Die Sache mit der politischen Führung
In der Tat, genau das macht das Problem der politischen Führung so furchtbar schwierig zu lösen, und das womöglich heute noch viel mehr als damals. Denn gerade in Zeiten, da sich immer weniger Menschen an einem ererbten oder erworbenen weltanschaulichen "Kompass" orientieren, würde es auf die Dauer kaum genügen, Politik allein als das beharrliche und gewissenhafte Abarbeiten des jeweils objektiv Notwendigen zu betreiben. Irgend etwas fehlte dabei. Gewiss, die Frage, how to get things done bleibt auch weiterhin die entscheidende der Politik überhaupt. Aber sie ist voraussetzungslos eben niemals zu beantworten. Und sie ist es heute weniger denn je. Wo die Menschen, vulgo: Wechselwähler ihre Gewissheit gebenden Grundorientierungen ziemlich gründlich verloren haben, da brennt jetzt bei vielen erst recht die Sehnsucht nach "Sinn", nach dem neuen "roten Faden". Nach der glaubwürdigen politischen "Erzählung", die ihnen erklären könnte, wie all das Komplizierte und Verknäulte, Unübersichtliche und Fragmentarische irgendwie doch zusammenhängt. Und welche zukünftigen Ziele es wert sein könnten, heute Belastungen zu tragen. Auf die Perspektive kommt es also an.
Natürlich, politische Führung hat vielerlei Aspekte. Wo sie gelingt, da besteht sie gleichermaßen aus Organisation und Kommunikation, aus operativem Geschick und hellwachem Verstand. Aber da besteht sie eben immer auch aus Vision und Emotion - aus der Begabung, mit Begeisterung und Wärme von lohnenden Zielen zu sprechen, aus der Fähigkeit, erschöpften Menschen neuen Mut zu machen. Und manchmal sogar Trost zu spenden. Man soll sich im Übrigen gar keine Illusionen machen: Wo ernsthafte politische leadership dieser elementaren Aufgabe nicht gerecht wird, da werden in ungewissen Zeiten ganz andere "Geschichtenerzähler" keine Sekunde zögern, das gewachsene Verlangen nach Orientierung und Sicherheit zu erfüllen - auf ihre Weise. Auch von ihnen ist in dieser Ausgabe der Berliner Republik aus offensichtlichem Anlass die Rede.