A rising tide lifting all boats?



Washington D.C. im Oktober: eine transatlantische Tagung zum Thema „Globalisierung, Wachstum und soziale Gleichheit“, organisiert von Beratern der demokratischen Kandidaten im anstehenden Präsidentschaftswahlkampf, dem Center for American Progress und Policy Network, dem europäischen Netzwerk sozialdemokratischer Parteien und Berater.

Diskutiert wird mit renommierten Experten wie Jacob Hacker oder Lawrence Katz über die aufgehende Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen, über den explodierenden Reichtum der oberen 10.000 und die zunehmend schwankenden Einkommen der Mittelschichten – und über mögliche Antworten auf diese Probleme. Wie kann man von den Menschen erwarten, dass sie die Globalisierung unterstützen, wenn sie eben diese für die Erosion ihrer Einkommen verantwortlich machen?

Die Einkommen von Arbeitnehmern zu stabilisieren und für die gleichberechtigte Teilhabe am wirtschaftlichen Fortschritt zu sorgen – das sind die Schlüssel. Von der „rising tide lifting all boats“ sprach einst John F. Kennedy, der einkommenden Flut, die alle Boote emporhebe. Aber geht das noch? Die amerikanischen Demokraten diskutieren mögliche Antworten: die Stärkung von Arbeitnehmerrechten und Umweltstandards in bi- und multilateralen Handelsverträgen; die Einführung einer Lohnversicherung, die Arbeitnehmer für Gehaltseinbußen entschädigt, wenn sie einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz annehmen; die stärkere Besteuerung hoher Einkommen und die Stärkung von Tarifverhandlungen. „Ich verstehe ja nicht viel von diesen Dingen“, sagt Robert Rubin, Ex-Finanzminister und jetzt CEO der weltgrößten Bank Citigroup, „aber Gewerkschaften und kollektive Tarifverträge sind zentrale Instrumente, um in diesem Land faire Arbeitsbedingungen und gute Löhne zu erreichen“.

Die europäischen Sozialdemokraten sind beeindruckt, ein britischer Staatssekretär sogar verblüfft, sich plötzlich auf der eher konservativen, ja „liberalen“ Seite wiederzufinden. In der Tat, Gewerkschaften zu stärken und Globalisierungsverlierer abzusichern war in den letzten Jahren nicht gerade das Hauptziel von New Labour und anderen progressiven Regierungen in Europa. Vielmehr stand beim Umbau der europäischen Wohlfahrtstaaten regelmäßig der Abbau von Transferleistungen auf der Agenda, um Arbeitslose zur Arbeitssuche zu motivieren – oftmals verbunden mit der Eindämmung gewerkschaftlichen Einflusses.

Während der zweitägigen Debatten kamen Europäer und Amerikaner oft aus unterschiedlichen Richtungen, teilten jedoch gemeinsame Sichtweisen. Etwa dass es nicht weiterführt, Nichterwerbstätigkeit großzügig zu finanzieren, ohne zugleich wirksame Vermittlung in Arbeit zu organisieren. Oder dass frühkindliche Förderung, Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeit in Zeiten der Globalisierung zentrale Anliegen fortschrittlicher Politik sein müssen.

Einig war man sich auch, dass der Instrumentenkasten zur sozialen Gestaltung der Globalisierung noch bei Weitem nicht ausreichend entwickelt ist. Selbst vehemente Befürworter von Sozialklauseln in Handelsverträgen – vertreten durch den Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO – gaben zu, diese seien ein eher protektionistischer Versuch, alte Arbeitsplätze zu sichern, der vermutlich weder den amerikanischen Arbeitnehmern noch denen in ärmeren Ländern große Fortschritte bringen werde. Hohe Einkommen und große Unternehmen stärker zu besteuern wurde von den meisten der vertretenen Funktionsträger als äußerst schwieriges Vorhaben angesehen.

Es blieb die Einsicht, dass konzeptionell noch viel zu tun ist. Bob Rubin hat einstweilen am Think Tank Brookings Institution das „Hamilton Projekt“ ins Leben gerufen, das untersucht, wie sich heute Wachstum schaffen lässt, das allen zugute kommt. Die Wissenschaftler suchen nach pragmatischen Antworten auf die umwälzenden Effekte der Globalisierung. Eine ähnliche Debatte in Europa wäre sehr zu begrüßen.

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