Das Ende der Welt (wie wir sie kennen)

EDITORIAL

„Die Energieversorgung ist die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts“, schreibt in diesem Heft Fritz Vahrenholt. Viele andere ungelöste Probleme fallen einem auf Anhieb ebenfalls ein. Aber in der Tat: Die Energiefrage mit ihren weit reichenden Implikationen für nahezu jedes Politikfeld und jeden Lebensbereich ist das Scharnierthema, an dem sich entscheiden wird, wie wir im 21. Jahrhundert leben werden. Ob es um Umwelt und Klima geht, um die Wirtschaft oder Chinas Aufstieg, Terrorismus, Migration oder die Zukunft der sozialen Gerechtigkeit – überall lauern die Bezüge zur Energiefrage. Noch immer aber dominiert in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit eine geradezu skurril anmutende Sorglosigkeit: Das Benzin mag immer teurer werden, aber zu mehr als periodisch aufwallenden Anfällen kindlicher „Benzinwut“ (Bild) hat das bislang kaum geführt. Dass das Auto vollgetankt vor der Tür steht, ist für die meisten Deutschen weiterhin die schiere Selbstverständlichkeit. Und über den elektrischen Strom wissen wir weiterhin vor allem, dass er verlässlich aus der Steckdose zu kommen hat.

Aber selbstverständlich ist in Energiedingen gar nichts mehr. Wer immer sich heute auch nur oberflächlich mit dem Thema Energie beschäftigt, weiß: So wie es ist, wird es nicht bleiben; die Energie as we know it wird knapper, teurer, bedenklicher, schwieriger zu erlangen; der Status quo der erdölbasierten Nachkriegsjahrzehnte lässt sich nicht aufrecht erhalten. Alle fünf Autorinnen und Autoren unseres Energieschwerpunktes sind sich hierin völlig einig. Scheunentorweit offen ist freilich die Frage, welche Schlüsse daraus zu schließen sind: Welche neuen Energiequellen könnten die bisherigen ersetzen? Wie begründet ist die Hoffnung auf Wind, Sonne, Biomasse oder Einsparung? Hierzu gehen die Auffassungen meilenweit auseinander.

Das gilt erst recht für die Frage nach der Zukunft der Atomenergie. Längst ist klar, dass die Debatte hierüber mit dem rot-grünen (und von der gegenwärtigen Bundesregierung bekräftigten) Ausstiegsbeschluss nicht ein für allemal beendet ist. Schon die Beiträge dieser Ausgabe zeigen dies deutlich. Während etwa Matthias Machnig bezogen auf die Kernkraft „Technologien von gestern und zukunftsvergessene Branchen“ kritisiert, wendet Jeanne Rubner ein: „Sowohl eine bedenkenlose Akzeptanz der Atomenergie als auch deren kategorische Ablehnung beruhen auf falschen Annahmen und, im zweiten Fall, auf einer Überdosis Emotionalität.“ Weitaus deutlicher wird Fritz Vahrenholt. Für ihn ist der Ausstieg aus der Kernenergie „klimapolitisch, geopolitisch und wirtschaftspolitisch ein schwerer Fehler und eine typisch deutsche Kurzschlussreaktion“. Diese Ansicht wird viel Widerspruch auslösen, vor allem bei jenen, die Jahre ihres politischen Lebens damit zugebracht haben, für den Abschied von der Atomkraft zu werben. Aber das war früher. Man mag es bedauern, aber im 21. Jahrhundert muss die Debatte um die Atomenergie im Lichte veränderter Bedingungen und Erkenntnisse neu geführt werden. Wer sich dieser Diskussion verweigert, hat sie schon verloren:

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