Energiewende: Wie kleine Schritte große Wirkung haben können
Im März 2011 läutete das Reaktorunglück von Fukushima das endgültige Ende der atomaren Epoche in Deutschland ein. Daraufhin beschloss der Deutsche Bundestag im vergangenen Sommer mit der Energiewende das wohl ambitionierteste Klimaprojekt der Welt: den sukzessiven Atomausstieg bis 2022, den Umstieg auf erneuerbare Energien und eine erhebliche Verbesserung der Energieeffizienz. Doch der Pioniergeist, der den Aufbruch in ein neues Zeitalter der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz anfänglich noch umgab, ist mittlerweile großer Skepsis gewichen: Die Umsetzung hinkt den hochgesteckten Zielen hinterher, vom drohenden Scheitern ist die Rede. Selbst Bundesumweltminister Peter Altmaier, der der Energiewende neuen Schwung verpassen soll, bezweifelt, ob die ehrgeizigen Pläne eingehalten werden können. Die Energiewende brauche endlich einen Masterplan, so der allgemeine Tenor – nicht zuletzt im Schwerpunkt der Berliner Republik 2/2012. Das ist richtig. Jedoch wird bei der Suche nach der einen großen Lösung oft übersehen, dass es gerade auch kleine Schritte sind, die zum Erfolg führen.
Im Prinzip basiert die Energiewende auf einer einfachen Gleichung: Auf der Angebotsseite soll der Strom nachhaltiger produziert, auf der Verbraucherseite effizienter eingesetzt werden. Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass sich Energie am günstigsten dann einsparen lässt, wenn man sie gar nicht erst benötigt. Hier bietet der Gebäudesektor, in dem 40 Prozent der Energie in Deutschland verbraucht wird, enorme Einsparpotenziale. Dies gilt insbesondere für den Bereich Heizung und Warmwasser, wo über 87 Prozent des Energieverbrauchs in privaten Haushalten anfallen.
Momentan liegt das Hauptaugenmerk der Diskussionen allerdings stark auf der energetischen Sanierung von Gebäuden. Sicher ist und bleibt die energetische Sanierung eines der Schlüsselelemente für mehr Energieeffizienz. Doch Widerstände gegen steuerliche Anreize für Privateigentümer ebenso wie die Blockadehaltung gegen schärfere Sanierungsvorhaben für öffentliche Gebäude – die auf europäischer Ebene jetzt wohl in deutlich abgeschwächter Form verabschiedet werden – stimmen nicht gerade positiv. Die teure und aufwändige Umsetzung macht eine maßgebliche Erhöhung der Sanierungsquote kurz- bis mittelfristig unwahrscheinlich. Verbesserungen, die durch den Dienstleistungsbereich erzielt werden könnten, greifen Politik und Medien nur selten auf.
Weiterhin herrscht Konsens, dass die Energiewende ein gesamtgesellschaftliches Projekt ist, dessen Erfolg entscheidend von einer engeren Einbindung der Bürger abhängt. Gleichzeitig müssen die Voraussetzung erst geschaffen werden, um eine solche Partizipation zu ermöglichen.
Um Einfluss zu nehmen, kann der Verbraucher im Gebäudebereich vor allem über zwei Schalthebel agieren: über seinen Energiebezug und seine Energienutzung. Hinsichtlich des Energiebezugs sind die Möglichkeiten jedoch rar gesät: Zwar können die Verbraucher den Anbieter wechseln und sich etwa für Ökostrom entscheiden, was bereits viele getan haben. Bei Heizung und Warmwasser ist man aber erst einmal an die bestehende Anlage gebunden. Um den Energiebezug zu verändern, muss eine neue Anlage angeschafft werden, was erhebliche Investitionen erfordert. Diese kann allerdings nur der Immobilieneigentümer tätigen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts leben in Deutschland jedoch knapp 24 Millionen Haushalte zur Miete. Sie haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, darüber zu entscheiden, woher sie ihre Heizenergie beziehen.
