Vom Osten lernen?
Die Agenda 2010 wurde vielfach als das größte Reformwerk in der bundesrepublikanischen Geschichte bezeichnet. Das ist nicht ganz richtig. Den umfangreichsten Eingriff in bestehende gesellschaftliche und soziale Strukturen hat es 1990 mit dem Vertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion und dem Einigungsvertrag gegeben. Zwar war hauptsächlich Ostdeutschland der Adressat der Veränderungen, doch mittlerweile wissen wir, dass die Vereinigung eben auch in Wirtschaft und Gesellschaft der alten Länder ihre Spuren hinterlassen hat.
Heute, fast anderthalb Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution in der DDR, ist die Nachwendezeit in den neuen Ländern vorbei. Die größten Schritte sind getan: Die meisten großen Infrastrukturprojekte neigen sich dem Ende zu, der Aufbau der Institutionen ist abgeschlossen, große spektakuläre Ansiedlungen werden zukünftig eher die Ausnahme als die Regel sein. Die Menschen haben sich eingerichtet in der neuen Republik, sie sind im neuen Alltag angekommen.
Zwar meldete sich die Vergangenheit jüngst noch einmal in der Form nostalgisch verklärender "DDR-Shows" zurück, doch im Erfolg dieser Unterhaltungssendungen kam eher das Verlangen der Menschen nach einem ruhigeren und konstanteren Leben zum Ausdruck als der Wunsch nach Wiederkehr der alten Verhältnisse.
Die nächsten Jahre des Aufbaus Ost werden geprägt sein von vielen kleinen Schritten. Der finanzielle Rahmen dafür ist mit dem Solidarpakt II bis 2020 abgesteckt. Die Zuweisungen für die neuen Länder werden bis dahin schrittweise sinken - und die neuen Länder müssen innerhalb dieses Zeitrahmens eine sich selbst tragende Wirtschaft und eine sozial gerechte Gemeinschaft aufbauen.
Zeitgleich mit dem Ende der Nachwendezeit im Osten Deutschlands hat im Westen der Republik eine neue "Wendezeit" begonnen. Denn in vieler Hinsicht ist der Westen inzwischen selbst in die Jahre gekommen. Die etablierten Institutionen und Verfahren der einst so erfolgreichen Bundesrepublik erweisen sich heute als zu schwerfällig, um den Bedürfnissen einer Gesellschaft im Umbruch gerecht zu werden. Der Westen ist ein bisschen zu bequem geworden, um noch in jeder Hinsicht leuchtendes Vorbild zu sein.
Es wächst die Einsicht in die Notwendigkeit
Seit einiger Zeit wächst auch in der westdeutschen Bevölkerung die Einsicht in die Notwendigkeit, auf den Gebieten der Politik, der Wirtschaft und des Sozialstaats neue Wege einzuschlagen. Zwar ist diese Erkenntnis vielfach noch abstrakt. Gewohnheit und die "erfolgsverwöhnte Mentalität" (Hans-Ulrich Wehler) der vergangenen Jahrzehnte sind mächtige Gegenkräfte. Umso mehr markiert die Agenda 2010 einen großen Einschnitt, da sie - sicherlich nicht abschließend - einen großen Schritt in Richtung größerer Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit der deutschen Gesellschaft darstellt.
Auffällig ist aber, dass sich in die Reformdebatten des Jahres 2003 nur wenige Ostdeutsche eingemischt haben. Kaum jemand hat sich an all den hitzigen Debatten um den angeblich bevorstehenden Untergang der Berliner Republik beteiligt - der in Wahrheit ohnehin das Ende der Bonner Republik markieren würde. Gemessen an den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kommen vielen Ostdeutschen die Sorgen und Ängste des Westens wie Luxusprobleme vor. Denn bekanntlich bündelt sich zwischen Saßnitz und Suhl, Eisenach und Eisenhüttenstadt die wirtschaftliche und soziale Not noch weitaus dramatischer als im Westen der Republik. Flächendeckende De-Industrialisierung und hohe strukturelle Erwerbslosigkeit, ökologische Altlasten und vorsintflutliche Infrastruktur, massenhafte Abwanderung und normative Desorientierung sind Hypotheken der Vergangenheit, die den neuen Ländern bis heute schwer zu schaffen machen.
