Alpha-Frauen dringend gesucht!

zu Christina Schildmann und Katrin Molkentin, Soziale Demokratie und junge Frauen, Berliner Republik 4/2008

Wer sich bislang auf das Verhältnis der SPD zu den Frauen einen Reim machen wollte, landete über kurz oder lang bei der Gleichstellungs- wahlweise auch Frauenbeauftragten. Diese redet bei jeder Personalfrage mit, nervt, wo es ihr erforderlich erscheint und sorgt so für die fügliche Einebnung der Gender-Differenzen im Arbeitsprozess wie in der Politik. Während sie ehedem als jugendlicher gleichwohl unkündbarer feministischer Schrecken von Behörden- und Firmenleitungen daherkam, trägt sie mittlerweile die strengen Falten einer in allen Feinheiten der juristischen Auseinandersetzung gewieften Rechtsperson. Fortschritt sieht anders aus.

99 Prozent wissen, dass sie gut sind

Der Wandel von einer nationalstaatlich behausten, hin zu einer entgrenzten, sich individuell reflexiv entfaltenden Gesellschaft findet sein frauenpolitisches Pendant in der wachsenden Absage an einen staatsorientierten Feminismus à la Fidel Castra (wie die tageszeitung Alice Schwarzer nannte). Während diese apodiktisch in einer höheren Regulierungsdichte – ob gegen Pornografie oder Diskriminierung – der weiblichen Weisheit höchsten Schluss erkennt, verabschieden sich jüngere Protagonistinnen wie Jana Hensel, Meredith Haaf oder Thea Dorn von der Täter-Opfer-Dichotomie. Mehr Selbstbewusstsein und weniger Selbstfindung kennzeichnet diese Frauengeneration, die laut der jüngsten Brigitte-Studie zu 99 Prozent „weiß, dass ich gut bin“. Aus der Summe der erfassten Einstellungen lässt sich allerdings kein genuiner Gesellschaftsentwurf filtern. Das Revival des Begriffs „Feminismus“ signalisiert eher eine Suchbewegung.

Diese Suche haben Christina Schildmann und Katrin Molkentin in der letzten Ausgabe der Berliner Republik auf einen gewagten Pfad geleitet. Der führt geradewegs zur Sozialdemokratie, die schon dem „alten“ Feminismus den Weg bereitet hat. Mit Verweis auf die Empirie verkünden die beiden Autorinnen, dass die jüngeren Frauen „nicht nur sozialdemokratisch wählen, sondern immer häufiger auch sozialdemokratisch denken“. Empirisch belegt wird allerdings nur der erste Teil der Aussage. Und das vornehmlich mit dem Ergebnis der Hessen-Wahl, das aus mehreren Gründen eher eine Ausnahme darstellt, als dass es einen Trend begründen könnte.

Legt man eine längere Zeitspanne zugrunde, so lässt sich zwar in der Tat ein erhöhter Zuspruch junger Frauen zur SPD ablesen. Dieser wird allerdings schon dadurch relativiert, dass sie der Altergruppe mit der geringsten Wahlbeteiligung angehören. Von den jungen Frauen im Alter bis 30 Jahren gingen weniger als 70 Prozent zur Bundestagswahl 2005, bei den Frauen zwischen 60 und 70 Jahren hingegen, die eher der CDU zuneigen, waren es 85 Prozent. Und diese Alterskohorte ist eine ungleich größere Wählergruppe als ihre Enkelinnen. Der Trend zur abnehmenden Wahlbeteiligung junger Wähler hält schon seit langem an und wird sich wahrscheinlich fortsetzen.

Nur eine kleine Schar tickt politisch

Wenn also behauptet wird, keine Wählergruppe ticke so sozialdemokratisch wie die jungen Frauen, so gilt das nur für jene kleiner werdende Schar, die überhaupt politisch tickt. Der jugendliche Charme der Botschaft von den sozialdemokratisch tickenden jüngeren Frauen wird zudem durch die Tatsache gedämpft, dass die SPD bei deren männlichen
Altersgenossen ihr schlechtestes Ergebnis verzeichnet. Und er wird dadurch relativiert, dass auch die Grünen sich mit Fug und Recht mit den Attributen jung und weiblich schmücken können.

Im Ergebnis ist die SPD (im Gegensatz zur CDU) in allen Altergruppen relativ gleich vertreten, und das Wahlverhalten aller Altersgruppen richtet sich eher nach der aktuellen politischen Attraktivität der SPD. Dass es um diese nicht zum Besten bestellt ist, wird auch die Wahlentscheidung junger Frauen womöglich mehr beeinflussen als mögliche Kompetenzvorsprünge bei Elterngeld und Krippenausbau, die Verknüpfung des „Männerthemas“ Wirtschaft mit dem Werteaspekt Ökologie oder selbst das Eintreten für die Interessen von Frauen.

Entscheidend sind Person und Kompetenz

Schon als Vorkämpferin des Frauenwahlrechts musste die SPD erfahren, dass davon, kaum dass es zu Beginn der Weimarer Republik durchgefochten war, nicht sie, sondern vor allem die katholische Zentrumspartei profitierte. Auch die verstärkte Vertretung von Frauen durch Frauen in Parteizentralen und Parlamenten wird nicht unbedingt mit mehr Wählerinnenstimmen vergolten. Die Sozialwissenschaftlerin Bettina Westle ist in ihrer Auswertung der Bundestagswahlen 2002 und 2005 zu dem Ergebnis gekommen, dass es nur einen geringen Gender-Effekt gab. Dieser war allerdings häufiger bei jüngeren Wählern und bei Wählern linker Parteien anzutreffen.

Die Affinität junger Frauen zur SPD lässt sich also mittels einer zielgruppenspezifischen Ansprache nur schwer steuern. Entscheidend für Wahlen ist die Person und nicht ihr Geschlecht. Entscheidend ist auch, welche Kompetenz sich mit dieser Person verbindet. Programminhalte allein vermögen kaum zu überzeugen, zumal gerade Frauen-, Bildungs- und Familienpolitik zwar relevante politische Felder geworden sind, zugleich aber auch solche mit vielen Akteuren und Akteursebenen. Den größten Modernisierungsschub hat in den vergangenen Jahren die CDU vollzogen, er wird von Ursula von der Leyen verkörpert. Die letzte Politikerin, die der SPD auf diesem Gebiet Gesicht und Gewicht gab, war Renate Schmidt. Wer dies in der SPD künftig tun, den Erwartungen der jungen Frauen genügen und ihrem Lebensgefühl entsprechen will, sollte nicht auf mehr Gleichstellung setzen. Gesucht sind vielmehr Alpha-Frauen.

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