Jenseits der Neuen Mitte...
Frühling. Zeit der Hoffnung. Dass die Dresdner Bank endlich gemerged worden ist, macht das Leben leichter. Da braucht sich die unbefangene Beobachterin doch nur die beiden Jungs anzusehen, die den Vorsitz dieser Großinstitute innehaben: Der Deutsche strotzt vor Selbstvertrauen und Zuversicht und der Dresdener stackelt ein bisschen aufgeregt und ein bisschen resigniert daneben her: "Selber Schuld!" kann ich da nur sagen. Wer sich hier am Pariser Platz auf jedem zweiten Bus mit dem Jahrhundertslogan "In DIT we trust" in die Börsenherzen schleichen will, der hat es wahrlich nicht besser verdient. DIT soll ein Deutscher Investment Trust sein. "In God" trustet der Amerikaner auf jedem Dollar, und da hatte die nun hoffentlich abzuwickelnde Werbeabteilung der Jungs mit dem grünen Band der Apathie doch ganz zum Schluss noch mal eine wirklich gute Idee.
Wie weit das mit den Zusammenschlüssen noch gehen soll, weiß kein Mensch. Da der Bierkonsum in unseren Landen von 190 auf besorgniserregende 139 Liter pro Person gefallen ist, mixt die Spirituosenindustrie an geheimgehaltenen Orten abenteuerliche Sachen zusammen: Bananenbier, Mangobräu, Papajaplörre. Zudem kauft Müller nun Weihenstephan, und der gesundheitsbewusste Barhocker hat seine liebe Mühe, sich im immer lichter werdenden Wald noch zu verlaufen.
Im beginnenden Frühling grünt es auch in der Kapitale allerorten. Nur beim kleinen Partner in der Regierung fallen die aufbrechenden Regungen noch verhalten aus. Was macht Rot/Grün in Schleswig-Holstein? Und warum posiert Pädagogin Röstel, statt sich um ihren Posten zu kümmern? Weil alle sich modernisieren wollen und keiner weiß, warum und wohin. Mein lieber Rezzo scheint sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen zu haben und Antje aus Hamburg müht sich redlich, ihre Mähne öffentlich-rechtlich und privat allerorts im Fernsehen zu schütteln. Nur was soll dabei rauskommen, Jungs und Mädchen? Eine fröhliche, aufgeschlossene, mutige grüne Partei? Von meinem Tresenplatz aus schlage ich Euch einen "merge" mit dem Zirkus Roncalli vor. Ist auch bunt und schön und hat mich letztens sogar wirklich bewegt.
Bei den Christen nebenan füllt sich langsam das Stadion zur Löwenjagd. Munter traben Opfer und zu Opfernde noch nebeneinander durch die Arena. Volker aus Hamburg - er wohnt jetzt irgendwo bei Tetenbüll am Deich - macht sich Sorgen. Über Schleswig, über Holstein, über Berlin und über sich. Angela schwebt zur Ehre ihres Namens von einer Regionalmesse zur anderen und kriegt sich gar nicht mehr ein vor lauter Halleluja- und Heureka-Gesängen. Jürgen aus NRW eifert fleißig Volker nach, und man fragt sich jeden Tag mehr, wie der gute Mann eigentlich mal Minister für Zukunft gewesen sein kann. Diese jedenfalls liegt schon ein gewaltiges Stück hintan. Helmut, ganz emsiges Eichhörnchen, hat seine Backen schon wieder voll und wird auch in seiner hocheigenen Zukunft alle Rufe zur Mäßigung überhören. Mit wem sollte die CDU zu Stärkungszwecken zusammengehen? Mit den Überbleibseln der Dresdner Bank. Da sind nun ganz viele Zweigstellen frei, viele bald unterbeschäftigte Nachwuchskräfte, und von Geldtransporten verstehen die auch wirklich was.
Wer PDS wählt, hört gerne Volksmusik. Das hat die TU in Berlin herausgefunden. Und damit ist über deren Zustand eigentlich alles gesagt. Nicht wirklich ganz furchtbar schlimm, nicht ansatzweise gut, nicht sehr erwähnenswert und vor allem: langweilig bis zum Abschalten. Wie Volksmusik eben. Empfehlung: Fusion mit den Zillertaler Schürzenjägern. So kommt unter Umständen endlich Schwung und Eros in die Sache.
Was aber hört der Wähler dieser Tage von oder mit den Liberalen? Nix als Freude. Guido jubelt über die wahnsinnig schlauen Wähler in Schleswig-Holstein. Die haben die Zeichen der Zeit erkannt. Die sind irre politisch. Die lassen sich nicht verwirren und haben die Gelben wieder in den Landtag gewählt. Da gratuliere ich gleich mit und teile die Hoffnung auf Erneuerung von ganz oben. So soll es weitergehen: Mit jeder tausendsten Spendermark hat der alte Kanzler Kohl auch eine Stimme für die FDP in die Urne schlüpfen lassen. Das ist die Wahrheit und nix als die Wahrheit. Ich kenne die Schleswiger und die Holsteiner auch. Die sitzen nach der Bus-Tour hier am Pariser Platz, reden den ganzen lieben langen Tag über die FDP und genau das haben die mir gesagt. Mein Vorschlag deshalb: Fusion mit einer der großen Sammeldosen-Agenturen, die sich so rührend um gute Taten mühen. Von den Brosamen, die dabei abfallen mögen, kann auch die superautonome und vor lauter eigenem Profil nur so strotzende FDP nur profitieren.
Gegen Ende kommen wir noch einmal zu den flotten Musik-Forschern von der TU in Berlin. Die wollen auch herausgefunden haben, dass überproportional viele Wähler der Grünen und der SPD in Wagner-Opern drängen. Darin zeige sich deren Lust auf Engagement, Weltveränderung und die Übernahme von Führungsfunktionen. Das mit der Führung und den Grünen hatten wir oben schon. Aber über die Idee einer weitgehenden Kooperation der Regierenden mit den Festspielen in Bayreuth lässt sich doch wirklich nachdenken. Mir fallen da diverse Bildungsabende meiner Jugend ein: Es dauert meist lang, hat immer wieder hochdramatische Szenen mit rührenden Versöhnungsarien und am Ende will bei guter Regie das Publikum die eine oder andere Zugabe. All die anderen Aspekte lächele ich für heute tapfer weg.