Hier und da wird salutiert
Guido Westerwelle tritt am Vorabend des Aschermittwochs zum Beispiel in der Vilshofener Gaststätte Zur Wurzn auf. Hier passen eigentlich nur 150 Menschen rein. Gekommen sind 200. „Da sind aber auch viele andere dabei, die einfach mal schaun wollten“, verrät der Gastwirt. Er selbst ist Kandidat der Freien Wählergemeinschaft und hat vor dem Tresen seine eigenen Wahlzettel ausgelegt. Außerdem versammelt sich hier heute Abend die örtliche CSU zur Nachbetrachtung des Tages bei einem traditionellen Fischessen. „Eigentlich könnst hier a Einheitslistn moachn. Aber des säh dann scho a wenig undemokraotisch oaus“, sagt ein Gast im Raucherzelt vor der Kneipe, „mir kenn uns hier halt schon alle miteinand.“
Im Ratskeller in Passau gibt die Junge Union ihren Vorabempfang. Wir kommen relativ spät, nur noch ein paar verstreute JUler sitzen an einem Tisch und planen die Revolution im Landesvorstand der CSU. „Da koanst nuar etwas wern, wenns die Oiden wegbeisst“, sagt einer. Vor der Tür versichert der Nachwuchs sich gegenseitig der Unterstützung und bespricht den gemeinsamen Auftritt am nächsten Tag. Unser Wirt hat Angst, dass die NPD bei den Kommunalwahlen zweistellig abschneidet. „Die sind halt konsequent gegen das Rauchverbot, das kostet der CSU Stimmen.“
Der Wolferstetter Keller in Vilshofen ist eigentlich gar kein Keller. Man steigt einen kleinen Berg hinauf und kommt dann in einen Veranstaltungssaal für rund 250 Personen. Ein Bier kostet 2,60 Euro und das Publikum steht bereits ab 8:30 Uhr morgens an, um die besten Plätze zu bekommen. Was denn das diesjährige Highlight werden würde, frage ich vor der Tür. „Schaun mer ma, der Luigi und der Franz, die saan scho guad“ – gemeint sind Ludwig Stiegler und Franz Maget. Vor dem Eingang steht eine schwere, schwarze Mercedeslimousine mit dem SPD-Aufkleber „Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein“. Daneben befindet sich ein aus Pappkarton gebastelter Transrapid mit einem Stoppschild. „Stoppen Sie den Transrapid!“ ist das meistgeklebte Wahlkampfplakat der bayerischen SPD.
Kurt Beck steigt auf eine Bierbank
Gegen zehn Uhr ziehen die Matadore ein. Alle Kameras richten sich auf Kurt Beck. Die Luft ist diesmal nur bier- und nicht rauchgeschwängert, gelegentlich weht noch ein Hauch von Fischsemmeln. Kurt Becks Hieb auf die Linkspartei ist deutlich: „Wir werden uns nicht mit Leuten abgeben, die sich da ganz links außen austoben.“ Stehend wird dem Parteivorsitzenden applaudiert. Kurt Beck steigt auf eine Bierbank. Mein Sitznachbar fragt: „Warum müssen wir denn aufstehen? Die Monarchie ist doch abgeschafft.“
Auf der Raucherterasse verteilen die anwesenden Journalisten, ohne die der Saal deutlich leerer wirken würde, großes Lob: „Das war eine bemerkenswert gute, ja vielleicht die beste Rede Becks.“ Ziel erreicht, würde ich sagen.
Am Vortag hatte eine Gruppe Genossen aus dem niedersächsischen Soltau auf dem Faschingsmarkt Wahlkampfhilfe geleistet. Zum „Sturm aufs Rathaus“ hatten sie sich als Ritter verkleidet und einen Rammbock mit dem Konterfei des örtlichen Kandidaten, Joachim Boiger, gebastelt. Sie schenkten Heidelbeerwein aus und brieten Heidschnuckenwürste. „Wir haben dem Süden gezeigt, was der Norden so kann. Wir unterstützen unsere kleinen roten Bayern.“ Die Niedersachsen sind jetzt das sechste Mal hier, schon vor fünf Jahren hatten sie im Wahlkampf geholfen. „Damals haben wir ein neues Mitglied gewonnen.“ Das gilt in Bayern schon als Erfolg. Auf dem Marktplatz werden die Genossen freundlich behandelt. Die zehn Liter Wein sind schnell leer. Von den Leuten erfahren sie allerdings: „Ich hab nichts gegen die SPD. Aber auch nichts für sie.“
Als der Hauptteil des politischen Aschermittwochs in Vilshofen vorbei ist, fahren wir eine Strecke von etwa 20 Kilometern nach Passau, um in der Dreiländerhalle noch den letzten Worten der CSU-Politiker zu lauschen. Die Halle ist ein Kongresszentrum mit klar getrennten Bereichen: VIPs (viele), Presse, Parteivolk und Gäste. Drumherum gibt es Devotionalienstände. Becher mit Edmund Stoiber sind nur als Bückware erhältlich, aber die Nachfrage scheint groß. Das Bier wird in Maßkrügen ausgegeben und ist mit 6,40 Euro deutlich billiger als auf dem Oktoberfest.
Christine Haderthauer spricht auch von der SPD in Vilshofen, von „anderen Veranstaltungen, die eher Sitzungen sind“. Das kommt gut an. Ansonsten, so versichern uns einige Teilnehmer, ist die Stimmung nicht ganz so gut wie sonst. Das neue Duo Beckstein-Huber sei mit Spannung erwartet worden, habe sich aber zu oft wiederholt – „der Druck ist raus“. Richtig Wallung kommt in den Saal, als Edmund Stoiber auf der Großbildleinwand gezeigt wird. „Edi, Edi“ hallt es minutenlang. Der Vormittag war lang und das Bier floss in Strömen. Die Jungunionisten ziehen Bilanz. „Die Haderthauer is scho scharf“, sagt der eine. „Jo, des is a geile Votzn“, antwortet der andere.
Die Windmaschine wird etwas aufgedreht
Zum Schluss singt der Saal die Bayern- und die Nationalhymne. Die Windmaschine wird etwas aufgedreht, damit die Flaggen im Saal stärker wehen. Die Menschen sind bierseelig. Der Saal steht auf, einige Unionsanhänger steigen auf die Bierbänke. Hier und da wird salutiert (siehe Bild). Ein JUler hält den anderen davon ab, mit der ersten Strophe des Deutschlandliedes fortzufahren: „Loas des jetzt. Des koanst net bringa. Des moach moa, wann mir unta uans saan.“
Mittlerweile ist die Kommunalwahl vorbei. Die NPD hat erfreulicherweise nicht so gut abgeschnitten, wie befürchtet. Dafür diskutiert die CSU jetzt über eine Lockerung des Rauchverbots. Und Joachim Boiger landete bei 12,5 Prozent. Mit manchen Rammbockaktion holt man sich leider eine blutige Nase. Das kennen wir aber auch aus der Bundespolitik.
RATSKELLER PASSAU – Rathausplatz 2, 94032 Passau
DREILÄNDERHALLE – Dr.-Ernst-Derra-Straße 6, 94036 Passau
WIRTSHAUS ZUR WURZ’N – Schmalhof 6, 94474 Vilshofen
WOLFERSTETTER KELLER – Bürg 21, 94474 Vilshofen