Die Bundesbürger haben seit 1990 enorme finanzielle Anstrengungen unternommen. Sie werden diese Belastungen auch noch in den kommenden Jahren solidarisch schultern müssen. Kein Wunder, dass sich die Begeisterung im Westen darüber angesichts der eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Grenzen hält. Das macht die ost-west-deutsche Lage noch asymmetrischer und schwieriger als sie ohnehin schon ist. Denn die neuen Nöte, Selbstzweifel und Abstiegsängste, die den - im Vergleich immer noch starken - Westen plagen, bleiben den Ostdeutschen verständlicherweise fremd. Sie müssen ihnen fremd bleiben, denn es handelt sich um die Sorgen einer jahrzehntelang erfolgreichen Gesellschaft, deren kollektive Erfahrungen die Ostdeutschen einfach nicht teilen - und nicht teilen können.
Keine Zukunft ohne Herkunft
Könnten nicht angesichts dieser ungewohnten Konstellation ostdeutsche Erfahrungen aus den oft schwierigen Veränderungsprozessen der vergangenen Jahre dem Westen zugute kommen? Könnte nicht der Westen erstmals von den Erfahrungen aus dem Osten lernen - zu seinem eigenen Nutzen? Häufig wird übersehen, dass der Osten zur gesamtdeutschen Reformdebatte durchaus einen eigenen Beitrag leisten kann.
Es gilt, das Ende der Nachwendezeit im Osten mit dem Beginn des Umbruchs im Westen zu synchronisieren und auf diese Weise eine wirklich gesamtdeutsche Reformdebatte zu gestalten. Ich denke, aus einer solchen Diskussion ließen sich Chancen für eine neue Gemeinsamkeit zwischen Ost- und Westdeutschland entwickeln. Aus Brandenburger Sicht möchte ich vier Einsichten anreißen.
Das vergangene Jahr hat, erstens, besonders drastisch gezeigt, dass die Menschen bei den Reformen mitgenommen werden wollen. Dies mag kein ostdeutsches Spezifikum sein, die Brandenburger fordern dies jedoch mit besonderer Vehemenz. Ein Prozess der Modernisierung, der über die Köpfe der Menschen hinwegfegt wie eisiger Wind, schafft in Wahrheit keine Erneuerung. Denn wo es nur um ökonomische "Zwänge" geht, da spielen Wünsche, Hoffnungen und Bedürfnisse der Menschen, Familien und Gemeinschaften bald keine Rolle mehr. Damit Modernität lebenswert wird, braucht sie Menschlichkeit: Zukunft gibt es nicht ohne Herkunft und Heimat.
Das aktuelle Interesse gerade junger Ostdeutscher an Filmen, Büchern oder Ausstellungen über die DDR belegt diese These. Im Wandel wächst der Wunsch nach Wurzeln und Orientierung. Es mag widersprüchlich klingen, aber auch das gehört zur Modernisierung. Menschen sind zur Veränderung bereit, wenn sie ihnen hilft, ihr eigenes Leben so zu leben, wie sie es in ihren Familien, Freundeskreisen und Gemeinschaften leben wollen.
Wenn die Menschen hingegen das Gefühl haben, dass Modernisierung ihr Leben nicht verbessert, werden sie sie ablehnen. Die Vereinigung von Berlin und Brandenburg ist so ein Beispiel. Viele Brandenburger haben den Eindruck, diese Vereinigung sei ein "von oben" ausgedachtes und eingefädeltes Projekt, das ihnen keine Vorteile bringen werde. In solch einer Situation, noch dazu, wo die finanziellen Verhältnisse von Berlin nicht geklärt sind, würde eine zweite Volksabstimmung unweigerlich erneut die Ablehnung der Fusion festschreiben. Die Menschen in Cottbus, Schwedt oder Neuruppin suchen Identifikationspunkte - und sie haben im Land Brandenburg einen gefunden, den sie nicht aufgeben wollen.
