German Hoffnung statt German Angst

EDITORIAL

„The only thing we have to fear is fear itself“
Franklin D. Roosevelt

Diese Ausgabe der Berliner Republik ist randvoll mit Beiträgen von Autorinnen und Autoren, die keine Lust mehr haben auf das freudlose Gerede darüber, was in Deutschland alles sowieso nicht funktioniere, warum die Zukunft immer bedrohlicher werde und dass früher alles besser gewesen sei. Wenn „früher“ etwas besser war, dann womöglich vor allem die Grundhaltung vieler Menschen gegenüber Veränderungen. Klar ist: Bedrohlich – und am Ende tatsächlich kaum mehr zu bewältigen – werden Probleme immer dann, wenn man sich vor ihnen besonders intensiv fürchtet. Angst ist nie ein guter Berater; sie lähmt und macht die Menschen mutlos.

Die wirtschaftliche Erholung der vergangenen Monate – mehr Wachstum, weniger Arbeitslose, bessere Stimmung – wird deshalb auf längere Sicht wenig wert gewesen sein, wenn sie nicht einhergeht mit einer grundlegenden und dauerhaften Veränderung der kollektiven Dispositionen in unserer Gesellschaft. Dass unser Land weltweit konnotiert wird mit der Kategorie „German Angst“, ist geradezu verrückt angesichts der Perspektiven, die den Menschen hier offen stehen – oder doch wenigstens offen stehen könnten, wenn wir uns auf das Ziel verständigen würden, alle Potenziale unserer Gesellschaft entschlossen zur Geltung zu bringen. Das festzuhalten bedeutet überhaupt nicht, die Schwierigkeiten der kommenden Jahrzehnte zu leugnen oder kleinzureden; niemand unter den Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe tut das übrigens. Ja doch, es wird vieles ungemütlicher in Deutschland, in Europa, auf der Welt. Und nein, wir wissen nicht, ob wir die Zukunft meistern werden. Eines aber können wir ganz genau wissen: dass wir jedenfalls dann kläglich scheitern werden, wenn wir unsere alberne Angstmarotte nicht endlich überwinden.

Was heißt das für die Politik? Ungefähr dies: Gerade wenn sich so viel mit ungewissem Ausgang verändert, ist es umso dringender, nicht weiter diffus über „Globalisierung“, „Klimakatastrophe“, „Desintegration“, „demografische Falle“ oder – entsetzlicher noch – den „Abstieg der Mittelschichten“ zu lamentieren. Dann geht es vielmehr darum, alles das zu tun, was sich angesichts dieser Herausforderungen überhaupt tun lässt. Und das wiederum bedeutet: Die Politik braucht nichtängstliche gesellschaftliche Bündnispartner. Die könnte sie vor allem in der aktiven und modernen Mitte unserer Gesellschaft finden. Thomas Hanke gibt dazu einen bedenkenswerten Hinweis: „Diese modernen, voll im internationalen Wettbewerb stehenden Arbeitnehmer haben in der heutigen Bundesrepublik kaum eine politische Vertretung: Ihr Lebensgefühl, ihre Anliegen wie Weiterbildung, mehr Chancen für den gesellschaftlichen Aufstieg ihrer Kinder kommen in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion praktisch nicht vor.“ Das ab sofort zu ändern wäre kein schlechter Anfang.

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