Das wirft die Frage auf, wie man Mieter stärker an der Energiewende beteiligen kann. Die Lösung kann nur bei einer sparsamen Energienutzung liegen. Nicht zuletzt aufgrund der steigenden Preise ist die Bereitschaft der Verbraucher hoch, Energie zu sparen. Doch es mangelt ihnen an gut aufbereiteten Informationen über den eigenen Verbrauch und somit an den Voraussetzungen, um den eigenen Konsum zu steuern. Eine Veränderung tritt nur ein, wenn wir die Möglichkeit haben, die Folgen unseres Verhaltens transparent nachzuvollziehen.
Dabei wäre eine erhöhte Transparenz ohne wohnlichen Komfortverlust und ohne erheblichen Mehraufwand technisch schon heute möglich. Die üblichen Verbrauchszähler in den Wohnungen wurden so weiterentwickelt, dass über den Energieverbrauch kontinuierlich informiert wird. Und nicht nur das: Über diese Form der intelligenten Zähler wird gleichzeitig angezeigt, wie sich der Energieverbrauch im Vergleich zu anderen Wohnungen im Haus verhält. Somit kann jeder Mieter sehen, ob er weniger verbraucht als andere oder ob er möglicherweise sparsamer sein kann. Der Effekt dieser Maßnahmen für den Klimaschutz ist beachtlich. Eine flächendeckende Einführung intelligenter Verbrauchszähler und regelmäßiger Informationen würden den Energieverbrauch für Wärme und Warmwasserbereitung in privaten Haushalten jährlich um rund 15 Prozent verringern. In Deutschland entspräche dies pro Jahr einer Einsparung von rund acht Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen oder – übertragen auf die Energieerzeugung – einer Energiemenge von rund 20 Terawattstunden, was der Energieerzeugungskapazität eines Atomkraftwerks entspricht.
Ähnliche Potenziale schlummern in bestehenden Heizungsanlagen. Die ZDF-Sendung WISO berichtete kürzlich, dass nur ein Drittel der Heizungen in Deutschland richtig eingestellt sind. Für die Steigerung der Energieeffizienz ist die optimale Einstellung von Heizungen ein wichtiger Baustein. Auf Basis von Analysen zum Wirkungsgrad lassen sich bei zwei Drittel der Geräte allein durch Veränderung der Einstellungen erhebliche Leistungsverbesserungen erzielen. Auch auf diesem Gebiet ist ein weiteres Entwicklungsstadium erreicht worden: Heizungsanlagen werden kontinuierlich und nicht nur durch eine einmal jährliche Momentaufnahme überwacht.
Für das Portemonnaie der Mieter rechnen sich diese Ansätze binnen kurzer Zeit, denn die Einsparung übersteigt die geringen Mehrkosten. Damit dies funktioniert und das Nutzen-Investoren-Dilemma zwischen Mieter und Vermieter aufgelöst wird, müssen Kosten und Einsparungen an der gleichen Stelle anfallen. Dies ist durch eine Umlagefähigkeit der Kosten für Dienstleistungen, die die Energieeffizienz steigern, auf den Mieter möglich. Da die Einsparungen durch energieeffizientere Nutzung direkt den Mietern zugutekämen, stellt dies einen sozial ausgewogenen und wirtschaftlich tragfähigen Ansatz dar, der keiner staatlichen Förderung bedarf. Die Energiewende kann eben nicht zum Nulltarif, aber sie muss zu einem vernünftigen Tarif gelingen!
Dafür braucht es neben dem Fokus auf steuerliche Anreize eine Konzentration auf den Aufbau eines intelligenten Maßnahmen-Mixes, der auch Dienstleistungen umfasst. Durch einen Dreiklang aus energetischer Sanierung, erhöhter Transparenz über den eigenen Energieverbrauch und einer optimierten Nutzung von Heizungsanlagen schließt sich der Kreis. Regelmäßige Information zeigt das Nutzerverhalten und den Sanierungsbedarf auf, ermöglicht nach erfolgter Sanierung eine Erfolgskontrolle, schafft somit Transparenz und Akzeptanz – auch für ergänzende Maßnahmen. Somit könnte das wichtige Etappenziel, 20 Prozent Energie bis 2020 einzusparen, wieder in greifbare Nähe rücken. Das Segel würde so gesetzt, dass die Energiewende und der Klimaschutz an Fahrt gewinnen.