Der Begriff des "German Wunder" macht die Runde

Im Krisenjahr 2009 gingen in Deutschland deutlich weniger Arbeitsplätze verloren als in vielen anderen europäischen Staaten. Zu diesem Erfolg hat auch die Bundesagentur für Arbeit beigetragen. In Zukunft werden die an die BA gestellten Anforderungen angesichts von demografischem Umbruch, technologischem Wandel und Globalisierung weiter wachsen

Die Arbeitsmärkte Europas sind durch die globale Wirtschaftskrise weiterhin von starker Unsicherheit geprägt: Arbeitsplatzverluste, fortschreitender Strukturwandel und Finanznöte der öffentlichen Haushalte beschreiben eine schwierige Gesamtlage. Die betroffenen Menschen erwarten zu Recht, dass eine moderne Arbeitslosenversicherung hierzu Lösungen mitentwickelt, entschieden handelt und individuelle Unterstützung für Arbeitsuchende leistet. Mit dem großflächigen Einsatz der Kurzarbeit hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihre Leistungsfähigkeit im Krisenjahr 2009 unter Beweis gestellt. Sie hat die Maßnahmen der Bundesregierung schnell und unbürokratisch umgesetzt und Arbeitgeber kompetent über Chancen der Kurzarbeit und begleitende Weiterbildung informiert. Beschäftigte erhielten pünktlich Lohnersatzleistungen für den Arbeitsausfall, in der Spitze immerhin 1,5 Millionen Menschen. Bezogen auf den Jahresdurchschnitt konnten so bis zu 350.000 Arbeitsplätze vorerst gesichert werden. Auch gilt: In vielen anderen europäischen Staaten waren Arbeitsplatzverluste in Folge der Wirtschaftskrise häufig deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland. Der Begriff des „German Wunder“ macht die Runde.

Natürlich muss die BA über die aktuellen Verwerfungen hinaus denken und sich der Arbeitswelt von morgen stellen. Drei Megatrends und ihre Auswirkungen auf das Beschäftigungssystem bilden hier den Ausgangspunkt: Der demografische Wandel verringert bereits kurzfristig und dann dauerhaft das Erwerbspersonenpotenzial Deutschlands. Die Entwicklung wird verstärkt durch eine noch immer viel zu hohe Zahl von Menschen mit unzureichender Bildung und Ausbildung. So verknappt sich das Angebot Qualifizierter weiter – ein Fachkräfteengpass, der bereits heute ablesbar ist und nicht nur den Aufschwung, sondern auch die längerfristige Dynamik der Wirtschaft gefährden kann.

Wir können auf qualifizierte Menschen nicht verzichten

Technologischer Wandel und Globalisierung sind die beiden anderen Megatrends, denen wachsende Bedeutung zukommt: Kulturen rücken zusammen, moderne Logistik forciert weltweiten Warenaustausch, innovative Kommunikationsmedien verbreiten Wissen rasend schnell. Märkte werden transparenter, internationaler und auch angreifbarer. Gerade Deutschland als Exportnation muss auf diese Entwicklung vorbereitet sein, da sich die Halbwertzeit eigener Standortvorteile verkürzt. Die BA zieht aus diesen Entwicklungen Konsequenzen: Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern muss geholfen werden, um den differenzierten Anforderungen einer modernen Arbeitswelt besser gerecht zu werden. Dafür hat die BA sich drei Schwerpunkte gesetzt.

Erstens: Das Management beruflicher Übergänge gestaltet sich zunehmend schwierig. Besonders der Einstieg von der Schule über eine Ausbildung in den Beruf muss gelingen. Kein Schüler darf dauerhaft ohne Schulabschluss bleiben. Zusammen mit Partnern hat die BA in diesem Bereich bereits einige Projekte auf den Weg gebracht, beispielsweise mit der Initiative „Sommercamp“. Schülerinnen und Schüler, die kurz vor dem Hauptschulabschluss zu scheitern drohen, werden hier fit gemacht, diese Etappe zu meistern. Erste Ergebnisse stimmen hoffnungsvoll. Daneben gilt das Augenmerk der BA der Beratung bei Neu- oder Reorientierung am Arbeitsmarkt. Eine Arbeitsgesellschaft kann es sich nicht leisten, auf gut oder sogar hochqualifizierte Menschen zu verzichten. Das gilt für Alleinerziehende wie auch für Ältere.

