Jenseits der Neuen Mitte...
Da werden Schauplätze besprochen, Rollen verteilt und vor allem die zur Verbreitung von allfälligen Mindermeinungen absolut notwendigen Interviews verabredet. Zu diesem Behufe sind in hellen Scharen die Chefredakteure des deutschen Regionalblätterwaldes angereist, um konspirativ in den jüngst wiederentdeckten Katakomben des Hotels Adlon mit den immer ignorierten Hinterbankbewohnern zusammenzutreffen - die wild entschlossen sind, diesen Sommer zu dem ihren zu machen.
Wenn mich meine Lauscher nicht täuschen, so werden es heuer vor allem die Dithmarscher Bauernpresse und die Freyunger Neuesten Nachrichten sein, die die ersten Akte der Sommerposse inszenieren dürfen. Der Auftakt spielt in einem abgelegenen (was auch sonst) Gasthaus in der Nähe von Kuddewörde in Schleswig-Holstein. Auf treten Rinderzüchter Gregor und ein bis dato unbekannter Politiker der CDU. Gregor: "Nur du kannst noch helfen, Thomas!". Thomas: "Das ist wirklich furchtbar, Gregor, ganz furchtbar. Das soll eure Internet-Seite sein?" Thomas (Internetsprecher der CDU) liest laut vor: "PDS für wen? Das PDS Software-Konzept sieht eine professionelle Organisation vor, die alle Bereiche des Unternehmens einbezieht. Wir nennen es eine ganzheitliche Lösung: Alle Mitarbeiter haben die für sie wichtigen Informationen im direkten Zugriff. Dazu gehören nicht nur die Sachbearbeitungsprogramme, sondern auch die sogenannten ′Schreibtischfunktionen′, die in der Oberfläche aller Programmbereiche enthalten sind."
Gregor (stöhnt laut auf): "Ganzheitlich! Unternehmen! Oberfläche aller Programmbereiche! Alles ganz unverschämt. Mir wird schon vom Lesen schlecht. Die Wagenknecht hat sich da schon wieder reingehackt!" In diesem Moment betritt von links der Lokal-Volontär Jan Hinnerksen die Szene. Den Rest werden wir bald zu lesen bekommen. (Eigene Recherche unter www.pds.de)
Zweiter Akt, morgendlich leeres Bierzelt, Freyung: Möllemann und Vesper versuchen zwecks Wahrung des Inkognito trotz hinderlicher Motorradhelme Bier aus Krügen zu trinken. Möllemann: "Das mit den 30.000 hat uns ganz schön reingeritten." Vesper: "Und uns erst! Jetzt hocken wir drauf und keiner will sie. Wir haben schon daran gedacht, sie an die Hanf-Fraktion zu vertickern, aber die sind uns drauf gekommen, dass man die nicht rauchen kann. Was machst du mit deinen 30.000?" Möllemann: "Ich dachte da an ein joint-venture. Du lässt deine 30.000 aus dem Wahlkampf übriggebliebenen Tüten Sonnenblumensamen mahlen, und ich tu die gleiche Anzahl blau-gelber Eier dazu, die bei uns noch rumliegen. Dann backen unsere Frauen daraus Plätzchen und die Parteien kommen gemeinsam aus den roten Zahlen." Vesper und Möllemann prosten sich zu, rufen gemeinsam, so laut sie können: "Eine pfiffige Idee!" Da kommt der Polizeireporter um die Ecke.
Der dritte Akt, so verabreden es die Heimlichtuer am Pariser Platz, soll in Kyritz an der Knatter spielen, einem idyllischen Marktflecken wahrscheinlich in Brandenburg. Der hier diensttuende CDU-Ortsverband will im August das "Unverantwortliche" wagen. Ohne erneute Rücksprache mit Thomas G. aus Bayern (nicht Internet-Sprecher seiner Partei) soll im Bierkeller Zur Volkssolidarität urgewählt werden. Noch steht nicht fest, wer und für welchen Posten, aber die tapferen Ost-Frauen und -Männer der Christdemokraten sind bereit und wild entschlossen: Mehr Demokratie wollen sie und Mitsprache und auch mal andere ranlassen und so weiter. Angela ist eingeladen und vorsichtshalber Friedrich auch. Mal sehen, wer kommt. Sicher Klaus Bednarz, denn mit dem haben sie alles vorbesprochen.
Da die tragenden Rollen in den folgenden Akten des retardierenden Elementes und der sodann unweigerlich folgenden Katastrophe nicht den Hinterbänklern zustehen, müssen wir die Szene hier verlassen. Glücklich über so viel konzeptionelles Tun kommen die Chefredakteure und Abgeordneten zurück aus dem Untergrund und trinken an der frischen Luft weiter.
Dabei ist nun auch meine Lieblingsvertreterin der FDP, die im Deutschen Bundestag immer so schöne Nebentöne flötet. Eindringlich redet sie auf einen Fraktionskollegen ein, der das Zwischenrufer-Adepten-Stadium selbst nach zwei vollen Perioden noch nicht hinter sich gelassen hat. Das Resultat ihrer Mühen lässt sich im Protokoll des Deutschen Bundestages nachlesen, wenn die Stenographen es denn haben fassen können: "Ja, was soll denn das? Kommen Sie mir nicht so!" Zu diesem Zeitpunkt herrschte im Plenum völlige Stille. Niemand sprach, der nächste Redner war 50 Meter vom Pult entfernt. Das verwunderte Staunen auf der Regierungsbank quittierte der Rufer mit folgenden Worten: "Einmal muss ich doch auch mal."