Keine Romantik

Susanne Gaschke erläutert in ihrem neuen Buch Die Emanzipationsfalle, warum sie das Aussterben der Deutschen für keine gute Idee hält. Unser Rezensent hingegen vermag nicht recht zu erkennen, warum Vergreisung ein Problem sein soll und beschreibt Susanne Gaschkes Eintreten für die Fortexistenz der Gesellschaft als "missionarisch"

Die Frauen befinden sich im Gebärstreik, schreibt Susanne Gaschke. Sie hätten sich – „ganz wie es im feministischen Lehrbuch steht“ – die „Kontrolle über die Reproduktionsmittel“ angeeignet. Allerdings gebe es nach 35 Jahren Frauenbewegung weder Sprecherinnen noch einen Forderungskatalog noch Adressaten – so die Bilanz der Zeit-Journalistin in ihrem neuen Buch Die Emanzipationsfalle.

Susanne Gaschke steht in auffälligem Kontrast zu dem Journalisten und Buchautor Ulrich Deupmann, der derselben Generation angehört. Beide zusammen treibt die Hauptsorge um, dass die besser gebildeten Schichten keine Kinder mehr gebären. Macht Kinder! ließ Deupmann plakativ auf sein unlängst erschienenes Buch drucken – und formulierte einen an die Politik adressierten „Zehn-Punkte-Plan für eine Million neu geborener Kinder“. Dass die Politik auf das Kindermachen nur eingeschränkten Zugriff hat, will er nicht so recht zur Kenntnis nehmen.

Die Selbstabschaffung dieser Gesellschaft

Susanne Gaschke hat einen anderen Blick auf das Thema, und vielleicht ist auch das symptomatisch: Während der männliche Autor sich primär um die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen kümmert, setzt sie ihre Recherche bei den Biografien und Lebensbildern der Menschen an. Und zwar bei den Frauen, obwohl die Nachwuchsfrage „bei Strafe der Selbstabschaffung dieser Gesellschaft nicht länger so ausschließlich den Frauen zugeschoben werden“ dürfe. Doch irgendwie entziehen sich die Männer, die durch ihre „Zeugungsverweigerung“ auch einen Anteil an der Situation haben, solchen Fragen. Da die biologische Uhr bei ihnen viel später zu ticken aufhört, scheint ihnen das Thema nicht besonders dringlich zu sein.

Susanne Gaschke fragt sich, was sich bei den Männern in den letzten 30 Jahren verändert hat. „Stehen Männer einfach Gewehr bei Fuß, bis die taffen neuen Karrierefrauen der Meinung sind, jetzt sei es Zeit zum Nestbau?“ Sie kann sich das nicht vorstellen. Irgendwie passt es auch den Männern gerade nie so richtig, eine Familie zu gründen – vor allem dann nicht, wenn damit die inzwischen durchaus verbreitete Erwartung an eine „aktive Vaterschaft“ geknüpft ist. Genau hier taucht nämlich für den potenziellen Vater die Frage der Vereinbarkeit von Kind und Karriere auf.

Selbst Juso-Frauen ist Feminismus peinlich

Susanne Gaschke zufolge fühlt sich die heutige Frauengeneration in keiner Weise unterdrückt; sie will weder Quoten noch Frauenfördermaßnahmen. Denn die Männer seien fachlich keine zu fürchtende Konkurrenz mehr. Außerdem ist Feminismus „peinlich“, wie Susanne Gaschkes Recherchen unter Juso-Frauen und benachteiligten jungen Alleinerziehenden ergeben haben. Das alles mag ein Erfolg der Frauenbewegung sein. Allerdings: „Der Feminismus hat nicht erreicht, dass Frauen sich selbst genug sind: Einem Mann zu gefallen gehört nach wie vor zu den Lebenszielen.“ Zwar reden Frauen viel vom partnerschaftlichen Mann. Sie entscheiden sich aber regelmäßig doch für den Macho, den Älteren, den beruflich Erfolgreichen – und wundern sich dann, dass er nicht im Haushalt hilft. „Die ,Romantik’, die heute noch die Partnersuche prägt, ist nicht viel mehr als ein Aufruf zur Unvernunft.“

Womöglich hat Susanne Gaschke Recht, wenn sie meint, dass eine Vernunftehe länger hält als eine Liebesheirat. Die Faktoren für eine erfolgreiche Ehe seien ähnlicher Geschmack, gemeinsame Werte, guter Sex und ein Freundeskreis. Außerdem: Kinder und gemeinsames Wohneigentum. Doch ob es ratsam ist, eine trotz Kinder kriselnde Ehe mit einem Eigenheim zu stabilisieren, ist zweifelhaft.

Insgesamt scheint Susanne Gaschke der Institution Ehe einen zu hohen Stellenwert beizumessen. Denn zwischen einer verheirateten Mutter und einer verlassenen Alleinerziehenden gibt es durchaus Abstufungen. Gerade viele besser gebildete Eltern leben getrennt, kümmern sich aber gleichberechtigt um die Kindererziehung. Dagegen sind verheiratete Frauen nicht selten nahezu allein erziehend.

