Was Manager verdienen
Die Diskussion um die Gehälter von Spitzen-Managern als Neid-Debatte abzutun, führt in die Irre. Zwar spielt Neid sicherlich eine Rolle. Denn Neid gehört zur „Grundausstattung“ des Menschen – aber ebenso gehören auch Vertrauen und Fairness dazu. Das anerkennt auf Basis von empirischen Untersuchungen der „experimentellen Ökonomie“ inzwischen sogar die Profession der Volkswirtschaftsprofessoren, die ein Jahrhundert lang den ultranationalen und nur auf seinen Vorteil bedachten homo oeconomicus in den Mittelpunkt des Wirtschaftslebens gestellt hat.
Die am öffentlichen Pranger stehenden Wirtschaftslenker haben Grundregeln des fairen Umgangs miteinander verletzt. Wer wie im Fall Mannesmann für etwas eine Prämie kassiert, für das er ohnehin bereits gut bezahlt wird, der handelt – für jeden erkennbar – unfair. Das hat auch nicht primär etwas mit Neid zu tun, wie man an anderen Beziehern hoher Einkommen erkennen kann.
Die Öffentlichkeit und selbst Stammtische erkennen hohe Einkommen als „gerecht“ an, wenn sie erkennbar auf Leistung beruhen. Besonders deutlich wird das bei Superstars unter den Musikern oder Sportlern. Auch wenn sich deren Fähigkeiten oft nur ganz wenig von jenen anderer Sportler oder Musiker unterscheiden, so sind sie doch – zum Beispiel für eine Mannschaft – zumindest kurzfristig nicht ersetzbar, oder die Zuhörer schätzen den „Superstarsound“ ungleich mehr als eine nur wenig anders klingende Musik. Im Zeitalter der milliardenfachen preiswerten Verbreitung der einzigartigen Leistung via Massenmedien können Superstars deswegen unglaubliche Einkommen erwirtschaften, denn die von ihnen produzierte Wertschöpfung ist enorm. Interessanterweise wird offenkundig den wenigsten Superstars ihr hohes Einkommen geneidet, denn sonst würden die Menschen ihre Darbietungen nicht kaufen. Neid spielt wohl deswegen keine Rolle, weil die Supereinkommen auf einem knallharten und völlig transparenten Markt verdient werden.
Persönliche Risiken gehen Manager kaum ein
Völlig anders sieht das bei Top-Managern aus. Ihre Leistung ist schwer messbar, und sie wird bei Vorstandsmitgliedern großer Aktiengesellschaften im Hinblick auf die Gehaltszahlung auch nicht vom freien Markt beurteilt, sondern von Vorstandskollegen, die in den Aufsichtsräten sitzen! Nun könnten deutsche Manager ja besonders gut sein, und sie sollten deswegen – wie unsere Manager-Elite gern betont – so viel verdienen wie ihre amerikanischen Kollegen. Nur: Bislang wurde kein Abwerbeversuch eines US-Konzerns bekannt. Der Verdacht ungerechtfertigt hoher Bezüge liegt da nahe.
Man kann exorbitante Einkommen auch nicht durch unternehmerische Risiken rechtfertigen, die Manager eingehen. Denn angestellte Manager tragen kaum noch ernsthafte persönliche Risiken – selbst gröbste Kunstfehler werden von Versicherungen abgedeckt. Das leichtfertige Interview von Rolf E. Breuer, seinerzeit Sprecher der Deutschen Bank, das mithalf, Leo Kirch in den Bankrott zu treiben, ist dafür ein Beispiel. Dem innovativen Unternehmer, der pfiffig ist und persönliche Risiken eingeht, wird sein Vermögen hingegen kaum geneidet. Bill Gates ist ein aktuelles Beispiel.