Verlässlichkeit und Entschleunigung
Ähnliche Erfahrungen lassen sich auch in anderen Ländern machen. Sobald jemand vorschlägt, die Zahl der Bundesländer auf acht, neun oder zehn zu reduzieren, protestieren umgehend die zur Fusion vorgesehenen Länder. Es ist schon so: Die Menschen lehnen Modernisierung ab, wenn sie über ihre Lebenswirklichkeit hinweg zu gehen scheint. Sie vertragen nicht beliebig viel Umbruch und Beschleunigung, können nicht immer wieder von vorne anfangen. Und die meisten wollen dies auch nicht. Wenn sich immer alles gleichzeitig verändert, machen die Leute irgendwann nicht mehr mit. Stattdessen wollen sie Verlässlichkeit, sie wollen die Vereinfachung und Entschleunigung eines hektischen und sich schnell verändernden Lebens. Reformen müssen bei den Menschen anschlussfähig sein.
Deshalb haben Brandenburg und Berlin in der Länderfusion einen neuen Weg eingeschlagen. Mit Berlin ist vereinbart, in den kommenden Jahren Behörden und Gerichte zusammenzulegen und so den Wandel für die Menschen positiv erlebbar zu machen. Der Brandenburger Landwirtschaftsminister ist nun gleichzeitig auch für die Berliner Bauern zuständig - ein solcher Souveränitätsverzicht ist einmalig in der Bundesrepublik. Es werden "Agenten der Zusammenarbeit" entstehen, die Menschen werden merken, dass die Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg funktioniert und Vorteile bringt. Ich bin sicher, dass die Zustimmung zum Projekt der Länderfusion auf diese Weise langsam, aber sicher zunehmen wird.
Ostdeutschland als Labor des Wandels
Bei der Modernisierung unseres Landes müssen wir, zweitens, Vertrautes erhalten und stärken, Orientierung und Anker bieten. Netze, die gut funktionieren, muss man vielleicht neu knüpfen, zerstören sollte man sie nicht. Brandenburg hat so zum Beispiel unter der Ägide von Regine Hildebrandt die Polikliniken der alten DDR in moderne Gesundheitszentren umgewandelt. Nun endlich ist dieses sehr effiziente Modell in der westdeutschen Bundesrepublik angekommen: In der jüngsten Gesundheitsreform wurde es verankert.
Die Veränderung des Familienbildes ist ein weiteres Beispiel. In der DDR war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf selbstverständlich und unverzichtbar. Dazu gehörte ein dichtes Netz staatlich garantierter Kinderbetreuung, das man im alten Westen so nicht besaß und oftmals auch nicht wollte. Mittlerweile existiert ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, die Bundesregierung investiert bis 2007 vier Milliarden Euro in den Ausbau von Ganztagsschulen.
Vielen Ostdeutschen ist gar nicht bewusst, wie sehr ihr gesellschaftliches Leitbild der Vereinbarkeit von Familie und Beruf heute im Westen angekommen ist. Ein solcher kultureller Umbruch im Westen hätte ohne den entsprechenden Impuls aus dem Osten innerhalb so kurzer Zeit niemals stattfinden können.
Modernisierung muss, drittens, neue Wege aufzeigen und Alternativen entwickeln. Politik darf nicht nur nehmen, sondern muss auch geben. Sie muss deutlich aufzeigen, aus welchen Gründen bestimmte Reformen nötig sind. Sparen um des Sparens willen ist trostlos und unpolitisch. Sicher, auch das Land Brandenburg muss in den kommenden Jahren erhebliche Einsparungen in seinem Landeshaushalt leisten, wenn wir nicht in eine gefährliche Spirale immer höherer Zinsausgaben geraten wollen.
Doch wir haben einen Bereich kategorisch ausgenommen: Bildung und Forschung. Kein anderes Bundesland verfolgt diesen Kurs so konsequent wie Brandenburg. Die Ausgaben für unsere Hochschulen und Forschungsstandorte sind uns aus guten Gründen geradezu heilig. Sie sind der Rettungsanker für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik. Bereits heute ist der Raum Potsdam die Region mit der höchsten Wissenschaftlerdichte Deutschlands. Die Studentenzahlen an den Brandenburger Hochschulen steigen von Jahr zu Jahr und erreichen mittlerweile die Kapazitätsgrenze. Im Jahr 2003 wurden noch einmal 3.000 neue Studienplätze geschaffen.