Zweitens: Bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes kommt es zuerst darauf an, was Frau oder Mann kann. Die Stärken der Arbeitsuchenden sind entscheidend, deren Schwächen sind soweit wie möglich auszugleichen. Parallel dazu wird die Arbeitswelt immer komplexer und verändert sich rasant. Hier setzt die BA an und will künftig die Kompetenzen ihrer Kunden genauer identifizieren und noch zielgerichteter fördern. Wer sich über den gesamten Verlauf der Erwerbsbiografie Beschäftigungschancen erhalten will, muss seine berufliche Qualifikation ständig weiterentwickeln. Das geschieht vielleicht in kleinen Schritten bei der täglichen Arbeit. Es kann aber auch durch einen gezielten Perspektivwechsel geschehen. Lebenslanges Lernen ist mehr als eine Worthülse, es muss von allen gelebt werden. Eine betriebliche Kultur fachlicher Weiterbildung, aber auch Quereinstiege oder Wechsel zwischen Berufsbereichen will die BA – als wichtiger Netzwerkpartner – deshalb künftig noch stärker fördern. Das bedeutet, die Idee sozialstaatlicher Solidarität zukunftsfest zu machen.

Drittens: Den Ausgleich am Arbeitsmarkt sicherzustellen, bildet das Kerngeschäft der BA. Bei allen Überlegungen zur Weiterentwicklung richten sich hierauf die Hauptanstrengungen. Sicher wurde der eben erlebte historische Konjunktureinbruch durch spezielle Faktoren verursacht. Er hat aber auch strukturelle Schwächen der Volkswirtschaft schonungslos offengelegt. Veränderungen des „Geschäftsmodells Deutschlands“ könnten sich künftig auf regionaler Ebene niederschlagen – mit weitreichenden Konsequenzen für lokale Arbeitsmärkte. Die Analyse von Qualifikationsprofilen, eine bessere Förderung von Mobilität und die vertiefte Beratung der Arbeitgeber, insbesondere zur Gestaltung von betrieblichen Weiterbildungskonzepten, sind Ansätze der BA. Hinzu kommen Informationsmedien wie beispielsweise die BA-Jobbörse. Im Rahmen des neu gestalteten „Monitorings lokaler Arbeitsmärkte“ wird den Arbeitsagenturen zudem ein neues Werkzeug gegeben, das die Beschäftigungschancen und -risiken vor Ort bewerten hilft. In Netzwerken kann mit lokalen Partnern frühzeitig gegengesteuert, kann die Veränderung der Wirtschaftsstruktur mitgestaltet werden. Der Wandel wird so zur Chance, nicht zur Bedrohung. Und überdies trägt das Handeln der BA mit dazu bei, den Boden für eine wirtschaftliche Erholung zu bereiten.

Bei allen Aktivitäten bleibt die BA ihrem Leitbild – Menschen und Arbeit zusammenzubringen und dabei wirkungsvoll und wirtschaftlich zu handeln – verpflichtet. Das bedeutet in erster Linie viel harte Arbeit. Denn auch wenn die Reform der BA gut vorangekommen ist, wenn vielen Menschen besser geholfen wurde und die Sozialkassen entlastet werden konnten, bleibt Verbesserungsbedarf offensichtlich. Aber die BA hat seit ihrem Umbau zu einem modernen staatlichen Dienstleister vor allem eines unter Beweis gestellt: ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit zur Veränderung. Genau dies sind die Eigenschaften, mit denen man die Herausforderungen der Zukunft meistert – und die mittlerweile über 80-jährige Tradition der solidarischen Arbeitslosenversicherung fortsetzt. «

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