Motivation für den Wahlkampf
Anlässlich der Bundestagswahl stellt Thea Instrumente und Analysetools des politischen Handwerks vor, damit sich Verantwortliche über die Ferienzeit darin vertiefen können, diese dann flugs und erfolgreich anwenden und alles gut wird. Einiges ist ernster als hier bisher üblich.
Asymmetrische Demobilisierung
Kommt aus Spanien. Haben die Grünen sich ausgedacht. Geht so: Ich sag mal nix und dann können die anderen sich auch nicht darüber ärgern. Meine Leute wissen, dass ich jetzt mal nix sage, finden das gut, gehen zur Wahl und freuen sich, dass die anderen zuhause geblieben sind, weil es ja nix zum Ärgern gab. Die SPD peilt 80 Prozent Wahlbeteiligung an (siehe unten).
Politikverpflechtung
Erfunden von Fritz W. Scharpf. Ist Theorie. Kannste aber auch anwenden. Geht so: Man nehme den Föderalismus, die Zunahme von Problemen aller Orten, lustige Beispiele horizontaler und vertikaler Kooperation, schnipple die Begriffe „Kompetenzverlagerung“ und „Mischfinanzierung“ in den Salat und schon stellt sich heraus, dass nur wir das alles prima lösen können. Es folgt die
Politikverpflechtungsfalle
Hat Alexander Meyer schon im Landkreis Fürth beschrieben. Geht so: Der Zopf geht nicht mehr auf. Alles verworren, verknotet, ineinander verklettet. Luther sagt: Incurvatus in se: Der selbstbezogene, in sich verschwurbelte Mensch als Sünder. Dies war Theas einziger Beitrag zum Jubeljahr der Reformation.
Überwasserung
Zu Lebzeiten Jesu waren die Winter kalt im Heiligen Lande. Die Frühlinge auch. Eisschollen schwammen knapp unter der Oberfläche im See Genezareth. Wer fest an Wunder glaubt, der wandelt sicher und schliddert sich so in die Weltgeschichte.
Erwartungsmanagement
Ist dann, wenn ich heute schon weiß, was ich morgen will und andere sich darauf freuen sollen. Kommt auch im Wahlkampf vor. Geht dann schief, wenn „Gerechtigkeit für alle“ einsam auf dem Waschzettel steht.
Strategische Kombination
Carl von Clausewitz: „Wenn der taktische Erfolg in den Gefechten die Grundlage aller strategischen Kombinationen ausmachen muss, so ist es immer möglich und zu fürchten, dass der Angreifende bis auf diese Grundlage durchgreift, sich vor allen Dingen darauf einrichtet, in diesen taktischen Erfolgen Meister zu werden, um dann die strategische Kombination zu vernichten; dass diese also niemals als etwas Selbständiges betrachtet werden muss, sondern dass sie nur gültig werden kann, wenn man wegen der taktischen Erfolge … ohne Sorgen ist.“ Das ist mit Abstand das Klügste, was in dieser Kolumne je abgedruckt wurde. Bitte Kopie ins WBH und nach Kiel.
Orientierung
Rudolf Scharping et al, Demokratischer Sozialismus und Langzeitprogramm: Diskussionsbeiträge zum Orientierungsrahmen ’85 der SPD. Stellt fest, dass „die bisherige Diskussion langfristiger gesellschaftlicher Programmatik mit Mängeln behaftet ist“. Recht hat er. „Hinter der gesamten Arbeit der Sozialdemokratie muss der Versuch (!) deutlich (!) werden, dass die Abkehr vom Modell des ‚sozialen Kapitalismus‘ ein in der Gesamtsumme qualitativer Prozess ist, der das alternative Sozialstaatsmodell des demokratischen Sozialismus schrittweise (!) verwirklicht, jeweils gebunden an den Wählerentscheid.“ (Gruss an Gerd Weisskirchen)
Hier auch: Peter Conradi zu „Bodenrecht im Wandel“ – ein Hammer!
Dienstleistung
Eigentlich sollte hier was zu „Kryptokoalitionen“ stehen, das hatten wir aber oben schon und so kommt dies: „Politik ist keine Dienstleitung; sie darf nicht schlicht utilitaristisch definiert werden. Denn es ist mehr als nur das Ergebnis, das zählt: Jeder neue Skandal, jede weitere Glaubwürdigkeitslücke macht das deutlich. Vielmehr: Die selbstverständliche aktive Teilnahme am politischen Prozess muss endlich Bestandteil eines neu definierten ‚guten Lebens‘ jenseits der Homo-oeconomicus-Ideologie werden.“ (Hans-Peter Bartels at his best)
Postscriptum: Sollte sich die „Berliner Republik“ notgedrungenermaßen zur Oppositionspostille entwickeln, stellt Thea ihren Dienst ein. Das sollte als Motivation genügen.