Der demografische Umbruch ist längst da
Auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Bewältigung des demografischen Wandels erweisen sich die neuen Länder - wenn auch wider Willen - als Vorreiter. In vielen Regionen Ostdeutschlands verändert die anhaltende Abwanderung und Alterung der Bevölkerung in dramatischer Weise das Zusammenleben und verwandelt Städte, Dörfer, Betriebe, Schulen. Zwar haben wir in Brandenburg und den anderen neuen Ländern im Moment noch mehr Fragen als Antworten.
Doch schon jetzt sammeln wir Erfahrungen, wie etwa angesichts drastisch zurückgehender Einwohnerzahlen die Verslumung von Stadtteilen verhindert und neue Lebensqualität ermöglicht werden kann, wie sich Mobilität auf dem Land auch dann erhalten lässt, wenn für die Bahn einfach nicht mehr genügend Fahrgäste da sind. Da werden Schritt für Schritt Lösungen für unser Gemeinwesen ersonnen, das schon in wenigen Jahren sozial und demografisch dramatisch anders zusammengesetzt sein wird.
Der Osten fängt an, Ideen zu entwickeln, die der Westen in einigen Jahren auch benötigen wird. Dabei gilt es, nicht das Lebensumfeld der Menschen abzubrechen, sondern neue Instrumente zu schaffen, um Lebensqualität zu erhalten oder gar zu verbessern.
Schließlich geht es, viertens, darum, unverkrampft an die Zukunft heranzutreten. Die Ostdeutschen haben erlebt, wie ihr Gesellschaftssystem zusammengebrochen ist. So etwas prägt. Und es ermöglicht eine Haltung, die experimentelle Veränderungen und mutige Erneuerung möglich macht. Die Veränderungen in allen Lebenslagen haben dazu geführt, dass es heute kaum mehr einen Ostdeutschen mit geradlinig verlaufenem Berufsweg gibt, dass viele Menschen auch im privaten Leben Krisen und Brüche erlebt haben - "Wendestress" ist dies treffend genannt worden.
Mittlerweile wissen die Ostdeutschen, dass sie mithalten können. Und paradoxerweise sind diese Erfahrungen und Lehren des Umbruchs der neunziger Jahre ihr kostbarstes Vermögen; sie können vielleicht für die Zukunft der Republik wichtig werden - und helfen, neuen Wendestress zu vermeiden. Für die Ostdeutschen sind die Strukturen der Bundesrepublik neu, gleichzeitig haben sie einen unverkrampften und pragmatischen Blick auf sie. Der Nutzen steht im Vordergrund. Man mag das als Traditionslosigkeit abtun, es führt aber dazu, dass Ostdeutsche schneller hinterfragen, was Westdeutsche heute nicht bereit sind zu verändern. Und es schärft mitunter den Blick auf die Unzulänglichkeiten der gesamtdeutschen Wirklichkeit in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.
Mehr als ein Land der chronischen Krisen
Ostdeutschland ist nicht nur die Sache der Ostdeutschen. Der Wandel ist ein beständiges Thema im Osten unserer Republik - seit 1989. Jetzt ist der beständige Wandel auch im Westen angekommen. Der Westen täte also gut daran, sehr genau zu beobachten, was im Osten Deutschlands passiert und bereits passiert ist. Er sollte dies im eigenen Interesse verfolgen - und zwar in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Hinsicht.
Im Osten wie im Westen greift in jüngster Zeit immer mehr die Wahrnehmung von Ostdeutschland als chronischer Krisenregion um sich. Ich empfinde diese Wahrnehmung als nicht sachgerecht. Sie ist es objektiv nicht - man denke nur an Potsdam, Leipzig oder Jena. Eine solche Wahrnehmung dient aber auch nicht gerade als Mutmacher, weil die Resignation bereits in ihr steckt. Und Resignation ist das Letzte, was wir in den neuen Ländern gebrauchen können.
Natürlich gibt es in den neuen Ländern große Probleme, in Brandenburg ebenso wie etwa in Sachsen oder Sachsen-Anhalt. Nur werden sie nicht dadurch kleiner, dass wir sie immer mehr beklagen. Stattdessen brauchen wir Ideen, Kraft und Ausdauer. Und einen ehrlichen und genauen Blick auf die neuen Länder. Denn die Situation in Eberswalde, Bautzen oder Gera unterscheidet sich eben doch noch erheblich von der in Lübeck, Kassel oder Passau.
