicherungsniveau?

Insofern kann man zusammenfassen: Eine stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung lässt gerade im Niedrigeinkommenssegment positive Arbeitsmarkteffekte erwarten, und sie erlaubt ohne Zweifel auch eine bessere Feinsteuerung der Verteilungswirkungen der sozialen Sicherung. Aber beide positiven Wirkungen sind mit größeren Unsicherheiten bezüglich des Niveaus der Sicherung verbunden. Gerade darauf spekulieren ja liberale Befürworter der Steuerfinanzierung. Aber genau diese – in der Tat realistische – Gefahr wollen die Befürworter einer Umfinanzierung gerade nicht. Besonders deutlich wurde dies bei der Debatte um eine Finanzierung der Krankenversicherungen mit Hilfe beschäftigungsfreundlicher Kopf- beziehungsweise Pauschalprämien, die zur Korrektur der Belastungen eines steuerfinanzierten sozialen Ausgleichs bedürfen würden. Das zentrale – und sachlich durchaus zutreffende – Argument der Gegner der Pauschalprämie ist die politische Unsicherheit eines steuerfinanzierten sozialen Ausgleichs (siehe Gert G. Wagner, Für die solidarische Bürgerprämie, in: Berliner Republik 6/2003).

Wenig hilfreich für die Diskussion ist der in Deutschland gebräuchliche Begriff der „versicherungsfremden Leistungen“. Zwar kann man argumentieren, dass bestimmte Leistungen der Sozialversicherung nicht durch eine versicherungsgemäße Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen gedeckt sind. Aber das heißt ja nicht, dass die Leistungen nicht verlässlich sein sollen. Zu nennen sind beispielsweise in der Gesetzlichen Rentenversicherung: Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten und besonders Kindererziehungszeiten; in der Gesetzlichen Krankenversicherung: Mutterschaftsgeld und die beitragsfreie Mitversicherung. Man kann zugespitzt sagen: Gerade die Verlässlichkeit der durch „versicherungsfremde Leistungen“ erreichten systematischen Umverteilung ist für viele das eigentliche Ziel der sozialen Sicherung. Wird dieses Ziel gefährdet, verliert soziale Sicherung ihre Legitimation.

Deswegen wird im Folgenden geprüft, wie die „Nachhaltigkeit“ einer steuerfinanzierten sozialen Sicherung beziehungsweise Umverteilung gestärkt werden könnte – und ob es Bereiche gibt, wo die Unsicherheiten im Leistungsniveau hinnehmbar sind, wenn nur die anderen beiden Ziele – und vielleicht noch weitere – besser erreicht werden können.

Was die „Bürgerprämie“ leisten würde

In der naturgemäß langfristig wirkenden Altersvorsorge ist die polit-ökonomische Sicherheit sehr hoch zu gewichten, die eine beitragsäquivalente Sozialversicherung bietet – zumal die versicherungsmäßige Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge bei Beitragszahlern und Rentnern auch ein hohes Maß an Akzeptanz genießt. Eine Umfinanzierung wäre auch deswegen unklug, weil es in der Altersvorsorge zur Gesetzlichen Rentenversicherung mit dem so genannten Bundeszuschuss traditionsgemäß bereits einen hohen steuerfinanzierten Anteil gibt. Eine noch stärkere Ausweitung der Steuerfinanzierung würde die Gefahr einer Grundrente heraufbeschwören, die dann mit großer Wahrscheinlichkeit wiederum – verteilungspolitisch unbefriedigend – zum selektiven Aufbau beitragsfinanzierter Betriebsrenten oder zu ähnlichen „privaten“ Lösungen führen würde. Am Ende stünde – nach einer jahrelangen und turbulenten Übergangszeit – ein neuartiges steuer- oder beitragsfinanziertes soziales Alterssicherungssystem. Gewonnen wäre nichts, aber unterwegs wäre viel Schaden angerichtet worden.

Bei systematischer Betrachtung bieten sich für eine nachhaltig sichere Form gezielter Steuerfinanzierung durch die Kombination von Pauschalprämie und steuerfinanziertem sozialen Ausgleich die Gesundheits- und die Pflegeversorgung besonders an. Leider scheint dieses Modell politisch völlig verbrannt zu sein, da es der Rürup-Kommission nicht gelang, es sachlich zu diskutieren. Im Besonderen war in der Rürup-Kommission die Variante der Kopfpauschale nicht mehrheitsfähig, die die Kopfpauschale mit sozialem Ausgleich für eine umfassende Solidargemeinschaft (bei der die jetzigen Versicherten der privaten Kassen einbezogen sind) verpflichtend machen würde. Dieses Modell einer „Bürgerprämie“ würde den Gedanken einer umfassenden Bürgerversicherung mit einer höheren Steuerfinanzierung und einer radikalen Entlastung der Lohnnebenkosten verbinden.

Gegen die Macht der Großeltern geht nichts

In der Diskussion um eine Pauschalprämie argumentieren die Befürworter der klassischen Sozialversicherungen, dass die in der GKV „eingebaute“ Einkommensumverteilung (weil gut Verdienende bei einheitlichem Beitragssatz viel mehr einzahlen als schlechter Verdienende) auf Dauer sicherer sei als ein außerhalb der Versicherung stattfindender sozialer Ausgleich. Dies ist zwar insofern erstaunlich, als dieselben Befürworter in den letzten Jahren lautstark über „Sozialabbau“ geklagt haben, aber im Grundsatz ist das Argument richtig.