Sind Zweifel an Renate Schmidt legitim?

Sorgen macht sich Susanne Gaschke indes über den säkularen Trend zur kinderlosen Akademikerschicht. „Die Kinderlosigkeit der weiblichen Bildungsavantgarde wirkt übrigens doppelt und dreifach, denn es geht ja nicht nur um die Zahl der nicht geborenen Kinder, sondern auch um eine Trend- und Vorbildfunktion“, stellt Susanne Gaschke fest. „Die Kinderfreundlichkeit einer Gesellschaft wird mit Sicherheit nicht größer, wenn ausgerechnet ihre Eliten sich von dem Leben mit Kindern entfremden.“

Von der Arbeit der scheidenden Familienministerin Renate Schmidt zeigt sich die Autorin zwar überaus beeindruckt: „Man kann eine solche Politik vorbildlich finden – ich tue es – und trotzdem einen Rest Zweifel an ihrer Wirksamkeit haben.“ Diese Zweifel sind legitim. Denn genauso wenig, wie die Politik Arbeitsplätze schaffen kann, kann sie Kinder zeugen. Doch Susanne Gaschkes kritische Bemerkungen gehen noch weiter. Mit der Formel „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist sie nicht ganz einverstanden. Sie signalisiert Verständnis für die Nur-Hausfrauen – Hauptsache Kinder, scheint ihr Credo zu sein.

Gut kapitalismuskritisch meldet Susanne Gaschke vor allem Zweifel an den von Renate Schmidt geschmiedeten „Allianzen für Familie“ mit den Wirtschaftsverbänden an: „Wollen sie wirklich ,Vereinbarkeit‘ für die Familien?“ Oder nimmt die Familiendebatte auf diese Weise eine „ökonomistische Wendung“? Richtig ist: Die Familie sollte sich der totalen Harmonisierung mit der Arbeitswelt entziehen. Aber wie sollen wir das erreichen, ohne mit der Wirtschaft in den Dialog zu treten?
Susanne Gaschke glaubt, es sei eine „wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis“, dass die Berufstätigkeit von Frauen die Geburtenrate senke. Denn selbst in dem bei der Kinderbetreuung vorbildlichen Schweden sei die Geburtenrate „nicht bestandserhaltend“. Leider verschweigt sie dabei, dass die Geburtenrate in Schweden deutlich höher liegt als bei uns – trotz der sehr hohen schwedischen Frauenerwerbsquote, die wiederum durch ein gut ausgebautes System der öffentlichen Kinderbetreuung ermöglicht wird.

Wohlfühlen für akademisch gebildete Eltern

Doch gerade der öffentlichen Kinderbetreuung begegnet Susanne Gaschke mit Skepsis und kritisiert eine „Dauerpropaganda für Fremdbetreuung“. Für die mangelnde Akzeptanz von Ganztagskindergärten hat sie volles Verständnis. Sicher muss man ihr darin zustimmen, dass die pädagogische Qualität und die Ausbildung der Erzieherinnen verbessert werden müssen. Doch warum die Autorin stattdessen ausgerechnet kaum qualifizierte Tagesmütter als Alternative propagiert, erschließt sich dem kritischen Leser nicht. Susanne Gaschke verkennt, welche enormen zusätzlichen Erfahrungen ein Kind in der Gruppenerziehung machen kann. Und sie übersieht, dass die Kindergartenlandschaft überaus vielfältig ist. Besonders die vielen Elterninitiativ-Kindergärten müssen eben nicht die befürchtete „Blackbox“ sein – hier fühlen sich auch engagierte akademisch gebildete Eltern wohl. Und ihre Kinder sowieso.

Susanne Gaschkes Buch Die Erziehungskatastrophe aus dem Jahr 2001 war äußerst umstritten. Ihre damaligen Thesen wiederholt sie heute nicht mehr – nur in einem kurzen Exkurs greift sie das Thema auf und mahnt Leserinnen und Leser, sich bei den eigenen Familienplänen nicht von „Erziehungskatastrophenkindern“ abschrecken zu lassen. Noch immer freilich beherrscht die Autorin die Kunst der Polemik – aber sie gebraucht sie nicht mehr dünkelhaft und rückwärtsgewandt wie früher. Stattdessen fordert Susanne Gaschkes Emanzipationsfalle mal zum Widerspruch heraus, mal zum nachdrücklichen Beifall. Manches übertreibt die Autorin – so etwa ihr Katastrophengemälde der alternden Gesellschaft; anderes beschreibt sie so präzise wie kaum jemand vor ihr. Gelegentlich fast missionarisch ist allerdings Susanne Gaschkes Anrennen gegen die Kinderlosigkeit zu nennen.

An einer Stelle jedoch scheint auch sie beinahe zu resignieren: „Wenn hauptsächlich die Schwachen Kinder bekommen, dann müssen wir eben aus diesen Kindern Atomphysiker machen, Gerichtspräsidenten, Abgeordnete, verantwortungsvolle Bürger.“

Susanne Gaschke, Die Emanzipationsfalle: Erfolgreich, einsam, kinderlos, München: C. Bertelsmann 2005, 223 Seiten, 16 Euro

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