Wie Vertrauen zurückgewonnen werden kann
Donald Trump hat gewonnen und mit ihm der Populismus. Trump war authentisch, Clinton verkrampft. Der nächste Präsident der Vereinigten Staaten hat authentisch gelogen, er war authentisch sexistisch und rassistisch. Trotzdem hat ihn eine Mehrheit nicht nur der weißen Männer, sondern auch der weißen Frauen gewählt. Was heißt das für unsere Demokratien dies- und jenseits des Atlantiks? Müssen jetzt auch die etablierten Parteien noch stärker auf kontroverse Themen setzen – und auf authentische Personen, die zuspitzen können?
Das Ergebnis in den Vereinigten Staaten verstärkt die Verunsicherung unter den etablierten Parteien. Wie sollten sie auf den Rechtspopulismus reagieren? Ein Ratschlag lautet, näher ran ans Volk zu gehen und den Leuten stärker aufs Maul zu schauen. Wer das glaubt, dem empfehle ich den herrlichen Blog-Beitrag von Frank Stauss „Keine Sorge dieser Welt“, in dem er diesen „reinen Bullshit“ entlarvt und zu Recht auf das zunehmende Problem der „Distanzlosigkeit“ und der „permanenten medialen Präsenz“ vieler Politikerinnen und Politiker verweist. Diese führt gerade nicht zu mehr Verständnis der Bevölkerung, dafür aber zu einer „Entmystifizierung“, die der Wertschätzung des politischen Systems insgesamt schlecht tut.
Ein anderer Ratschlag: Thematisiert die Schuld der Medien! Denn die Medien lieben den Populismus, weil er ihnen hilft, lustvoll zuzuspitzen statt differenziert über die komplexen Probleme und Lösungsansätze des 21. Jahrhunderts zu berichten. Aber abgesehen von der berechtigten Kritik, dass immer mehr Redaktionen das Geld fehlt, genügend Journalisten einzustellen, bestätigt dieses Argument nur die Grundthese der Populisten, dass die Presse tendenziös berichte. Zudem untermauert eine derartig verkürzte Medienschelte ungewollt den Vorwurf vom armen, unterdrückten „Volk“, über dessen legitime Wünsche und Bedürfnisse nicht richtig berichtet wird.
Andere sagen, die Rechtspopulisten müssten umarmt und damit entzaubert werden. Aber diese Strategie hat noch nie (!) funktioniert, und die Demokraten stellen damit ihre eigenen Grundwerte zur Disposition. Dem Satz „das wird man doch noch sagen dürfen“ folgen regelmäßig Ressentiments, die in der Abwertung ganzer Gruppen münden.
Wer Political Correctness als Beschränkung der Meinungsfreiheit wahrnimmt, trägt zur Verrohung der Debattenkultur in unserem Land bei – einer Verrohung, die die Mehrheitsgesellschaft gerade nicht will. Politiker, die diese Grenzverschiebung mitmachen, um den Populisten nicht das Feld zu überlassen, begehen einen Fehler. Wer zu sehr auf die lauten Minderheiten schaut, übersieht, dass die Mehrheitsgesellschaft große Sorge um den Zusammenhalt und vor der Entsolidarisierung unserer Gesellschaft hat.
Der Vertrauensverlust war umfassend
Nicht nur in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, Ungarn oder in Österreich – auch bei uns wird die Demokratie angegriffen. Vielleicht liegt das ja an der Demokratie selbst? Ist es nicht Zeit für institutionelle Reformen? Müsste nicht mehr direkte Demokratie gewagt werden, um den Willen der Bevölkerung unmittelbar zur Geltung zu bringen? Sollte nicht zumindest der Bundespräsident direkt gewählt werden? Viele Verfechter der direkten Demokratie verbinden damit die Hoffnung, bei großen Entscheidungen das Machtproblem aus der Welt zu schaffen. Das funktioniert nur leider nicht, wie die Geschichte zeigt. Je direkter die Entscheidungen herbeigeführt werden, desto unmittelbarer können organisierte Interessen wirken, die in lauten Kampagnen vorgetragen werden. Außerdem haben Populisten dann mehr Möglichkeiten, Wahlentscheidungen zu personalisieren.
Umfragen belegen, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland mit der repräsentativen Demokratie grundsätzlich einverstanden ist (im Westen stärker als im Osten, aber selbst dort). Wie die Demokratie jedoch gelebt wird, sehen viele kritisch. Der Vertrauensverlust der vergangenen Jahrzehnte hat viel mit dem wahrgenommenen Steuerungsverlust in der Politik zu tun. Vor allem die Finanzmarktkrise hat das Grundvertrauen in die Politik erschüttert. Viele Menschen verstehen bis heute nicht, wo die Hunderte von Milliarden Euro herkamen (über zusätzliche Verschuldung), mit denen die Banken gerettet wurden, und warum die Banker nicht zur Verantwortung gezogen worden sind. Damals wurde ein zentrales Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft, die Grundverbindung von Risiko und Haftung, außer Kraft gesetzt. Die Politik war erpressbar, weil das gesamte ökonomische System zu kollabieren drohte. Seither hat sich der Eindruck verfestigt, dass Politiker nicht wirklich sagen, „was ist“ (Ferdinand Lassalle), und dass es in der Wirtschafts- und Finanzwelt Kräfte gibt, die im Verborgenen die Geschicke bestimmen.