Man kann die „Phantasiegehälter“ (Frankfurter Allgemeine) auch nicht mit der Kompensation besonders schlechter Arbeitsbedingungen rechtfertigen. Top-Leute arbeiten zwar viel, aber weltweite empirische Erhebungen zeigen zugleich, dass Gutverdienende mit Arbeit und Leben deutlich zufriedener sind als der Rest der Bevölkerung.
Die Säulen der Gesellschaft in der Krise
Insgesamt erstaunt es nicht, dass – so bestätigen neue repräsentative Zahlen, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) durch Infratest Sozialforschung hat erheben lassen – seit Jahren schon über drei Viertel der Erwachsenen in Deutschland großen Wirtschaftsunternehmen „wenig“ oder „überhaupt kein“ Vertrauen mehr entgegenbringen. Und es kann für die Konzerne kein Trost sein, dass ziemlich genau gleich viele auch den Gewerkschaften misstrauen. Vielmehr haben wir es mit einer Vertrauenskrise in ganz wesentlichen Säulen der Gesellschaft zu tun, wobei es aufgrund der Jahrzehnte währenden öffentlichen Diskussion kaum verblüfft, dass drei Viertel auch dem Bundestag misstrauen.
Aber gerade den Großunternehmen, denen es gelungen ist, in der veröffentlichten Meinung die Gewerkschaften und Politik ganz schlecht dastehen zu lassen, sollten erschüttert darüber sein, dass der Vertrauensverlust – zu Recht – vor ihnen nicht Halt macht. Die Unternehmer können sich auch nicht damit herausreden, dass die Deutschen flächendeckend jedes Vertrauen verloren hätten. Denn es zeigt sich, dass die Leute den viel gescholtenen alten staatlichen Institutionen deutlich mehr Vertrauen entgegen bringen als den Propheten der Privatisierung. Das ist ein bedenkliches Zeichen für die Unternehmen – und zugleich ein gutes Zeichen für die Berliner Republik. Denn wäre erst einmal auch das Vertrauen in staatliche Einrichtungen und Justiz erschüttert, dann wäre ein Aufschwung kaum noch möglich.
Während drei Viertel der Bürger den Unternehmen misstrauen, sind es umgekehrt drei Viertel, die „sehr viel“ oder „ziemlich viel“ Vertrauen in die Polizei haben. Auch den Behörden allgemein, über deren Bürokratismus sich jeder fast immer ärgert, wenn er Behördengänge zu erledigen hat, wird von etwa 40 Prozent „sehr viel“ beziehungsweise „ziemlich viel“ Vertrauen entgegengebracht. Und selbst dem Zeitungswesen – auf das Verbandsfunktionäre und Politiker gleichermaßen gerne schimpfen – bringen mit etwa dreißig Prozent mehr Menschen Vertrauen entgegen als den Gewerkschaften, den Großunternehmen und dem Bundestag.
Die Gehälterdebatte ist nur ein Symptom
Zum Vertrauensverlust in Großunternehmen haben sicherlich nicht nur die hohen Gehälter beigetragen. Jahrelange Abbau-Rhetorik im Hinblick auf den Sozialstaat, die aber nur zu einem Abbau an Arbeitsplätzen geführt hat, haben die Menschen misstrauisch gemacht. Die Debatte um die Begrenzung von Manager-Gehältern ist nur ein Symptom – aber gerade deswegen wichtig. Denn Vertrauen ist ja keine rein objektive Größe, sondern es hat auch viel mit Psychologie zu tun. Aber die Stammtisch-Forderung nach einer gesetzlichen Begrenzung der Manager-Gehälter ist trotzdem absurd.
