Peer Steinbrücks Fanclub



Als ich auf Facebook dem Fanclub von Peer Steinbrück beitreten wollte, musste ich feststellen, dass es nur Anti-Peer-Steinbrück-Gruppen gibt, und davon gleich drei. Eine heißt „Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren“ und hat etwa 25.000 Mitglieder. Ich überlegte, einen eigenen Fanclub zu gründen, aber da Peer Steinbrück sich nun von allen Führungspositionen zurückzieht, habe ich das Projekt nicht weiter verfolgt.


Ich bin Steinbrück-Fan, weil ich mit ihm zu der aussterbenden Gattung der Anhänger der Großen Koalition gehöre. Alle Beteiligten stöhnten unter der Zwangsehe, aber ich kam mit dieser Konstellation immer gut zurecht. Sie brachte einen Hauch moderner Familienpolitik und war gleichsam geerdet in der alten deutschen Konsensrepublik. Gut, konzeptionell ließ die Große Koalition einiges zu wünschen übrig. Auf vielen Gebieten erhielt inkrementelle Anpassung den Vorzug vor zukunftsweisenden Ideen. (Um die konzeptionelle Seite zu stärken, haben Wolfgang Schroeder und ich das Handbuch progressiver Ideen für unsere Zeit des Berliner Think Tanks Das Progressive Zentrum mit erarbeitet – Sie finden es unter  www.progressives-zentrum.org).

Eine weitere Große Koalition hätte gutgetan

Zugegeben ging auch im Tagesgeschäft einiges schief. Die Konjunkturprogramme waren zu rückwärtsgewandt. Auf Zukunftsfeldern wie Bildung und Wissenschaft blieb Schwarz-Rot unter seinen Möglichkeiten. Die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist immer noch eine Baustelle. Aber wer hätte es besser gemacht? Wer wird es besser machen? Ich bin fest überzeugt, die Republik hätte eine zweite Große Koalition zur Verarbeitung der Krise gut gebrauchen können und locker verkraftet.


Die Wähler scheinbar nicht. Große parlamentarische Mehrheiten sind bei Bürgern und Medien unbeliebt, da sie der Kontroverse die Spitze nehmen. Zudem hat es die Öffentlichkeit tief demoralisiert, dass keiner der Beteiligten zur Großen Koalition stehen wollte. Besonders die SPD litt unter ihr, was auch parteispezifische Gründe hatte.


Schon lange wird die Politikfähigkeit der SPD dadurch geschwächt, dass sie ihr Führungspersonal aus wahltaktischen Gründen aus den Repräsentanten der „Neuen Mitte“ und dem Lager der Modernisierer rekrutiert, während die zweite Reihe in der Partei die damit verbundenen politischen Positionen zutiefst ablehnt. So entstand die paradoxe Situation, dass die Protagonisten der Agenda 2010 zwar den Wahlkampf führen durften, aber ihre eigene Politik nicht als Erfolg präsentieren sollten. In diesem Dauermachtkampf zwischen erster und zweiter Reihe hat die SPD in den vergangenen 18 Jahren nicht weniger als neun Parteivorsitzende zerrieben. Der nächste, der sich vom linken Rebell zum geläuterten Realpolitiker gemausert hat, steht schon vor der Tür.

Logische Folgerungen aus falschen Legenden

Das Muster könnte sich wiederholen. Schon wird die Legende gestrickt, die Mehrheit der sechs Millionen Wähler, die der SPD diesmal ihre Stimme verweigerten, hätten dies aus Abneigung gegen Hartz IV und die Rentenreform getan. Dabei war der Zahltag für die Agenda 2010 bei der Bundestagswahl vor vier Jahren. Seitdem wurden drei weitere Vorsitzende in teils dramatischen Machtkämpfen erst berufen und dann geköpft. Dennoch wird diese falsche Legende weiter kolportiert, weil ihre logische Schlussfolgerung ist, dass die Partei sich weiter nach links öffnen müsse – was die zweite Reihe schon seit langem fordert.


Gleichzeitig wählt die SPD an die Spitze von Fraktion und Partei erneut Repräsentanten, die von dieser Strategie nicht überzeugt sind und die Partei lieber zu einer modernen Arbeitnehmerpartei machen möchten. Peer Steinbrück hat beschlossen, sich aus diesem Spiel zu verabschieden. Auch dafür gebührt ihm ein Fanclub. Leider mit nur einem Fan. 

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