Freilich ist zu bedenken: Eine Steuerfinanzierung bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Finanzminister jedes Jahr neu entscheidet, wie hoch der soziale Ausgleich sein darf und wie er im Detail aussehen soll. Vielmehr kann ein System des sozialen Ausgleichs in ein Leistungsgesetz geschrieben werden, das auch nur entsprechend qualifiziert parlamentarisch änderbar ist. Das Wohngeld mag ein gutes Beispiel sein, denn es zeigt, dass auch ein weiteres Argument gegen ein steuerfinanziertes soziales Ausgleichssystem nicht zwangsläufig gilt, nämlich die These von der Stigmatisierung durch den Bezug einer Ausgleichsleistung.

Zentral ist offenbar: Der soziale Ausgleich kann – und muss zur Erreichung einer Umfinanzierung – im Detail so gestaltet werden, dass es politisch schwer ist, ihn zu kürzen. Eine solche Ausgestaltung liegt auch sachlich auf der Hand: über eine gezielte Förderung von Kindern und Familien. Kürzungen eines kinderbezogenen sozialen Ausgleichs wären extrem unpopulär – der Finanzminister, der es versuchte, hätte eine große Mehrheit gegen sich: nämlich nicht nur fast alle Eltern, sondern auch fast alle Großeltern! Darüber hinaus kann man – wie in Frankreich – eine eigene Familienkasse etablieren, in die der Finanzminister einzahlt und die zum Beispiel durch eine gering dimensionierte „Wertschöpfungsabgabe“ – die faktisch einer Mehrwertsteuererhöhung weitgehend entspricht – auch von den Arbeitgebern angefüllt werden kann. Eine solche Kasse sollte als Parafiskus ausgestaltet werden, das heißt mit einer Selbstverwaltung. Diese würde – auch wenn sie von der Anzahl der Mitglieder her sehr knapp bemessen sein sollte – bei Kürzungsdiskussionen im politischen Prozess ihre Stimme und den sozialen Ausgleich einer Pauschalprämie mindestens ebenso absichern wie das beim unvollkommenen sozialen Ausgleich innerhalb der GKV der Fall ist.

Wo die Steuerfinanzierung sinnvoll ist

Schließlich ist eines der zentralen Argumente gegen die Pauschalprämie, nämlich jenes von der „massenhaften“ Angewiesenheit der Versicherten auf den sozialen Ausgleich, ein ebenso zentrales Argument für die Nachhaltigkeit dieser steuerfinanzierten Umverteilung: Denn gegen die Interessen eines sehr großen Teils der Wähler, die von einem steuerfinanzierten sozialen Ausgleich profitieren, werden sich nur schwer politische Mehrheiten finden lassen. Die liberalen Befürworter einer Senkung der Sozialleistungen können diese banale Einsicht bezeugen.

Was folgt aus diesen Überlegungen? Zum einen, dass man die positiven Wirkungen einer steuerfinanzierten Umfinanzierung der sozialen Sicherung nicht überschätzen sollte; zum anderen aber auch, dass die Nachteile – insbesondere die Abhängigkeit der Leistungen vom Finanzminister – nicht überdramatisiert werden dürfen. Wenn eine Umfinanzierung gelingen soll, also die arbeitsmarkt- und verteilungspolitisch bessere Finanzierung eines unveränderten Leistungsniveaus der sozialen Sicherung, dann dürfte ein gezielter Einsatz von mehr Steuerfinanzierung sinnvoll sein. Wichtiger als die Diskussion darüber, ob die Mehrwehrtsteuer zu erhöhen oder die Einkommenssteuer zu modifizieren sei, wäre die Entwicklung von Phantasie und Gestaltungswillen für die politische Ökonomie der Nachhaltigkeit steuerfinanzierter Sozialleistungen. Denn an unzureichenden Konzepten für die Nachhaltigkeit der Finanzierung der steuerfinanzierten Sozialleistungen sind bislang alle Vorschläge gescheitert.

Für eine steuerfinanzierte Familienkasse

Sozialpolitisch ungefährlich, da definitionsgemäß ohnehin auslaufend, wäre die Steuerfinanzierung der sozialen Kosten der deutschen Einheit. Man kann sich sicherlich über die genaue Höhe beliebig lange streiten, aber die Größenordnung von 25 Milliarden Euro dürfte gegenwärtig realistisch und damit durchaus nennenswert sein.

Es kann sein, dass für die Krankenversicherungen eine Pauschalprämie für alle (Bürgerprämie) mit einem steuerfinanzierten sozialen Ausgleich politisch tatsächlich keine Chancen hat; dies wird demnächst erkennbar werden. Dann aber sollte die Große Koalition zweitbeste Lösungen der Umfinanzierung ernsthaft prüfen. Dies könnte zum Beispiel die Steuerfinanzierung der Familienmitversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung sein (allerdings mit der Konsequenz, dass diese Steuerfinanzierung natürlich auch für privat Versicherte gelten müsste). Damit diese Steuerfinanzierung, die mit etwa 15 Milliarden Euro veranschlagt wird, zugleich Wege für einen umfassenderen Finanzierungs-Umbau eröffnet, könnte sie mit einer Familienkasse kombiniert werden – in der die Große Koalition ohnehin familienpolitische Leistungen bündeln will. Diese Familienkasse könnte beispielsweise auch Stipendien aus Steuern finanzieren, wie sie nach der Einführung nennenswerter Studiengebühren notwendig werden.

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