Auf dieser Welle des Vertrauensverlusts surfen Populisten wie Donald Trump oder die AfD. Sie versprechen Zusammenhalt durch Ausgrenzung und Abschiebung. Außerdem wollen sie die wirtschaftliche Abschottung gegen Konkurrenz aus dem Ausland, damit wieder gute industrielle Arbeitsplätze entstehen können. Dies ist in den dreißiger Jahren schon einmal grandios schief gegangen. Das Ergebnis war eine lange Depression mit katastrophalen politischen Auswirkungen. Genau dies droht ein weiteres Mal, wenn Donald Trump sein zentrales Versprechen von „America First“ einlöst. Werden ihn seine Berater wirklich davon abhalten?
Statt dem „Ende der Geschichte“ sind in den letzten 25 Jahren aus Gesellschaften, die durch ihr Aufstiegsversprechen geprägt waren, Gesellschaften der Angst, der Drohung und der Verunsicherung geworden. Dementsprechend gibt es eine große Sehnsucht nach mehr Solidarität, leider gepaart mit der ebenso großen Sorge, ausgenutzt zu werden und sich nur auf sich selbst verlassen zu können.
Den etablierten Parteien fällt es schwerer als den Rechtspopulisten, dieses Lebensgefühl aufzunehmen. Populisten brauchen Polarisierung, und die bekommen sie. Die Gräben zwischen Alt und Jung, Reich und Arm, Inländern und Einwanderern werden in allen liberalen Demokratien tiefer. Hinzu kommen die (durchaus realen) Abstiegsängste der Mittelschichten und das (leider ebenso reale) Gefühl der Abgehängten, niemals eine faire Chance zu bekommen.
Auf die Beteiligung der Bürger kommt es an
Deswegen ist es jetzt so wichtig, diese Spaltung nicht auch noch zu verstärken durch eine noch taktischere, noch lautere, noch zugespitztere und noch symbolhaftere Politik. Wer die Hauptzielgruppe erreichen will, die leise Mehrheitsgesellschaft, wird dies nur mit einem Politikstil schaffen, der die Hauptbedürfnisse der meisten Menschen in den Blick nimmt. Politik für den Zusammenhalt, gegen Entsolidarisierung, gegen die Verrohung in unserer Gesellschaft gelingt nicht allein über lebensnahe Themen, sondern über die partizipative Einbindung im Vorfeld von Entscheidungsprozessen, über eine konsequente Haltung und die Bereitschaft, Probleme offen anzusprechen.
Das ist keine Theorie, sondern im Bundesfamilienministerium seit Jahren in der Engagementförderung sowie in der Demokratieförderung und Extremismusprävention erprobt. Für ein Förderministerium sind vor allem die Programmpartner wichtige Multiplikatoren. Über die Organisationen können wir viele Menschen erreichen, im Prinzip mehr als 30 Millionen Menschen in Deutschland. So viele engagieren sich nämlich jedes Jahr in unserer Gesellschaft. Seit drei Jahren binden wir unsere Programmpartner bereits in der Entstehungsphase politischer Entscheidungen mit ein, sei es bei der Aufstockung wichtiger Programme („Demokratie leben!“) oder bei der Konzeptionierung neuer Programme für die Integration Geflüchteter („Menschen stärken Menschen“). Wir fördern Migrantenverbände, indem wir sie befähigen, im Förderwettbewerb mit etablierten Wohlfahrtsverbänden mithalten zu können. Wir entwickeln gemeinsam Strategien. Und immer beginnt die Einbindung weit vor der Ministerentscheidung. Dabei wird vorher klar gemacht, dass am Ende die Ministerin entscheidet, wir ihr aber ein zusammen mit der Zivilgesellschaft erarbeitetes Votum vorlegen. Das funktioniert ausgezeichnet.
Haltung, Partizipation und ehrliche Ansagen
Für mich ist dies nach vielen Jahren die erste fundamentale Erfahrung der erfolgreichen Zurückgewinnung von Vertrauen in die Politik – nicht sofort (am Anfang überwog die Skepsis), aber im Laufe der Jahre. Unsere Politik ist dadurch besser geworden und wir haben Partner gewonnen, die bereit sind, mit uns auch schwierige, neue Wege zu gehen.
Der Politikstil eines Dreiklangs aus Haltung, Partizipation und der Bereitschaft, nicht zu verschweigen, welche Probleme es gibt, funktioniert auch in der Gesetzgebung. Ein gutes Beispiel ist unser Entwurf für ein Gesetz zur Demokratieförderung, mit dem wir mehr Nachhaltigkeit und Planungssicherheit in der Demokratieförderung und Extremismusprävention schaffen und endlich weg wollen vom Präventions-Punktualismus einer Welt der Modellprojekte. Nur der Zweiklang von Prävention und Repression wird echte Sicherheit bringen.
Richard von Weizsäcker hat es uns ins Stammbuch geschrieben: Die Demokratie ist in den dreißiger Jahren nicht an ihren Feinden, sondern an zu wenigen Unterstützern zugrunde gegangen. Das ist heute Gott sei Dank anders. Die Politik kann mit dem richtigen Politikstil sehr viel dafür tun, dass der Zusammenhalt wieder gestärkt wird – und dies so bleibt.