Deutschland wird die Fesseln, die an seine Wirtschaftskraft gelegt sind, erst dann lösen können, wenn sich die wirtschaftliche Lage auch in den neuen Ländern nachhaltig und dauerhaft bessert. Der Osten muss wachsen, damit auch der Westen wachsen kann. Denn dann können auch Solidaritätszuschlag, Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeiträge sinken.
Dazu ist ein neuer innovativer Entwicklungsschub notwendig, der die Menschen in Ostdeutschland mitnimmt. Verbunden mit einem Regierungs- und Kommunikationsstil, der die Menschen in Ostdeutschland einbezieht und die besondere Situation in den neuen Ländern bedenkt. Gewiss, vieles davon ist Psychologie, aber die macht bekanntlich schon die Hälfte des Erfolges aus. Die besonderen Erfahrungen in Zeiten politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Umbrüche sind dabei das entscheidende Pfund, das die Ostdeutschen in diesen Prozess einbringen können.
Warum 2004 ein wichtiges Jahr wird
In diesem Jahr wird es dafür die erste Bewährungsprobe geben. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden 2004 neue Landtage gewählt. In diesen Ländern sind Normalität und ein gewisser Pragmatismus eingezogen. Die Menschen im Osten neigen nicht unbedingt zu Protestverhalten, und sie lassen sich auch nicht zu großen Aufbruchstimmungen oder politischen Abenteuern hinreißen. Sie suchen vielmehr "ihre" Interessen-vertreter, Menschen, die glaubwürdig und kompetent ihre Werte und Erfahrungen vertreten.
Sozialdemokraten sind dafür in besonderer Weise geeignet. Die Ostdeutschen verfügen über einen "sozialen Wertehaushalt", der nicht parteipolitisch gebunden ist. Vor die Alternative gestellt, würden die Ostdeutschen - ganz anders als die Westdeut-schen - in ihrer großen Mehrheit die Gleichheit über die Freiheit stellen. In vielen Fragen ticken die neuen Länder "sozialdemokratisch" - das stellte jüngst in einer von ihr in Auftrag gegebenen Umfrage selbst die sächsische Staatskanzlei erschrocken fest.
Von den Landtagswahlen in den drei größten ostdeutschen Bundesländern hängt deshalb viel ab. Nicht zuletzt für die Zukunft der Sozialdemokratie im Osten. Sachsen und Thüringen sind für die SPD ein schwieriges, aber ganz und gar nicht hoffnungsloses Territorium. Die Thüringer Sozialdemokraten errangen bei der Bundestagswahl 2002 immerhin über 40 Prozent. Ein Erfolg der SPD in diesen beiden Bundesländern würde die Situation der Bundesregierung im Bundesrat entscheidend verbessern und wenig überzeugende CDU-Alleinregierungen aufmischen.
Brandenburg wählt im September 2004 einen neuen Landtag. Brandenburg ist das Herzland der Sozialdemokratie im Osten. Brandenburg, aber auch ganz Ostdeutschland, die ganze Bundespartei braucht eine erfolgreiche SPD. Und Brandenburg braucht keine herzlose und kalte Modernisierung, kein konservatives Rollback, wie es der märkischen CDU vorschwebt. Die Brandenburger SPD hat sich deshalb für die nächste Legislaturperiode zwei zentrale Ziele gesetzt: Wir wollen aus unserem Land das kinderfreundlichste der Republik machen. Und wir wollen in der Bildung für eine gute Qualität und ein klares verständliches System sorgen. Um es mit den Worten von Regine Hildebrandt zu sagen: "Kinder, vergesst nicht, der eigentliche Sinn des Lebens liegt im Miteinander."
Das ist unser Anspruch. Dazu brauchen wir für den Wahlkampf die Solidarität der ganzen Partei. Und wir versprechen, uns auch in Zukunft um die Belange der Ostdeutschen zu kümmern und den Westdeutschen unsere Erfahrungen im Umbruch weiterzureichen.