Anständig feiern - aber dann weiter!

15 Jahre Berliner Republik darf man feiern - doch die gegenwärtigen Herausforderungen gebieten, die Debatten weiter voranzutreiben

Runde Geburtstage sind ja üblicherweise eine erbauliche Sache. Familien, Kollegen oder Freundeskreise kommen zusammen und freuen sich darüber, dass man einander immer noch hat. So könnten wir von der Berliner Republik es auch machen. Denn dass eine vor 15 Jahren verwegen gegründete politische Zeitschrift noch immer existiert, ist für alle, denen über die Jahre hinweg an diesem Projekt gelegen war, schon für sich genommen ein Anlass zu Genugtuung.

Der Anfang war natürlich schwierig. Etwas ganz Neues zu erschaffen, ist ja niemals leicht. Andererseits: Mit dem Wahlsieg von Rot-Grün, dem Umzug von Regierung und Parlament nach Berlin sowie den großen Reformen der Ära Schröder / Fischer fand schließlich gerade in dieser Zeit eine Art innere Umgründung der Republik statt. In solchen Zeiten neuer Unübersichtlichkeit helfen alte Orientierungsmuster nicht mehr so richtig weiter, die Nachfrage nach neuen Deutungen und Ideen wächst. Deshalb waren die Startbedingungen durchaus günstig für ein nach vorn gewandtes Diskurs- und Reflexionsorgan der fortschrittlichen linken Mitte: Es gab in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts einfach unendlich viel Neues, das erst einmal durchdacht und verstanden werden musste. Mit ihren Texten haben unsere vielen klugen Autorinnen und Autoren geholfen, diese notwendige Selbstverständigung voranzutreiben – und so zugleich die junge Berliner Republik als Ort vorwärtsweisender Debatten in der politischen und publizistischen Landschaft etabliert.

Auf diese Erfolgsgeschichte könnten wir also nach 15 Jahren anstoßen – und tun dies auch. Tatsächlich aber steht Redaktion, Autoren und Herausgebern der Berliner Republik in diesen Wochen der Sinn nicht sehr nach Rückblick und Besinnung. Wer sich einen Überblick über das aktuelle Geschehen verschafft, der kann nur zu dem Schluss kommen, dass wir nun erneut eine Zeit entscheidender Veränderungen erleben, die wir intellektuell erfassen und in ihren Wechselbeziehungen einordnen müssen.

Noch scheinen wir es mit beunruhigenden Einzelphänomenen zu tun zu haben. Doch die tiefe strukturelle Krise der Eurozone, Russlands Aggression gegen die Ukraine und den Westen, die Kriege im Mittleren Osten, die internationale Flüchtlingskrise, die erschreckende Konjunktur völkisch-nationalistischer Kräfte wie AfD und Pegida, die neuerdings wiederum mit voller Wucht ausgebrochene Auseinandersetzung mit dem dschihadistischen Terror sowie die Misere der europäischen Einwanderungsgesellschaften – alle diese Probleme und Tendenzen drohen derzeit in einen gefährlichen „Aufschaukelungszusammenhang“ (Robert Misik) zu geraten. Um die Perspektiven des Fortschritts ist es in solchen Zeiten alles andere als gut bestellt.

Wo also bleibt das Positive? Es besteht darin, dass ein Ort wie die Berliner Republik, die sich in progressiver Absicht um das präzisere Verständnis komplizierter Gegenwartsverhältnisse bemüht, gerade jetzt wieder dringend gebraucht wird. Wer heute Fortschritt und Aufklärung bewahren will, benötigt klare Analysen. Die Beiträge unserer Autoren und Autorinnen in diesem Jubiläumsheft bestärken uns in dieser Einschätzung. Unser Jubiläum gehört anständig gefeiert – aber dann geht die Arbeit weiter!

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