Es gibt kein „ehernes Gesetz“, das dem Staat sagen würde, was ein angemessenes Managergehalt wäre. Wer das nicht glaubt, der kann es schon bei Karl Marx nachlesen: Löhne können nur am Markt gebildet werden – nirgendwo sonst. Deswegen ist die Schaffung eines funktionierenden Marktes für Managergehälter nötig. Und das einzige, was diesen Markt schaffen kann, ist Transparenz. Managergehälter müssen personenbezogen offen gelegt werden – dann regelt der Wettbewerb das Problem wie im Fall der Superstars von selbst. Wenn die Vorstände diese Transparenz nicht zügig freiwillig herstellen, muss man sie durch das Aktiengesetz erzwingen. Aber freiwillige Selbstverpflichtungen wären besser, damit es nicht sofort wieder zu Umgehungen der Vorschriften kommt, indem Zahlungen an Dritte (etwa für die Unterhaltung eines „Sekretariats“ in der Privatwohnung), geleistet oder trickreiche geldwerte Vorteile für Dienstwohnungen und „angemessenes“ Personal gewährt werden.
Zum Geldausgeben fehlt die Zeit
Besonders leiden werden die Manager unter niedrigeren Einkommen nicht. Neueste empirische Untersuchungen zeigen nämlich, dass das Einkommen für Top-Verdiener eher eine Bürde darstellt, weil sie gar nicht genügend Zeit haben, ihr vieles Geld vernünftig auszugeben. Dies ist keine Stammtisch-Erkenntnis, sondern das Ergebnis einer methodisch seriösen und repräsentativen Untersuchung des amerikanischen Arbeitsökonomen Dan Hamermesh. Er hat mit Daten für Australien, die Vereinigten Staaten und Deutschland herausgefunden, dass ein höheres Einkommen bei Topleuten aufgrund ihrer langen Arbeitszeiten Stress verursacht. Zwar sind sie deutlich zufriedener mit sich und ihrem Arbeitsleben als die meisten Mitmenschen, aber trotzdem zeigt sich, dass sie sich umso mehr über ihre langen Arbeitszeiten ärgern, je höher ihr Einkommen ist. Offenbar werden ihnen mit steigendem Einkommen die Opportunitätskosten umso bewusster.
Diese bestehen darin, dass sie nicht genug Zeit haben, um die Konsummöglichkeiten, die ihnen ihr Einkommen theoretisch bietet, praktisch überhaupt wahrzunehmen. Wenn also der Gesetzgeber und die Hauptversammlungen die Phantasiegehälter der Vorstände zurückstutzen, dann tun sie ihnen damit eigentlich einen Gefallen. Und das Vertrauen in die Großunternehmen, auf das jede entwickelte Gesellschaft angewiesen ist, kann wieder wachsen.
Politiker müssen ordentlich bezahlt werden
Die Debatte um die Bezüge von Top-Managern macht der Öffentlichkeit vielleicht auch deutlich, wie absurd die beliebte Diskussion über angeblich zu hoch bezahlte Abgeordnete und Minister ist. Aktive Politiker haben Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen, die die meisten von uns – einschließlich der Manager-Elite – körperlich und seelisch nicht aushalten würden. Und bezahlt werden sie dafür nun wirklich nur „gut bürgerlich“. Viele haben weniger in der Tasche als ein Bankdirektor in der Provinz oder ein mittelmäßiger Hochschullehrer. Zwar gibt es sicherlich Ärgernisse im Detail, weil zum Beispiel ein Großstadtabgeordneter oft weniger Kosten hat als ein Bundestagsabgeordneter in einem Flächenwahlkreis, der dort drei verschiedene Büros unterhalten muss.
Aber deswegen zum Beispiel Diäten über Jahre hinweg real sinken zu lassen und die Politik als Beruf für qualifizierte Bürger finanziell unattraktiv zu machen, ist für unsere Gesellschaft auf Dauer schädlich. Folgte man den Stammtischen, dann würden sich am Ende, wie zu Beginn der bürgerlichen Demokratien, wieder in erster Linie die Kinder vermögender Eltern aus Zeitvertreib für die Politik entscheiden. Das wäre für die Besucher von Stammtischen gar nicht gut. Deshalb müssen Politiker ordentlich bezahlt werden. Und das sollte auch nicht nur hinter vorgehaltener Hand, sondern immer wieder öffentlich ausgesprochen werden.